Die Generation „Silber-Surfer“erobert das Netz
Öffentlich gefördertes Projekt bringt Senioren das Internet näher
Um Menschen im Rentenalter mit dem Internet vertraut zu machen, haben Institutionen aus Rheinland-Pfalz und BadenWürttemberg 2014 das OnlinePortal „Silver Tipps“gestartet. Die übersichtliche Struktur scheint gut anzukommen.
Mainz. Chatten, online einkaufen und sich auf dem Laufenden halten – was für jüngere Generationen einer Selbstverständlichkeit gleichkommt, ist für viele Senioren digitales Neuland. Sie sind mit Zeitungen, Radio und Fernsehen aufgewachsen. Mit Massenmedien, die nur in Richtung Empfänger funktionieren. „Dieses Prinzip umzudrehen und selbst zum Produzenten zu werden, ist für viele ungewohnt“, sagt Florian Preßmar, Medienpädagoge bei der Landeszentrale für Medien und Kommunikation ( LMK) Rheinland-Pfalz. Um die Generation der „Silber-Surfer“behutsam an die vielfältigen Möglichkeiten des Internets heranzuführen, haben die Initiative Medienintelligenz der Johannes- Gutenberg-Universität Mainz und die Stiftung Medienkompetenzforum Südwest das Internetportal „SilverTipps“ins Leben gerufen. Auf der umfangreichen Internetseite finden sich leicht verständliche Texte und Videos. Von übergeordneten Stichworten wie Verbaucherschutz, Internetsicherheit oder Unterhaltung gelangen die Besucher zu den einzelnen Themen. Mal erscheint ein Video, in dem Funktinen des Smartphones mit einem Augenzwinkern kritisch hinterfragt werden, mal gibt es Tipps, wie die eigenen Bankgeschäfte sicher online erledigt werden. Zum Angebot gehört auch ein Wörterbuch, das Aufschluss über Internet-Fachbegriffe gibt.
„Silver-Tipps“wird von der Stiftung Medienkompetenzforum Südwest finanziert. Daher kommt das Portal ohne Werbung aus. Die Gestaltung ist schlicht und übersichtlich. Man wolle „die Nutzer dort abholen, wo sie sind“, sagt Martina Stöppel, Geschäftsführerin der Initiative Medienintelligenz.
Laut Stöppel haben seit September 2014 etwa 27 000 Menschen „Silver-Tipps“besucht, die Mehrheit aus BadenWürttemberg und RheinlandPfalz. Etwas mehr als vier Minuten verweilten sie durchschnittlich auf der Seite, auch das habe man ermittelt. „Die Rückmeldungen sind durchweg positiv“, sagt Stöppel erfreut. An Themen für die kommenden Monate mangelt es den Machern von „Silver-Tipps“nicht: Im Juni wird es um „Viren, Würmer und Trojaner“gehen, im Juli soll der Schwerpunkt „Mitmachen im Netz“heißen Im August und September werden Möglichkeiten der digitalen Fotobearbeitung behandelt.
Wenngleich die heutigen Senioren einen Großteil ihres Lebens ohne Internet verbracht haben, unterscheiden sich die Netz-Erfahrungen der Generationen über 60 doch enorm. Laut einer Erhebung des Interessenverbands „Initiative D21“nutzten 2014 zwei von drei Befragten zwischen 60 und 70 Jahren das Internet, dagegen traf das nur auf rund 30 Prozent der Befragten über 70 Jahren zu. Über den einzelnen Nutzer sagt die Statistik freilich wenig aus: „Es gibt 75-Jährige, die im Internet sehr aktiv sind, ein Smartphone haben, mit den Enkeln per Skype telefonieren, aber auch 60-Jährige, die kaum Erfahrungen haben“, erklärt Medienpädagoge Preßmar, der neben anderen Wissenschaftlern als Autor für „Silver-Tipps“schreibt.
Daneben hat er ein Parallelprojekt mit entwickelt: Unter dem Titel „Silver-Surfer – Sicher online im Alter“werden Senioren in einer Seminarreihe an das Internet herangeführt. Mit Kursen, etwa an Volkshochschulen, Fachtagungen und Workshops seien bisher rund 3000 Personen in RheinlandPfalz erreicht worden, so Preßmar.
Zurzeit schreibt Florian Preßmar an seiner Dissertation unter dem Titel „Bildungsangebote zur Steigerung der Computer- und Medienkompetenz von Seniorinnen und Senioren“. Über ein Jahr hinweg hat er „Silver-Surfer“-Kurse begleitet und rund 400 Teilnehmer befragt. „Entscheidend ist, ob man es an die eigene Lebenswelt andocken kann“, fasst der Medienpädagoge seine vorläufigen Ergebnisse zusammen: Während der Besuch eines Videoportals wie Youtube für viele „eine Reise in ein unbekanntes Land“sei und soziale Netzwerke wie Facebook eher zögerlich genutzt würden, sei die E-Mail für Senioren „die Anwendung schlechthin“.
„Viele Senioren sind überhaupt nicht kulturpessimistisch, sondern häufig sind ihnen die Angebote und Nutzungsformen einfach unbekannt“, ist sich der Wissenschaftler sicher. Dies zeige auch die Datenbasis seiner Doktorarbeit: „Die meisten sehen mehr Chancen als Risiken, etwa Informationsvielfalt, Erleichterungen oder Vernetzung. Ich finde, das ist ein sehr schönes Ergebnis.“
silver- tipps. de