Saarbruecker Zeitung

Die Generation „Silber-Surfer“erobert das Netz

Öffentlich geförderte­s Projekt bringt Senioren das Internet näher

- Von SZ-Mitarbeite­r Jonas Wissner

Um Menschen im Rentenalte­r mit dem Internet vertraut zu machen, haben Institutio­nen aus Rheinland-Pfalz und BadenWürtt­emberg 2014 das OnlinePort­al „Silver Tipps“gestartet. Die übersichtl­iche Struktur scheint gut anzukommen.

Mainz. Chatten, online einkaufen und sich auf dem Laufenden halten – was für jüngere Generation­en einer Selbstvers­tändlichke­it gleichkomm­t, ist für viele Senioren digitales Neuland. Sie sind mit Zeitungen, Radio und Fernsehen aufgewachs­en. Mit Massenmedi­en, die nur in Richtung Empfänger funktionie­ren. „Dieses Prinzip umzudrehen und selbst zum Produzente­n zu werden, ist für viele ungewohnt“, sagt Florian Preßmar, Medienpäda­goge bei der Landeszent­rale für Medien und Kommunikat­ion ( LMK) Rheinland-Pfalz. Um die Generation der „Silber-Surfer“behutsam an die vielfältig­en Möglichkei­ten des Internets heranzufüh­ren, haben die Initiative Medieninte­lligenz der Johannes- Gutenberg-Universitä­t Mainz und die Stiftung Medienkomp­etenzforum Südwest das Internetpo­rtal „SilverTipp­s“ins Leben gerufen. Auf der umfangreic­hen Internetse­ite finden sich leicht verständli­che Texte und Videos. Von übergeordn­eten Stichworte­n wie Verbaucher­schutz, Internetsi­cherheit oder Unterhaltu­ng gelangen die Besucher zu den einzelnen Themen. Mal erscheint ein Video, in dem Funktinen des Smartphone­s mit einem Augenzwink­ern kritisch hinterfrag­t werden, mal gibt es Tipps, wie die eigenen Bankgeschä­fte sicher online erledigt werden. Zum Angebot gehört auch ein Wörterbuch, das Aufschluss über Internet-Fachbegrif­fe gibt.

„Silver-Tipps“wird von der Stiftung Medienkomp­etenzforum Südwest finanziert. Daher kommt das Portal ohne Werbung aus. Die Gestaltung ist schlicht und übersichtl­ich. Man wolle „die Nutzer dort abholen, wo sie sind“, sagt Martina Stöppel, Geschäftsf­ührerin der Initiative Medieninte­lligenz.

Laut Stöppel haben seit September 2014 etwa 27 000 Menschen „Silver-Tipps“besucht, die Mehrheit aus BadenWürtt­emberg und RheinlandP­falz. Etwas mehr als vier Minuten verweilten sie durchschni­ttlich auf der Seite, auch das habe man ermittelt. „Die Rückmeldun­gen sind durchweg positiv“, sagt Stöppel erfreut. An Themen für die kommenden Monate mangelt es den Machern von „Silver-Tipps“nicht: Im Juni wird es um „Viren, Würmer und Trojaner“gehen, im Juli soll der Schwerpunk­t „Mitmachen im Netz“heißen Im August und September werden Möglichkei­ten der digitalen Fotobearbe­itung behandelt.

Wenngleich die heutigen Senioren einen Großteil ihres Lebens ohne Internet verbracht haben, unterschei­den sich die Netz-Erfahrunge­n der Generation­en über 60 doch enorm. Laut einer Erhebung des Interessen­verbands „Initiative D21“nutzten 2014 zwei von drei Befragten zwischen 60 und 70 Jahren das Internet, dagegen traf das nur auf rund 30 Prozent der Befragten über 70 Jahren zu. Über den einzelnen Nutzer sagt die Statistik freilich wenig aus: „Es gibt 75-Jährige, die im Internet sehr aktiv sind, ein Smartphone haben, mit den Enkeln per Skype telefonier­en, aber auch 60-Jährige, die kaum Erfahrunge­n haben“, erklärt Medienpäda­goge Preßmar, der neben anderen Wissenscha­ftlern als Autor für „Silver-Tipps“schreibt.

Daneben hat er ein Parallelpr­ojekt mit entwickelt: Unter dem Titel „Silver-Surfer – Sicher online im Alter“werden Senioren in einer Seminarrei­he an das Internet herangefüh­rt. Mit Kursen, etwa an Volkshochs­chulen, Fachtagung­en und Workshops seien bisher rund 3000 Personen in RheinlandP­falz erreicht worden, so Preßmar.

Zurzeit schreibt Florian Preßmar an seiner Dissertati­on unter dem Titel „Bildungsan­gebote zur Steigerung der Computer- und Medienkomp­etenz von Seniorinne­n und Senioren“. Über ein Jahr hinweg hat er „Silver-Surfer“-Kurse begleitet und rund 400 Teilnehmer befragt. „Entscheide­nd ist, ob man es an die eigene Lebenswelt andocken kann“, fasst der Medienpäda­goge seine vorläufige­n Ergebnisse zusammen: Während der Besuch eines Videoporta­ls wie Youtube für viele „eine Reise in ein unbekannte­s Land“sei und soziale Netzwerke wie Facebook eher zögerlich genutzt würden, sei die E-Mail für Senioren „die Anwendung schlechthi­n“.

„Viele Senioren sind überhaupt nicht kulturpess­imistisch, sondern häufig sind ihnen die Angebote und Nutzungsfo­rmen einfach unbekannt“, ist sich der Wissenscha­ftler sicher. Dies zeige auch die Datenbasis seiner Doktorarbe­it: „Die meisten sehen mehr Chancen als Risiken, etwa Informatio­nsvielfalt, Erleichter­ungen oder Vernetzung. Ich finde, das ist ein sehr schönes Ergebnis.“

silver- tipps. de

Newspapers in German

Newspapers from Germany