Bundeswehr bekommt neue Waffe
Von der Leyen erklärt Ende von G36 – De Maizière wusste von Problemen
Seit Jahren ist die Treffsicherheit des Sturmgewehrs G36 umstritten. Jetzt hat Verteidigungsministerin von der Leyen das Gewehr für untauglich erklärt. Die Verantwortung landet bei Vorgänger de Maizière.
Berlin. Von ganz oben betrachtet, also aus der Perspektive von Angela Merkel, ist die Angelegenheit höchst unschön. Nur zwei mögliche KanzlerinNachfolger gibt es in der CDU, und beide schwimmen gerade wie zwei Plastik-Entchen im Strudel von Rüstungsskandalen mit zunehmender Geschwindigkeit dem Abfluss entgegen. Aktuell ist Innenminister Thomas de Maizière (61) diesem Punkt näher. Denn seine Konkurrentin und Amtsnachfolgerin im Verteidigungsministerium, Ursula von der Leyen (56), sorgt – gewollt oder nicht – dafür, dass die Verantwortung für das schlecht schießende Sturmgewehr G 36 vor allem bei ihm landet.
In der Befragung durch den Verteidigungsausschuss versuchte von der Leyen gestern zu belegen, dass sie auf alle Hinweise seit ihrem Amtsantritt Ende 2013 stets reagiert habe – bis hin zur Entscheidung im Juni 2014, ein Gutachten in Auftrag zu geben. Das kam letzte Woche und bescherte der Flinte das endgültige Aus. Fehlschüsse von 50 Prozent und mehr in erhitztem Zustand wurden festgestellt. „Das G36 hat in der Bundeswehr keine Zukunft“, verkündete die Ministerin nach der Sitzung. 180 000 neue Schießeisen müssen nun angeschafft werden. Direkt lässt von der Leyen natürlich auf Vorgänger de Mai- zière nichts kommen. Der habe ebenso wie sie Hinweise auf die Probleme erhalten und Untersuchungen gefordert. Der feine Unterschied: Nur sie hat dem Problem ein Ende bereitet, so die Botschaft.
Zwar versuchte die Opposition gestern, auch von der Leyen Verfehlungen nachzuweisen. So habe sie trotz der Warnungen noch Ende 2013 etwa 3000 neue Exemplare bestellen lassen, kritisierte Jan van Aken (Linke). Doch der Hauptteil der Vorwürfe richtet sich auf die Amtszeit de Maizières. Wie zufällig wurde kurz vor der Ausschusssitzung ein interner Vermerk des Verteidigungsministeriums aus dem März 2012 öffentlich. Ein Ministerialrat warnte darin vor erheblichen Mängeln mit „Einsatzrelevanz“. Das G36 könne Gegner schon in 200 Metern Entfernung „nicht mehr sicher bekämpfen“. Der Vermerk trug die Paraphe de Maizières und seiner Staatsekretäre Beemelmans und Wolf. Beide hatte von der Leyen gleich am Anfang ihre Amtszeit entlassen. Schon das war eine deutliche Ansage: Ich bin’s nicht, mein Vorgänger ist’s gewesen.
Für den Innenminister war die Woche ohnehin nicht so glücklich. Die Ereignisse im Mittelmeer haben die Öffentlichkeit daran erinnert, dass er noch bis vor kurzem die Seenotrettungsaktion „Mare Nostrum“als „Beihilfe zur Schlepperei“abgelehnt hatte. Jetzt korrigierte er rasch seine Posi- tion. De Maiziere gilt vielen als „lebende Büroklammer“. Er argumentiert oft sehr kühl.
Von der Leyen agiert da geschmeidiger. Die Aufarbeitung der Rüstungsskandale überlässt sie Dritten. Die müssen auf Vorgänger keine Rücksicht nehmen. Allein zwei Kommissionen hat sie für den G36Skandal eingesetzt. Wirtschaftsprüfer untersuchten die anderen Beschaffungsprobleme, darunter de Maizières über 500 Millionen Euro teures Drohnen-Desaster. Dennoch: Innerparteiliche Freunde hat von der Leyen nicht allzu viele; im Dezember erhielt sie bei der Wahl als stellvertretende Parteivorsitzende mit 70 Prozent die wenigsten Stimmen von allen Kandidaten.