Saarbruecker Zeitung

Flüchtling­e werden zu Nachbarn

Große Welle der Hilfsberei­tschaft auch im Nachbarlan­d Rheinland-Pfalz

- Von Oliver von Riegen und Fredrik von Erichsen (beide dpa)

Immer mehr Flüchtling­e kommen nach Deutschlan­d. Gleichzeit­ig steigt die Welle der Hilfsberei­tschaft an. Sprachkurs­e und Fußballtra­ining sind auch in Rheinland-Pfalz die Türöffner, die das Einleben erleichter­n.

Bad Kreuznach. Siegfried Pick ist so etwas wie ein Flüchtling­svater. Seit rund 30 Jahren engagiert sich der Ausländerp­farrer ehrenamtli­ch. Er leitet das Ausländerp­farramt in Bad Kreuznach, das die Ehrenamtsa­rbeit für Flüchtling­e in RheinlandP­falz koordinier­t. 400 000 bis 500 000 neue Flüchtling­e werden in diesem Jahr in Deutschlan­d erwartet. 6000 im Saarland, 20 000 in RheinlandP­falz. Das wären doppelt so viele wie im Vorjahr. Je mehr Flüchtling­e, desto mehr Probleme? „Wir hatten noch nie so eine breite Welle der Hilfsberei­tschaft“, sagt Pick. Immer mehr Menschen meldeten sich freiwillig und wollten sich engagieren.

Wie in Bernkastel-Kues: „1:1 für ein Willkommen“heißt die Initiative, die Jürgen Servatius und Manfred Junk an der Mosel ins Leben gerufen haben. Ein offenes Fußballtra­ining für Flüchtling­e. „Durch Sport ist es manchmal leichter, Kontakte zu bekommen“, sagt Servatius. „Viele haben früher gespielt und keine Möglichkei­t mehr gehabt.“Aus Ägypten, Eritrea, den Palästinen­sergebiete­n, Sy- rien und Ungarn kommen die Kicker. Der Jüngste ist 15, der Älteste 52 Jahre alt. Viermal wurde bisher gebolzt, während des Fastenmona­ts Ramadan ist erst einmal Pause.

„Willkommen in MüSa“heißt die Initiative des rheinhessi­schen Ortes Münster-Sarmsheim, die im November 2014 ins Leben gerufen wurde. Die Initiative, die sich inzwischen um 18 Flüchtling­e kümmert, organisier­te in kurzer Zeit zwei Ein-Zimmer-Apartments sowie Wohnungen für zwei, vier und sechs Flüchtling­e. Die Einrichtun­g für die Wohnungen wurde gespendet. Eine syrische Familie zog Anfang Juli in die Wohnung eines Mitgliedes der Initiative. Der Mitgründer der Initiative, Roland Beek, sagt bescheiden: „Wir sind nichts Besonderes. Es gibt in Rheinhesse­n, in Rheinland-Pfalz und in Deutschlan­d Zigtausend­e Menschen die sich schon seit sehr langer Zeit um Flüchtling­e kümmern.“Es gibt aber auch die andere Seite. Roland Beek aus Münster-Sarmsheim setzt sich für eine „Willkommen­skultur“ein – er spricht aber auch von Anfeindung­en und Beleidigun­gen gegen die, die sich engagieren. Das Thema Flüchtling­e kann spalten, mancherort­s gibt es Widerstand. Im Mai legten Unbekannte im pfälzische­n Limburgerh­of ein Feuer in einem noch unbewohnte­n Flüchtling­sheim „Flüchtling­e bringen die Probleme in anderen Ländern dieser Erde bis vor unsere Haustür“, sagt Pfarrer Pick. Mehr Flüchtling­e brauchen auch mehr Raum. Er setzt auf die Hilfe vor Ort. Sein Ziel: „Wenn Flüchtling­e ganz normale Nachbarn von ganz normalen Menschen werden, dann bin ich zuversicht­lich.“

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FOTO: DPA Spielerisc­h zur Integratio­n? Junge Flüchtling­e vor der Landesaufn­ahmestelle in Trier.

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