KZ-Aufseher will nur ausgeholfen haben
Lüneburg. Am zweiten Tag des Prozesses gegen den früheren SSMann Oskar Gröning hat der Angeklagte bestritten, regelmäßig Dienst an der Lager-Rampe in Auschwitz-Birkenau gehabt zu haben. Gröning betonte, er habe in dem Vernichtungslager insgesamt nur dreimal Dienst an der Bahnrampe gehabt. Von der Selektion der Menschen, die vielfach direkt von der Rampe in Gaskammern getrieben und ermordet wurden, habe er sich ferngehalten. Am ersten Prozesstag hatte Gröning eine moralische Schuld eingeräumt, die strafrechtliche Bewertung aber dem Gericht überlassen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem heute 93jährigen Mann aus der Lüneburger Heide vor, im Frühjahr 1944 in Auschwitz Beihilfe zum Mord in 300 000 Fällen geleistet zu haben. Nach seiner Beförderung zum SS-Unterscharführer 1944 habe die Bewachung des Gepäcks an der Rampe nicht mehr zu seinen regulären Aufgaben gehört, sagte Gröning. Er habe nur wenige Male Kollegen vertreten. epd
Ob Oskar Gröning tatsächlich noch ins Gefängnis muss, ist angesichts seines hohen Alters zweitrangig. Viel wichtiger ist es, dass ihm – wenn auch sehr spät – überhaupt noch der Prozess gemacht wird. Das führt der Öffentlichkeit noch einmal klar vor Augen, zu welchen Verbrechen Nationalsozialisten fähig waren. Auch die Helfer und Helfershelfer wie Gröning müssen vor Gericht konsequent zur Verantwortung gezogen werden.
Der Prozess sollte alle daran erinnern, in welche Katastrophe rechtsradikale Ideologie führen kann – damals wie heute. Unfassbar, dass nach dem Holocaust Deutsche wieder Jagd auf Ausländer machen und in Deutschland Asylbewerberheime brennen. Dagegen müssen wir uns als Einzelne wie als Kollektiv erbittert wehren.