Komik und Herz statt Selbstmitleid
Neu im Kino: „Taxi Teheran“von Jafar Panahi – Lustig-dramatischer Querschnitt durch die iranische Gesellschaft
(Japan 2014, 116 Min.; Filmhaus (Sb); Regie: Sono Sion) Die Freiheit der Kunst ist keine Selbstverständlichkeit, sondern ein hohes Gut, das immer wieder neu erkämpft und verteidigt werden muss. Das haben die Anschläge auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“gezeigt, aber auch das 20-jährige Berufsverbot gegen den iranischen Regisseur Jafar Panahi. Dennoch hat Panahi das Filmemachen nicht aufgegeben.
In seinem neuen Film „Taxi Teheran“macht er aus der Not eine Tugend, installiert die Digitalkamera im Innenraum eines Taxis und fährt durch die pulsierende iranische Hauptstadt. Die einsteigenden Fahrgäste bringen ihre Lebensgeschichten mit ins Auto. Der Film ist noch keine zehn Minuten alt, da diskutiert eine Lehrerin mit einem ihr unbekannten Mitfahrer schon über die Todesstrafe im Iran, der nach China die höchste Exekutionsrate hat. Aber das Taxi wird nicht nur zum Raum für politische Diskurse, sondern lässt die Tür weit offen für den lebendigen und widersprüchlichen Alltag in der iranischen Metropole. Dort blüht das Geschäft mit Raubkopien verbotener, ausländischer Filme, chauffieren ältere Damen Goldfische zu einer heiligen Quelle, kann ein Ladenbesitzer die ihm bekannten Täter, die ihn überfallen haben, nicht anzeigen, weil Raub im Gottesstaat mit drakonischen Strafen geahndet wird.
Zum semidokumentarischen Konzept gehört auch, dass Panahi selbst hinter dem Steuer sitzt und von seinen Passagieren auch als bekannter Filmemacher iden- tifiziert wird. Äußerst humorvolle Diskussionen über Zensur und „zeigbare“Filme Hana Saeidi, die Nichte des Taxi-Fahrers Jafar Panahi. führt Panahi mit einer altklugen, zwölfjährigen Nichte, die hier als echte Diva inszeniert wird. Die Komik, mit der Panahi die gesellschaftlichen Verhältnisse im Iran und seine Situation als Dissident reflektiert, ist vielleicht die größte Überraschung dieses Films. Panahi, der in den ersten Werken nach seinem Berufsverbot immer wieder die eigene verzweifelte Situation thematisierte, lässt in seinem neuen Film keinerlei Selbstmitleid aufkommen, sondern zeigt stattdessen ein ganz großes Herz für die Menschen in seinem gebeutelten Heimatland. Vollkommen verdient wurde „Taxi Teheran“bei der diesjährigen Berlinale mit dem Goldenen Bären ausgezeichnet. Iran 2015, Camera Zwo, 86 Min., Regie: Jafar Panahi.