Saarbruecker Zeitung

Burbach früher, Burbach heute

Das hat sich über die Jahre verändert – Ein Einheimisc­her erzählt vom Wandel

- Von SZ-Redaktions­mitglied Patricia Müller

Was in Burbach über die Jahre geschehen ist, hält Julius Roth in den „Daten zur Burbacher Chronik“fest. Aber was hat sich wirklich in dem Stadtteil verändert? In einem Gespräch erzählt er von den Unterschie­den zwischen früher und heute.

Burbach. Julius Roth lebt noch heute in dem Haus in der Burbacher Seebohmstr­aße, in dem er 1936 geboren wurde. „Früher waren die Häuser hier eingeschos­sig“, erzählt er, in seinem Arbeitszim­mer sitzend. Der Burbacher kennt viele Geschichte­n aus seinem Heimatort. Doch von Märchenonk­el fehlt hier jede Spur: Auf dem alten Dielenbode­n steht ein runder Konferenzt­isch, darauf ein Locher, ein Tacker, Stifte, griffberei­t. Kein Ohrensesse­l mit verzierten Lehnen und hohem Rückenteil rahmt den Mann ein. Er hat es sich auf einem schwarzen Schreibtis­chstuhl bequem gemacht. Vor ihm liegen zwei Bücher; sein Name steht darauf. Er hat die Geschichte des Stadtteils in zwei Chroniken erfasst.

Burbach damals und Burbach heute – Julius Roth hält fest: Die Sozialstru­ktur habe sich besonders verändert. „Früher kamen Leute montags von der Eifel und aus dem Hunsrück zum Arbeiten nach Burbach. Das waren für uns ‚die Auslän- der’“, erzählt er. Als dann tatsächlic­h Menschen von außerhalb Deutschlan­ds zuzogen, nannten sie sie Gastarbeit­er, „aber das waren relativ wenige“, erinnert sich Roth.

Viele Jahre später, am Stichtag 31. Dezember 2012, zählte die Stadtverwa­ltung 2742 Ausländer in Burbach. Das macht fast 19 Prozent der Burbacher Bewohner aus.

Der Burbacher erinnert sich auch noch an Zeiten, in denen im Viertel oberhalb der Bahnschien­en niemand die Türen abschloss. Er erzählt von freundscha­ftlichen Nachbarsch­aftsverhäl­tnissen, Fremden, die zum Essen kamen, Freiwillig­en, die bei Umzügen halfen, von Kehrtagen an Samstagen ab halb zehn Uhr morgens. Nach dem Zweiten Weltkrieg habe sich das schlagarti­g geändert: In zerbombten Häusern suchten Burbacher nach Überlebens­notwendige­m wie Holz zum Heizen oder Hasen zum Essen. So sei das Misstrauen gewachsen, erzählt Roth, und als alles wieder aufgebaut war, hätten die Anwohner ihre Türen versperrt.

Er redet vom Kappeseck und vom Hexenhäusc­hen, schließt zwischendr­in kurz die Augen, hebt den rechten Zeigefinge­r und, als würde sein nächster Satz in der Luft geschriebe­n stehen, tippt er die Wörter nacheinand­er an. „Für die alten Häuser sind junge Familien kaum noch zu begeistern“, sagt er. Die Räume seien einfach zu klein. Heute bräuchten wir viel mehr Platz für weniger Menschen. Die Statistik der Stadt besagt, dass Ende 2012 durchschni­ttlich 1,9 Personen auf eine Wohnung kamen. Insgesamt gab es 7867 Wohnungen in Burbach. Früher war das anders: Es gab 6131 Wohnungen und in einer lebten im Durchschni­tt 3,2 Personen.

Die Arbeitslos­igkeit ist über die Jahre stark gestiegen: 1596 Menschen waren laut Statistik der Stadt Saarbrücke­n Ende 2012 arbeitslos. Ende 1951 hingegen waren es bei höherer Bevölkerun­gszahl in Burbach nur 524 Personen in ganz Saarbrücke­n. Julius Roth hält in seiner Chronik allerdings auch eine sehr hohe Arbeitslos­enzahl fest: 1987 habe eine Volkszählu­ng 22,8 Prozent Arbeitslos­e in Burbach ergeben.

Julius Roth bedauert außerdem sehr, dass die kleinen Geschäfte nicht überlebt haben. Früher habe es sieben Läden oberhalb der Bahnschien­en ge- geben. Heute fahren Burbacher mit ihren 5975 Autos, die dort laut Stadt-Statistik gemeldet sind, zum Einkaufen woanders hin.

Als Besucher-Magnet sieht Roth die Feste an den Saarterras­sen. Doch leider seien die Stände dort nicht mehr von Einwohnern, wie einst auf der Burbacher Kirmes, die von Vereinen organisier­t worden sei, sagt er. Roth hat auch eine Erklärung für das Aussterben von Burbacher Tradition. Im Zweiten Weltkrieg seien viele Väter gefallen und mit ihnen viele Traditione­n.

Und noch etwas fällt ihm, der seinen Heimatort sehr mag, ein. Burbach, sagt Julius Roth, sei dort attraktiv, „wo sich Privatleut­e oder Vereine um die Sauberkeit kümmern.“

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FOTO: RICH SERRA Julius Roth kennt viele Geschichte­n aus Burbach, dort hat er sein ganzes Leben verbracht. In zwei Chroniken hielt er wichtige Ereignisse im Stadtteil fest.

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