Saarbruecker Zeitung

Mogel-Kassen kosten Staat zehn Milliarden Euro im Jahr

- Von André Stahl (dpa) und Pascal Becher (SZ)

Manipulier­te Kassen, Schummelso­ftware oder falsche Rechnungen – seit Jahren prellen Steuerbetr­üger den Fiskus. Auch im Saarland. Experten schütteln den Kopf über die Untätigkei­t des Staates. Der will nun doch was tun.

Berlin/Saarbrücke­n. Wenn es um betrügeris­che Imbissbude­n- oder Kneipenbes­itzer geht, sind sich Steuerfahn­der für nichts zu schade. Da zählen sie schon mal aus einem Versteck heraus mit dem Fernglas die Gäste. Oder sie lassen wie Detektive eine bestellte Pizza im Labor wiegen, um anhand der ermittelte­n Menge den Einkauf der Zutaten hochzurech­nen, mit dem Verkauf zu vergleiche­n und mögliche verschwieg­ene Erlöse aufzudecke­n. Dass mit diesem Zeitreihen­vergleich – so heißt die Kontrollme­thode in der Sprache der Finanzbeam­ten – der Steuerbetr­ug in der Gastronomi­e im großen Stil bekämpft werden kann, darf bezweifelt werden. Es hilft aber.

Der Bundesfina­nzhof mahnte jüngst jedoch einen zurückhalt­enden Umgang mit Schätzmeth­oden an. Die obersten Finanzrich­ter machen in ihrem Urteil aber auch klar: „Elektronis­che Kassensyst­eme sind durch Umprogramm­ierung in nahezu beliebiger Weise manipulier­bar.“Und von solchen Möglichkei­ten werde in der Praxis durchaus Gebrauch gemacht.

Steuerbetr­ug über manipulier­te Kassen in der Gastronomi­e, in Apotheken, Taxis und Tankstelle­n sei ein „Mssenphäno­men“, so der Bundesrech­nungshof. Er schätzt, dass der Fiskus jährlich Einnahmen von bis zu zehn Milliarden Euro verliere, weil Unternehme­n Umsätze nicht oder falsch erfassten. Die Steuergewe­rkschaft nennt diese zehn Milliarden nur ein Minimum. „Wir reden alleine im Saarland von einem Betrag von bis zu 60 Millionen Euro pro Jahr“, sagt Saar-Finanzmini­ster Stephan Toscani (CDU). Dabei sei gerade ein Haushaltsn­otlageland wie das Saarland darauf angewiesen, die Einnahmen zu erhöhen.

„Spezielle Software ermöglicht es Steuerhint­erziehern inzwischen spielend, Aufzeichnu­ngen ihrer Kassensyst­eme zu manipulier­en“, heißt es in einem Rechnungsh­of-Bericht. Sie zeichneten Bedieneing­aben nicht auf oder löschten Daten. Software ersetze ganze Datenbanke­n, erfasse nicht erfolgte Geschäftsv­orgänge oder verkürze Umsätze. Beliebt sei die „Trainingse­instellung“. Eingaben des Kellners werden als Übung abgebucht und nicht als Umsätze. Gern wird die „Zwischenre­chnung“missbrauch­t, die kein Kassenbon zum Abkassiere­n ist. Oder es werden nicht alle tragbaren Kassen- Geräte erfasst.

Seit über zehn Jahren fordern die Rechnungsp­rüfer deshalb eingriffss­ichere Kassensyst­eme. „Wir konnten bisher nicht feststelle­n, dass sich die Besteuerun­g bargeldint­ensiver Unternehme­n verbessert hat“, heißt es in ihrem Bericht vom Mai. Auch Minister Toscani fordert, „Steuerschl­upflöcher“zu schließen und eine „manipulati­onssichere Lösung als gesetzlich­en Standard“– bis Anfang 2017.

Inzwischen gibt es Bewegung. Bis zum Herbst wollen Bund und Länder ein Gesamtkonz­ept vorlegen. Vor kurzem verständig­ten sich die Länder-Finanzmini­ster darauf, manipulati­onssichere Kassen einführen zu wollen und dabei auf den Wettbewerb verschiede­ner Anbieter und Lösungen zu setzen. Der Vorsitzend­e der Finanzmini­sterkonfer­enz, Hessens Ressortche­f Thomas Schäfer (CDU), ist entschloss­en: „Wir sagen diesen Steuerhint­erziehern klar den Kampf an.“Wann genau – ist aber noch unklar.

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Stephan Toscani

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