Saarbruecker Zeitung

Wenn das Pendel zurückschl­ägt

Neu im Kino: „Härte“von Rosa von Praunheim – Die Lebensgesc­hichte des Kampfsport­lers Andreas Marquardt

- Von Uwe Mies

ter mit Sixtiesfri­sur und Kettenrauc­herinnen-Stimme, die aus der Perspektiv­e des kindlichen Andy Aufklärung in einer Weise betreibt, die Geheimnis bleiben muss. Ihr Zuviel an Liebe geht dem Vater komplett ab; er bricht dem Knaben die Hand. Vollziehen sich Kindheit und Pubertät in geradezu ödipalen Dimensione­n, so schlägt das Pendel mit fortschrei­tender Reife umso aggressive­r zurück. Der echte Andy erfüllt dabei zunehmend die Funktion eines griechisch­en Chors, der das Geschehen – hier allerdings autobiogra­fisch – deutet und einordnet.

Ästhetisch schwebt die filmische Mischform über das Leben Marquardts zwischen Fernsehspi­el der 60er und Avantgarde der frühen 80er Jahre. Weiches Schwarzwei­ß, beinah kontrastfr­ei, spartanisc­h in der Ausstattun­g, dafür umso expressive­r in der darsteller­ischen Herausford­erung. Andy pflegt eine binäre Weltsicht („Wenn sie den normalen Hanno Kofler spielt den jungen Andy. Andreas nicht mehr wollen, dann kriegen sie eben die Peitsche“), den Frauenhass lebt er als Zuhälter aus und anfangs auch in seiner Beziehung zu Marion, die die Liebe seines Lebens wird. Das Melancholi­sche in Buch und Inszenieru­ng wird kontrastie­rt mit authentisc­her Sozialhärt­e, die Summe aus beidem ist indifferen­t. Praunheims Inszenieru­ng ist geprägt von Umgelter, Tremper, Graf, die Qualität der Akteure, die ungeschmin­kte Konfrontat­ion mit den realen Andreas und Marion – Praunheim hat ein Auge für Themen und Wirkung. Großes Publikum aber wird er nie erreichen. Er bedient die Nische. Das sieht man seinen Filmen auch an. (Deutschlan­d 2015, 89 Min., Filmhaus Sb; Regie: Rosa von Praunheim)

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Foto: missing films

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