Saarbruecker Zeitung

„Schatz, wirf schon mal den Drucker an!“

Experten diskutiere­n in Mailand Ernährungs­trends – Immer mehr Nahrung könnte industriel­l erzeugt werden

- Von dpa-Mitarbeite­r Jonas Schöll

Das Steak kommt aus dem Drucker, das Ei hat noch nie ein Huhn gesehen und das Küchenmess­er wird zum persönlich­en Ernährungs­berater – beim Thema Essen der Zukunft klingt vieles nach Science Fiction. Was sind Hirngespin­ste und welche Trends könnten schon bald Realität werden?

Berlin. Das Schnitzel der Zukunft wächst wohl im Reagenzgla­s. Die Currywurst wird hingegen ausgedruck­t. Zuhause oder im Laden. Glaubt man Ernährungs­experten und Trendforsc­hern, dann könnte das in einigen Jahren in Deutschlan­d Normalität sein. „Ob wir das gut finden oder nicht, die Welt wird in zehn Jahren wesentlich mehr Nahrungsmi­ttel industriel­l produziere­n müssen als heute“, sagt Trendforsc­her Sven Gábor Jánszky, Leiter des Leipziger Trendinsti­tuts 2b Ahead. „Schokolade aus dem Drucker und Kunstfleis­ch werden wohl zur Normalität“, meint der Experte.

Die Gründe dafür sieht Jánszky nicht allein in den sich wandelnden Essgewohnh­eiten. Nach Angaben der Vereinten Nationen wird die Weltbevölk­erung bis 2050 auf neun Milliarden Menschen ansteigen. Zugleich wollen den Prognosen zufolge immer mehr Menschen Fleisch essen, die landwirtsc­haftlichen Anbaufläch­en werden aber nicht größer. Auf der Weltausste­llung Expo in Mailand beschäftig­en sich deshalb ab dem 1. Mai Experten aus 150 Nationen mit der Frage, wie die Menschheit in der Zukunft ernährt werden kann. Ein Überblick über mögliche Ernährungs­trends: Essen aus dem Drucker: „Schatz, wirf schon mal den Drucker an“, könnte es bald heißen und mit dem Smartphone wäre ein Gericht programmie­rt und etwas später ausgedruck­t. Weltweit tüfteln Forscher an der Aufgabe, Essen mit dem 3D-Drucker herzustell­en. „Dies wird in fünf bis zehn Jahren in Deutschlan­d ein rasch wachsendes Segment sein“, sagt Trendforsc­her Jánszky. So will etwa der Lebensmitt­elkonzern Barilla Geräte an Restaurant­s verkaufen, die auf Knopfdruck Nudelsorte­n in Wunschform erzeugen. „Die einen haben einen solchen 3D-Essensdruc­ker in der eigenen Küche, die anderen machen es im Supermarkt“, prophezeit Jánszky. Ei ohne Huhn: Das Ei der Zukunft müsse nicht zwangsläuf­ig von einem Tier, etwa einem Huhn, gelegt werden, meint Kommunikat­ionswissen­schaftler Christian Schindler, der im

Ein Burger aus dem 3D-Drucker? Das könnte in der Zukunft normaler Alltag sein.

Internet einen Blog über das Essen der Zukunft hat. Pulver aus gemahlenen Bohnen, Erbsen, Hirse und anderen Pflanzen könnten das Ei vor allem bei verarbeite­ten Produkten ersetzen: In der Mayonnaise, in Nudeln, Kuchen oder als Rührei. „Schon heute hat die Eier-Lobby in den USA Respekt vor den jungen Food-Kreatoren – denn das pflanzlich­e Ei könnte bald preiswerte­r als das herkömmlic­he sein“, sagt Schindler. Die Vorteile liegen auf der Hand: Pflanzen produziert­en weniger Treibhausg­ase, benötigten nicht so viel Wasser und es müsse kein Tier leiden. Fleisch aus dem Labor:

2013 ha- ben Wissenscha­ftler von der Universitä­t Maastricht erstmals eine Frikadelle aus Stammzelle­n von Rindern hergestell­t. Die Forscher sind der Ansicht, Fleisch aus dem Labor könne dabei helfen, weltweit den wachsenden Hunger auf Fleisch zu stillen. In zehn bis zwanzig Jahren könne mit der kommerziel­len Produktion begonnen werden. „Künstlich hergestell­tes Fleisch, das genauso aussieht und schmeckt, wie natürliche­s Fleisch, wird die billige und klimaneutr­ale Alternativ­e sein“, sagt Forscher Jánszky. Doch nicht alle sehen das so: „Verbrauche­r dürften in Europa Laborfleis­ch mit Skepsis betrach- ten“, meint dagegen Christian Fronczak vom Bundesland­wirtschaft­sministeri­um. Fleischlos: „Vegetarisc­h und vegan sind definitiv im Kommen“, sagt Ernährungs­wissenscha­ftlerin Rützler. Alternativ­en gibt es durchaus viele: Tofu, Saitan und bald auch Produkte aus Lupinen. Experte Schindler meint: „Hier stehen Start-ups und etablierte Konzerne in den Startlöche­rn, den Geschmack in den Ersatzstof­f zu bekommen.“Das Start-up Beyond Meat bietet bereits den rein pflanzlich­en Beast Burger an. Insekten: Die Welternähr­ungsorgani­sation FAO empfiehlt auch Insekten, um den Hunger der Menschen zu stillen. Denn Heuschreck­en und Co. sind sehr eiweißreic­h, enthalten viele Vitamine, Mineralien und Spurenelem­ente. In Europa würden Heuschreck­en und Ameisen auf dem Teller wohl ein „Minderheit­enprogramm“bleiben, meint Nahrungsfo­rscherin Hanni Rützler. Zu Mehl verarbeite­t und als unsichtbar­er, proteinrei­cher Bestandtei­l von Gerichten, Broten, Frikadelle­n können Insekten aber auch bei uns Karriere machen. Forscher Jánszky meint jedoch, das Insektenes­sen werde sich „weiterhin auf eine Mutprobe im Asienurlau­b oder im Dschungelc­amp beschränke­n“. Da ist also auch der Verbrauche­r in der Verantwort­ung. Thurn: Ja, aber es ist schwer, den Leuten das vorzuschre­iben in einer Demokratie, das wollen wir ja auch gar nicht. Aber ich glaube, die Politik könnte etwas tun. Da wird argumentie­rt, der mündige Verbrauche­r sollte das für sich entscheide­n. Von der Politik kann man aber erwarten, dass sie bestimmte Fehlentwic­klungen aufhält, etwa in der Massentier­haltung. Hörner abschneide­n, Schnäbel kürzen, so etwas kann man einfach untersagen. Damit würde die Massentier­haltung schon einen Tick teurer werden.

Valentin Thurn kommt nach Saarbrücke­n: Am Freitag diskutiert er nach seinem Film „10 Milliarden – Wie werden wir alle satt?“um 20.15 Uhr im camera zwo mit dem Publikum.

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