„Die Kosten haben sich enorm erhöht“
Saar-Festival-Organisator Thilo Ziegler: Sicherheit geht immer vor
ist fünf Jahre danach noch kein Ende absehbar. Seit mittlerweile anderthalb Jahren prüft das Landgericht Duisburg, ob das Hauptverfahren eröffnet wird. In diesem Jahr, erklärte das Gericht jüngst, werde es dazu wohl nicht mehr kommen.
Für die Hinterbliebenen und Betroffenen ist das bitter, weiß der Duisburger Pfarrer Jürgen Widera, Ombudsmann der Stadt für die Opfer. „Der Strafprozess gehört zum Trauerprozess als wesentliches Element dazu“, sagt der evangelische Theologe. Das Verfahren hänge „wie ein Damoklesschwert“über den Betroffenen. Auch Jörn Teich, CoVorsitzender des SelbsthilfeVereins LoPa 2010, betont: „Der Strafprozess ist ganz, ganz wichtig für die Schuldfrage, die die Betroffenen haben.“Die Staatsanwaltschaft Duisburg glaubt, dass das Unglück vermeidbar gewesen wäre. Im Februar 2014 erhob sie Anklage gegen vier Mitarbeiter der Veranstalterfirma Lopavent und sechs Bedienstete der Stadt Duisburg, unter anderem wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung. Als Ursache für das Unglück sieht die Staatsanwaltschaft Planungsfehler und die fehlende Überwachung von Auflagen.
Für viele Betroffene und Hinterbliebene ist die LoveparadeGedenkstätte, die im Jahr 2013 am Unglücksort eröffnet wurde, ein wichtiger Ort der Trauer. Dort erinnert die Stadt Duisburg morgen wieder mit einer Gedenkfeier an die Opfer. „Das ist eine Riesen-Narbe in dieser Stadt“, sagt Betroffenen-Vertreter Jörn Teich.
Was hat sich für Festival-Veranstalter seit der Duisburger Loveparade-Tragödie verändert? Sind die Veranstaltungsorte sicherer geworden? SZ-Redakteurin Iris Neu sprach mit dem Organisator der saarländischen Festivals „Electro Magnetic“und „Rocco del Schlacko“, Thilo Ziegler.
Herr Ziegler, hat das verheerende Unglück in Duisburg auch einen Einfluss auf Ihre Veranstaltungen gehabt? Ziegler: Ich erinnere mich, dass das Unglück gerade wenige Wochen vor dem „Rocco del Schlacko“-Festival gewesen ist. Damals haben mich alle Medien angerufen und gefragt, was das für unsere Veranstaltung bedeutet. Ich sagte ihnen, „Rocco del Schlacko“wird so stattfinden wie die Jahre zuvor auch. Wir hatten damals schon Sicherheitskonzepte – etwa Veranstaltungsmeister am Platz –, da wir im Europäischen Festival-Konzept organisiert sind. Was hat sich seit Duisburg an den Sicherheitsbestimmungen geändert? Ziegler: Damals wurden solche Veranstaltungen noch über die Ausschankgenehmigung des Ordnungsamtes abgesegnet. Inzwischen ist die Bauaufsichtsbehörde mit ihren Richtlinien zuständig für die Genehmigung. Der Verwaltungsweg hat sich also entscheidend
geändert. Welche weiteren wichtigen Vorschriften gibt es? Ziegler: Eine Veranstaltung darf beispielsweise nur mit zwei Personen pro Quadratmeter Nettofläche befüllt werden. Außerdem muss die Ausleuchtung doppelt verstromt werden, damit sie nicht ausfallen kann. Sind mit den Sicherheitsrichtlinien höhere Kosten verbunden? Ziegler: Ja, die Kosten sind enorm gestiegen. Genau beziffern kann ich das nicht, aber Sicherheit geht immer vor. Allein der personelle Aufwand ist grö- ßer: Vor Duisburg hat eine Sicherheitsabnahme mit sieben Personen stattgefunden, heute sind 32 Personen daran beteiligt. Dennoch ist die Loveparade in Duisburg überhaupt nicht vergleichbar mit „Rocco del Schlacko“oder „Electro Magnetic“. Inwiefern nicht? Ziegler: Zum einen waren in Duisburg fast eine halbe Million Menschen, bei „Rocco del Schlacko“sind es pro Tag jeweils 15 000. Außerdem gab es für die Loveparade keine Eintrittskarten, sie war kostenlos. Deshalb wusste man noch am Morgen der Veranstaltung nicht, wie viele Besucher kommen. Das war auch das Hauptproblem. Worin lagen aus Ihrer Sicht die gröbsten Fehler in Duisburg? Ziegler: Vor allem darin, dass man keine Sorge dafür getragen hat, das Gelände sperren zu können für den Fall, dass zu viele Menschen kommen. Außerdem hätte man sogenannte Vorstaustufen einrichten sollen – am besten schon in der Stadt. Und natürlich war es verheerend, dass man durch zu enge Zuwegungen einen Flaschenhals hergestellt hat, durch den die Leute nicht hindurchkamen.