Die Terrorangst kehrt nach Frankreich zurück
Polizei verhaftet 24-jährigen Studenten, der zwei Kirchen im Großraum Paris angreifen wollte – Verdächtiger war bereits früher in Haft
Drei Monate nach der islamistischen Anschlagserie hat die französische Polizei eher zufällig Angriffe auf Kirchen im Großraum Paris vereitelt. Ein 24-Jähriger, der festgenommen wurde, stand bereits unter Polizeibeobachtung.
Paris. Gestern trat der französische Innenminister Bernard Cazeneuve gegen 9.30 Uhr mit ernster Miene vor die Mikrofone. Der bedächtige Mann, der bereits nach der islamistischen Anschlagserie im Januar im Mittelpunkt stand, brachte den Franzosen wieder schlechte Nachrichten. Denn die Polizei hatte am Sonntag einen Studenten festgenommen, der bewaffnete Angriffe auf ein oder zwei Kirchen im Großraum Paris geplant hatte. Diese Anschläge wurden mit der Festnahme zwar vereitelt, doch Regierungschef Manuel Valls warnte: „Unser Land steht vor einer noch nie da gewesenen terroristischen Bedrohung.“Wie gefährlich der Verdächtige war, zeigt das Arsenal an Waffen, das die Polizei in seinem Auto entdeckte: Kalaschnikows, Handfeuerwaffen, schusssichere Westen und Munition. In der Wohnung des gebürtigen Algeriers stieß die Polizei dann auf Dokumente, aus denen „unmissverständlich“die Anschlagspläne hervorgingen, wie Cazeneuve sagte.
Nachdem in den vergangenen Jahren vor allem jüdische Einrichtungen Ziele von Terrorangriffen waren, sind bewaffnete Angriffe gegen Kirchen neu für Frankreich. „Wir kommen zu ei-
Innenminister Bernard Cazeneuve informierte gestern die Medien über die Verhaftung.
nem Punkt, wo sich die Christen vielleicht ebenso viele Sorgen machen müssen wie die Juden“, sagte der Terrorexperte François-Bernard Huyghue, für den eine „psychologische Grenze“überschritten ist.
Die Polizei war eher zufällig auf die Spur des Studenten gekommen. Der 24-Jährige hatte nämlich am Morgen den Notarzt selbst wegen einer schweren Verletzung am Bein gerufen. Als die Sanitäter die Polizei holten, folgten die Beamten einer Blutspur bis zum Waffenversteck im Auto des Mannes. Da dort mehrere Waffen lagerten, könnte der Franko-Algerier auch noch Komplizen haben.
Der Verdächtige soll sich die Verletzung am Sonntag beim tödlichen Überfall auf eine Fitnesslehrerin zugezogen haben. Die 32-Jährige war in Villejuif bei Paris mit drei Schüssen getötet worden; ihr Auto wurde danach angezündet. In dem Fahrzeug der Mutter einer fünfjährigen Tochter fand die Polizei die DNA des Verdächtigen. Möglicherweise habe er seinem Opfer das Auto stehlen wollen, berichtete die Zeitung „Le Monde“.
Der Mann, der sich die beiden großen Kirchen in Villejuif als Ziele ausgesucht haben soll, stand bereits unter Beobachtung der Polizei. Er hatte wegen Plänen, als Dschihadist nach Syrien zu reisen, die Einstufung „S“für diejenigen, die der Staatssicherheit gefährlich werden könnten. Nach einer einwöchigen Reise in die Türkei soll der Algerier bereits in Polizeigewahrsam gewesen sein, schrieb „Le Monde“. Für eine Festnahme habe die Polizei nichts in der Hand gehabt, verteidigte Regierungssprecher Stéphane Le Foll das Verhalten der Behörden. Die neuen Anschlagspläne kommen zu einem Zeitpunkt, wo die französische Nationalversammlung ein neues Geheimdienstgesetz debattiert. Der umstrittene Text gibt den Sicherheitsbehörden umfassende Befugnisse bei der Überwachung von Terrorverdächtigen. Auch Wanzen in Wohnungen und das Mithören von Handy- Gespräche über sogenannte IMSI-Catcher sollen erlaubt werden. Die Entscheidung, ob und wo spioniert wird, liegt beim Regierungschef, ohne dass ein richterlicher Beschluss nötig ist.