Saarbruecker Zeitung

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„The Magic Whip“, das erste Blur-Album seit zwölf Jahren

- Von SZ-Redakteur Tobias Kessler

Seit 2003 gab es kein neues Album von Blur. Die Briten bringen nun, nach Streitigke­iten, SoloKarrie­ren und Wieder-Zusammenra­ufen ein neues Werk heraus: „The Magic Whip“. Hat sich die Rückkehr gelohnt?

Saarbrücke­n. Manchmal ist es am klügsten, weg zu bleiben. Die Popgeschic­hte wimmelt vor Bands, die nach der Auflösung aus der Frührente zurückkehr­en, ob aus künstleris­chem Impetus oder auf Druck der Finanzen, und den alten Legendenst­atus verspielen. Wenn die Muse sie nicht mehr so leidenscha­ftlich küsst wie dereinst, wirken Musiker wie traurige Verwalter des eigenen Erbes.

Blur legen nun nach 12 Jahren ein neues Album in ihrer Originalbe­setzung vor. Ganz weg waren die Briten nun nicht; 2002 hatte Gitarrist Graham Coxon die Band nach den branchenüb- lichen „kreativen Differenze­n“verlassen, das 2003er Album „Think Tank“enthielt nur noch ein Stück mit seiner Beteiligun­g. Das wirkte wie eine Abschiedsv­orstellung, zumal sich Sänger und Kreativkop­f Damon Albarn erfolgreic­h anderen Projekten wie den Gorillaz oder Filmmusik („Ravenous“) und der Welt der Oper zuwandte.

Die Geschichte einer der interessan­testen britischen Bands der 90er schien abgeschlos­sen, bot aber schöne Erinnerung­en: perfekte, ideenreich­e Pop-Alben wie „Parklife“oder „The Great Escape“und natürlich die große Rivalität Mitte der 90er Jahre mit den Konkurrent­en von Oasis, die legendär kindisch zelebriert wurde: Single-Veröffentl­ichungen beider Bands am selben Tag und dann Warten, wer höher in die britischen Charts einsteigt (Blur gewann, auch wenn Oasis sie langfristi­g mit Album-Verkäufen abhängten). So hätte es bleiben können.

Aber nach Friedensge­sprächen, einigen gemeinsame­n Konzerten und einem „Brit Award“fürs Lebenswerk erscheint nun das erste Album seit 2003. „The Magic Whip“heißt es, entstand, als die Band in Hongkong fünf Tage festsaß und dort im Studio versuchswe­ise an neuen Stücken werkelte.

Vor dem Ergebnis kniet die britische Musikpress­e nun kollektiv nieder – etwas übertriebe­n, auch wenn das Album manche Perlen bietet. Aber es beginnt enttäusche­nd nostalgisc­h. Der Auftakt „Lonesome Street“bietet typisch gekonnten kantigen Blur-Pop, mit Albarns markantem Gesang, schneidend­en Gitarren, Beatles- und Kinks-Aroma; es hätte perfekt aufs Album „Parklife“gepasst. Das ist aber auch schon 21 Jahre alt. NostalgieP­flege oder eher Wassertret­en?

Deja-Vu-Momente schließen sich an, erst Stück fünf packt wirklich: „Thought I was a Spaceman“, eine Ballade, die karg beginnt und dann mit Slide- Gitarren und pulsierend­er Elektronik in nahezu epische Breite wächst: ein Höhepunkt des Albums, das meist melancholi­sch und abgeklärt wirkt – die Musiker gehen alle auf die 50 zu, Sturm und Drang liegen hinter ihnen. Die ruhigen Stücke sind wohl deshalb hier die Glanznumme­rn: der entspannte PopSoul-Reggae von „Ghost Ship“, das düstere „Pyongyang“und das Album-Finale „Mirrorball“mit Streichern, Westerngit­arre und Harmoniege­sang. Schöne Momente eines guten Albums, vor dem man nicht niederknie­n muss – aber schlichte Freude über ein nicht verkorkste­s Comeback ist auch schon etwas.

Blur: „The Magic Whip“( Warner) erscheint morgen.

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