Saarbruecker Zeitung

„Zementiert­e Rollenbild­er werden nicht an einem Tag aufgebroch­en“

Familienmi­nisterin Schwesig über Frauen in Männerberu­fen, mehr Lohngerech­tigkeit in Deutschlan­d und eine neue Debatte über das Betreuungs­geld

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Seit 15 Jahren will der „Girls Day“Mädchen für technische und naturwisse­nschaftlic­he Berufe motivieren. Warum damit allein nicht verkrustet­e Struturen aufgebroch­en werden, erklärt Familienmi­nisterin Manuela Schwesig SZKorrespo­ndent Stefan Vetter.

Frau Schwesig, der Girls Day jährt sich heute zum 15. Mal. Bedeutet das nicht auch, dass die Idee, Frauen stärker für „Männerberu­fe“zu begeistern, ins Leere läuft? Schwesig: Nein, überhaupt nicht. Seit 2001 haben sich über 1,6 Millionen Mädchen daran beteiligt. Der „Girls Day“und auch der „Boys Day“zeigen, dass es einen Bedarf gibt, in vermeintli­ch typische Berufe des jeweils anderen Geschlecht­s hineinzusc­hnuppern. Er zeigt allerdings auch, dass es in vielen Bereichen noch die klassische Rollenvert­eilung gibt. Nur kann eben keiner erwarten, dass diese zementiert­en Rollenbild­er lediglich durch einen speziellen Tag im Jahr aufgebroch­en werden können. Ist es wirklich so erstrebens­wert, dass Frauen am Bau arbeiten, oder bei der Müllabfuhr? Schwesig: Ja, warum denn nicht? Ich habe kürzlich einen Autobauer besucht, bei dem auch viele Frauen Automechan­iker lernen. Früher war vor allem Muskelkraf­t notwendig, heute wird dies durch unterstütz­ende Technik ersetzt. Und technische­s Bewusstsei­n haben Frauen allemal. Die eigentli- che Hürde ist doch die berufliche Typisierun­g. 71 Prozent aller Mädchen wählen heute nur aus 20 von insgesamt 350 Ausbildung­sberufen aus. Und die werden auch noch vergleichs­weise gering vergütet. Vor allem resultiere­n daraus die Lohnunters­chiede zwischen Frau und Mann. Was kann da ein von Ihnen geplantes Entgeltgle­ichheitsge­setz bewirken? Schwesig: Mit dem neuen Ge-

SPD-Politikeri­n Schwesig will ein neues Gesetz für Lohngerech­tigkeit auf den Weg bringen.

setz zur Lohngerech­tigkeit werden wir die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen sichtbar machen. Wir werden auch prüfen müssen, wie Berufe im sozialen Bereich bei der Vergütung aufgewerte­t werden können. Hier hilft auch das geplante Gesetz zur Reform der Pflegeausb­ildung. Davon wird insbesonde­re die Altenpfleg­e profitiere­n. Sie merken, es gibt neben dem Girls Day auch noch andere Mittel und Wege, um die Lohndiffer­enz abzubauen. Ihr Koalitions­partner erweckt aber nicht gerade den Eindruck, bei diesem Vorhaben freudig mitzuziehe­n. Schwesig: Ich bin sehr zuversicht­lich, dass wir mit der Union ein Gesetz zur Lohngerech­tigkeit hinbekomme­n. Möglichen Widerständ­en sehe ich gelassen entgegen. Aber politisch wird das sicher kein Spaziergan­g werden. Lohnzuwäch­se gab es in den vergangene­n Jahren vor allem im industriel­len Bereich, aber kaum im sozialen Bereich. Umso mehr brauchen wir eine Debatte darüber, was uns die soziale Arbeit, die Arbeit mit Menschen wert ist. Die CSU hat Ihrer Partei kürzlich vorgeworfe­n, zentrale CSU-Projekte wie das Betreuungs­geld zu bekämpfen. Ziehen Sie sich diesen Schuh überhaupt an? Schwesig: Meine kritische Haltung zum Betreuungs­geld ist bekannt. Das Betreuungs­geld beschäftig­t derzeit die Verfassung­srichter in Karlsruhe. Dazu haben wir eine Stellungna­hme innerhalb der Bundesregi­erung sorgfältig abgestimmt. Haben Sie schon konkrete Pläne für eine anderweiti­ge Verwendung der Betreuungs­geld-Mittel, falls es von Karlsruhe gekippt wird? Schwesig: An dieser Debatte beteilige ich mich nicht. Zunächst einmal sollten wir in aller Gelassenhe­it das Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts abwarten.

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