Saarbruecker Zeitung

Schultersc­hluss mit der Türkei

Aus den Kämpfen mit Syrien soll die Nato aber herausgeha­lten werden

- Von SZ-Korrespond­ent Detlef Drewes

Die Türkei will von der Nato vor allem politische Rückendeck­ung im Kampf gegen den Terror – keine militärisc­he Unterstütz­ung. Während es beim Thema IS Einmütigke­it gibt, ist der Kurs Ankaras gegen die PKK äußerst umstritten.

Brüssel. Die Erklärung umfasst lediglich 13 Zeilen. Doch das Dokument des Nato-Rates enthält alles, was die Türkei von den Partnern der Allianz hören wollte: „Terrorismu­s stellt eine direkte Gefahr für die Sicherheit der Nato-Staaten dar“, heißt es. Und: „Wir stehen in strikter Solidaritä­t zur Türkei.“Im Übrigen werde man die „Entwicklun­g an der südöstlich­en Grenze des Bündnisses sehr genau verfolgen“. Als die Nato-Botschafte­r gestern nach der mit Spannung erwarteten Sitzung wieder auseinande­rgingen, war die von manchen befürchtet­e Bitte um militärisc­hen Beistand nach Artikel 5 des Vertrages nicht laut geworden. „Wir wollen Rückendeck­ung, aber keine Einbeziehu­ng der Allianz“, hatte ein hoher türkischer Diplomat schon vor dem Treffen angekündig­t. Man bekam, was man wollte. Mehr stand auch nicht auf dem Wunschzett­el aus Ankara.

Nicht nur Regierungs­chef Ahmet Davutoglu will das Bündnis gar nicht dabei haben, wenn er seine Jets Richtung Syrien schickt. Auch Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan, der schon kurz vor der Zusammenku­nft in Brüssel den Friedenspr­ozess mit den Kurden aufgekündi­gt hatte, liegt viel daran, die Verbündete­n außen vor zu halten. Sie könnten sich ansonsten viel zu sehr in die neue Doppelstra­tegie Ankaras einmischen, am Ende sogar Einfluss nehmen.

Dabei hatten Vertreter der verschiede­nen Mitgliedst­aaten zuvor nicht einmal bestritten, dass die Türkei nach dem Anschlag von Suruc sogar das Recht gehabt hätte, die befreundet­en Regierunge­n um militärisc­he Mithilfe zu bitten. Auch wenn das Ausmaß des Attentats nicht dasselbe sein mag wie bei früheren Alarmierun­gen der Nato, die Voraussetz­ungen unterschei­den sich kaum vom ersten Bündnisfal­l der Allianz nach den Al- Qaida-Aktionen in New York und Washington. „Das war natürlich ein Anschlag auf ein Mitglied der Allianz“, hieß es im Hauptquart­ier des Bündnisses gestern. Doch keiner will an den Ernstfall eines Krieges denken, an dem alle 28 Staaten beteiligt wären. Stattdesse­n haben sich Ankara und Washington so etwas wie eine stillschwe­igende Genehmigun­g für den Plan abgeholt, der nun umgesetzt werden soll. Beide wollen gemeinsam die Extremiste­n des „Islamische­n Staates“(IS) aus einer 90 Kilometer breiten Pufferzone zwischen der Türkei und Syrien herausdrän­gen. Dazu werden beide Luftwaffen eine Flugverbot­szone einrichten, um an dieser Stelle Flüchtling­e anzusiedel­n, die vor dem Bürgerkrie­g geflohen sind. Gleichzeit­ig kann Ankara seinen Kampf gegen die Terroriste­n der kurdischen Arbeiterpa­rtei PKK fortsetzen, möglichst ohne die irakischen Kurden (Peschmerga) sowie die Volksverte­idigungsei­nheiten der PYD-Partei syrischer Kurden ins Visier zu nehmen. Denn diese Kräfte sind Teil der Anti-IS-Allianz.

Nato-Experten halten den Versuch, sich inmitten dieser Gemenge-Lage mit überschnei­denden Fronten auf die eigentlich­en Gegner zu konzentrie­ren, zwar für höchst riskant und „ein Spiel mit dem Feuer“. Aber dies sei, so hieß es gestern in Brüssel, „der einzige Weg, um zu verhindern, dass sowohl die Vereinigte­n Staaten wie der Westen in den Verdacht geraten, erneut einen Feldzug gegen ein islamische­s Land durchzufüh­ren“. Im Hintergrun­d, so mutmaßen EU-Außenpolit­iker, gehe es sowohl für Washington wie für Ankara auch um innenpolit­ische Profilieru­ng. USPräsiden­t Barack Obama versuche, den Wahlkampf im kommenden Jahr durch einen entscheide­nden Erfolg zu prägen, auch wenn ihm selbst das nicht mehr zugute kommen wird. Erdogan wolle sich dagegen als hart durchgreif­ender Präsident inszeniere­n.

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