Berliner Theaterstreit: Wird die Volksbühne zur „Eventbude“?
Ensembletheater oder „Eventbude“? Der geplante Wachwechsel an der Berliner Volksbühne hat einen beispiellosen Streit zwischen Kultur und Politik ausgelöst.
Berlin. Im Streit um die Zukunft der Berliner Theaterlandschaft gerät der Regierende Bürgermeister und Kultursenator Michael Müller zunehmend unter Druck. Nach mehreren führenden Theatermachern warnte gestern auch der Berliner Staatsopern-Intendant Jürgen Flimm vor den Plänen Müllers und seines Staatssekretärs Tim Renner ( beide SPD), die traditionsreiche Volksbühne in eine Art Festivalhaus umzuwandeln. „Die Berliner Kulturverwaltung sollte gut beraten sein, sich zu besinnen“, schrieb Flimm im „Tagesspiegel“. „Es steht doch einiges auf dem Spiel – das kulturelle Renommee unserer Stadt, also Obacht.“Varietés gebe es bereits genug.
Wie Theaterkreise bestätigten, planen die Kulturverantwortlichen nicht nur, wie schon lange vermutet, den Londoner Museumsdirektor Chris Dercon (Tate Modern) zum Nachfolger von Volksbühnen-Intendant Frank Castorf (63) zu berufen. Zur Führung sollen auch Theaterexperten gehören. Im Gespräch ist zudem, Teile des früheren Flughafens Tempelhof mit zu bespielen. Dafür soll der Etat des Theaters um fünf auf 22 Millionen Euro jährlich erhöht werden.
Müller, der neben seinem Regierungsamt auch die Verantwortung für das Kulturressort hat, äußerte sich unterdessen erstmals selbst zu dem seit Wochen laufenden Streit – allerdings nicht in der Sache. In der Zeitung „Die Welt“warf er gestern seinerseits dem Chef des Berliner Ensembles, Claus Peymann, ein „überraschend elitäres Kulturverständnis“vor. Peymann hatte den Streit mit einem offenen Brief an Müller ausgelöst und behauptet, der „Regierende“sei erst vor wenigen Wochen erstmals in der Oper gewesen.
Vor wenigen Tagen hatten auch drei führende Theaterintendanten in einem offenen Brief an Renner vor der „Zerstörung“der Volksbühne gewarnt. „Berlin braucht keinen Aufbruch in die Zukunft, der mit der Abrissbirne daherkommt“, schreiben Joachim Lux (Thalia Hamburg), Ulrich Khuon (Deutsches Theater Berlin) und Martin Kusej (Residenztheater München). dpa