Saarbruecker Zeitung

Das Genie und seine Spuren

Die Ausstellun­g „Der Göttliche – Hommage an Michelange­lo“in Bonn

- Von SZ-Mitarbeite­r Ulrich Traub

Michaelang­elo hat unzählige Spuren in der Kunst hinterlass­en. Die Bundeskuns­thalle in Bonn geht einigen davon mit einer Ausstellun­g nach; Originalwe­rke des Universalg­enies sind allerdings nicht zu sehen.

Bonn. Als „göttlich“hat der Künstlerbi­ograf der Renaissanc­e, Giorgo Vasari, ihn dutzendfac­h gewürdigt. Nicht ganz so respektvol­l hat es drei Jahrhunder­te später Vincent van Gogh formuliert, der die Figuren des Meisters herrlich fand, „obwohl die Beine entschiede­n zu lang, die Hüften und das Hinterteil zu breit sind“. Dennoch reiht man Michelange­lo Buonarroti (1475-1564) heute in die Riege legendärer Künstler ein. „Kein anderer als Michelange­lo, auch nicht Raffael, Dürer oder Tizian, übte eine ähnlich umfassende, die künstleris­chen Gattungen übergreife­nde, lange und kontinuier­liche Ausstrahlu­ng aus.“Das meinen die Kuratoren der Ausstellun­g „Der Göttliche – Hommage an Michelange­lo“. Sie versucht in der Bundeskuns­thalle in Bonn, einigen der unzähligen Spuren des Einflusses der Kunst Michelange­los zu folgen. Nein, Originalwe­rke von Michelange­lo gibt es nicht zu sehen. Das Universalg­enie, das Bildhauer und Maler, Architekt und Dichter war, bleibt im Hintergrun­d, taucht in Form von Porträts und Fotos seiner Werke auf. In den Arbeiten der Künstler, die Michelange­los Wirkung dokumentie­ren, reicht die Spanne von Abgüssen und Kopien wie der von Robert Le Voyer, der das „Jüngste Gericht“als Ölgemälde anfertigte, bis zu Interpreta­tionen – etwa im Werk von Fritz Wotruba und Alfred Hrdlicka. Die Österreich­er stellen wie Michelange­lo die menschlich­e Figur ins Zentrum ihrer Plastiken, in stark abstrahier­ender Weise. Oder sie thematisie­ren das Herausarbe­iten der Figur aus dem (Marmor-)Block, was das Werk bewusst als unvollende­t erscheinen lässt.

Auch Michelange­los Fresken der Sixtinisch­en Kapelle werden in der thematisch aufgebaute­n Ausstellun­g angesproch­en. Zeitgenoss­e Giorgio Ghisi überführte Szenen in Kupferstic­he, während sich Nachfolger Rubens mit Studien einzelner Figuren begnügt hat. Dramatisch­es Muskelspie­l und ausdruckss­tarke Gesten, eine Sprache der Körper, die Gewalt, Leid und Liebe vermittelt – die

„Christus am Kreuz“von Alessandro Turchis, um 1600.

Figuren des Meisters dienten schon zu seiner Lebzeit als Anschauung­s- und Lehrmateri­al.

1499 vollendete Michelange­lo seine Pietà für den Petersdom. Sie begründete den Aufstieg des Künstlers. Auch der Auseinande­rsetzung in Öl von Annibale Carracci ist die ungeheure Intensität der MutterSohn-Szene des Vorbilds eingeschri­eben. Das Original zeugt von der tiefen Religiosit­ät Michelange­los. Der Künstler schuf zudem eine Reihe von Andachtsbi­ldern – etwa für die Dichterin Vittoria Colonna, mit der er den Wunsch nach einer Reform der katholisch­en Kirche teilte. Selbst diese privaten Zeichnunge­n, unter denen auch ein Christus war, der sich verzweifel­t am Kreuz windet, fanden in Form von Kopien eine schnelle Verbreitun­g – wohl auch mit Zustimmung des Künstlers, der durchaus mit der Mehrung seines Ruhmes einverstan­den war. Auch an andere Zeitgenoss­en verschenkt­e Michelange­lo Zeichnunge­n.

Durch seine Intensivie­rung der Formenspra­che hat er nicht zuletzt die christlich­e Ikonografi­e verändert. Die Ausstellun­g will mit Exponaten von Künstlern wie Cézanne, Rodin und Yves Klein, Henry Moore, Georg Kolbe, Markus Lüpertz und Valie Export belegen, dass der Einfluss des Renaissanc­eMeisters die Jahrhunder­te überdauert hat. Das mag man gerne glauben, doch bleibt dies an mancher Stelle mangels stringente­r Argumentat­ion nur Behauptung. Was verbindet etwa Caravaggio­s „Johannes der Täufer“, der ohne Frage jeder Ausstellun­g zur Ehre gereicht, mit Michelange­lo?

Bis 25. Mai. Informatio­nen unter: Tel. (02 28) 917 12 00 und www.bundeskuns­thalle.de

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