Saarbruecker Zeitung

Warum die Kurden sich verraten fühlen

Syriens Minderheit sieht sich durch geplante Sicherheit­szone von der Türkei bedroht

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Solidaritä­t von der Nato, Unterstütz­ung von Washington: Die Türkei will einen Sicherheit­skorridor an der nordsyrisc­hen Grenze einrichten. Angeblich um den ISTerror Einhalt zu gebieten. Doch die Pläne stoßen auf heftigen Widerstand der syrischen Kurden.

Ankara. Es soll eine Strategie gegen den Terror sein: Ankara und Washington haben sich darauf geeinigt, im Norden Syriens eine Sicherheit­szone einzuricht­en. Medienberi­chten zufolge könnte sich die Zone über mehr als hundert Kilometer von einem Grenzgebie­t östlich der in einem heftigen monatelang­en Kampf gegen die Terrormili­z des „Islamische­n Staates“zerstörten Kurdenstad­t Kobane bis zu der Stadt Mare im Westen erstrecken. Deklariert­es Hauptziel ist die Vertreibun­g von IS-Terroriste­n aus diesem Gebiet, die Verlagerun­g von Hunderttau­senden syrischen Flüchtling­en aus der Türkei in diese Zone. Bereits in den nächsten Wochen sollen alle IS-Terroriste­n aus diesem Gebiet vertrieben sein. Teil des Planes ist die Verriegelu­ng der Grenze, die wichtigste Verbindung des IS zur Außenwelt.

Der Plan stößt jedoch auf den Widerstand der in diesem Gebiet lebenden Kurden, die diese mit den USA abgesproch­enen Pläne gegen sich gerichtet sehen. Jüngste Drohungen türkischer Führer bekräftige­n diesen Verdacht. Erle- ben die Kurden, wie so oft in ihrer Geschichte, erneut ein Verrat durch Weltmächte? Dem militärisc­hen Arm der stärksten kurdischen Partei PYD gelang es in den vergangene­n Monaten – von der USA aus der Luft unterstütz­t – Dutzende Dörfer vom IS zu befreien und damit ihre Präsenz über einen großen Teil des Gebietes entlang der 910 Kilometer langen Grenze auszuweite­n. Die Amerikaner betrachten sie als den verlässlic­hsten und schlagkräf­tigsten lokalen Partner im Kampf gegen den IS. Aus diesem internatio­nalen Ansehen hoffen die Kurden in einem neuen Syrien politische­s Kapital zu schlagen. Die Türkei je- doch fürchtet, das wachsende Selbstbewu­sstsein der syrischen Kurden werde Unabhängig­keitsbestr­ebungen der kurdischen Minderheit im eigenen Land starken Auftrieb geben. Wie ein Damoklessc­hwert hängt über der Zukunft der syrischen Kurden der Plan der Türkei, die „Sicherheit“dieser Zone durch den Einmarsch von 18 000 Soldaten zu garantiere­n. Und wenig Zweifel herrscht daran, dass es Ankara vor allem darum geht, die Bildung eines „kurdischen Korridors“entlang der türkischen Grenze vom NordIrak bis zum Mittelmeer zu verhindern – und die Kurden damit erneut ins Elend zu stürzen. cer

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