Mogel-Kassen kosten Staat zehn Milliarden Euro im Jahr
Manipulierte Kassen, Schummelsoftware oder falsche Rechnungen – seit Jahren prellen Steuerbetrüger den Fiskus. Auch im Saarland. Experten schütteln den Kopf über die Untätigkeit des Staates. Der will nun doch was tun.
Berlin/Saarbrücken. Wenn es um betrügerische Imbissbuden- oder Kneipenbesitzer geht, sind sich Steuerfahnder für nichts zu schade. Da zählen sie schon mal aus einem Versteck heraus mit dem Fernglas die Gäste. Oder sie lassen wie Detektive eine bestellte Pizza im Labor wiegen, um anhand der ermittelten Menge den Einkauf der Zutaten hochzurechnen, mit dem Verkauf zu vergleichen und mögliche verschwiegene Erlöse aufzudecken. Dass mit diesem Zeitreihenvergleich – so heißt die Kontrollmethode in der Sprache der Finanzbeamten – der Steuerbetrug in der Gastronomie im großen Stil bekämpft werden kann, darf bezweifelt werden. Es hilft aber.
Der Bundesfinanzhof mahnte jüngst jedoch einen zurückhaltenden Umgang mit Schätzmethoden an. Die obersten Finanzrichter machen in ihrem Urteil aber auch klar: „Elektronische Kassensysteme sind durch Umprogrammierung in nahezu beliebiger Weise manipulierbar.“Und von solchen Möglichkeiten werde in der Praxis durchaus Gebrauch gemacht.
Steuerbetrug über manipulierte Kassen in der Gastronomie, in Apotheken, Taxis und Tankstellen sei ein „Mssenphänomen“, so der Bundesrechnungshof. Er schätzt, dass der Fiskus jährlich Einnahmen von bis zu zehn Milliarden Euro verliere, weil Unternehmen Umsätze nicht oder falsch erfassten. Die Steuergewerkschaft nennt diese zehn Milliarden nur ein Minimum. „Wir reden alleine im Saarland von einem Betrag von bis zu 60 Millionen Euro pro Jahr“, sagt Saar-Finanzminister Stephan Toscani (CDU). Dabei sei gerade ein Haushaltsnotlageland wie das Saarland darauf angewiesen, die Einnahmen zu erhöhen.
„Spezielle Software ermöglicht es Steuerhinterziehern inzwischen spielend, Aufzeichnungen ihrer Kassensysteme zu manipulieren“, heißt es in einem Rechnungshof-Bericht. Sie zeichneten Bedieneingaben nicht auf oder löschten Daten. Software ersetze ganze Datenbanken, erfasse nicht erfolgte Geschäftsvorgänge oder verkürze Umsätze. Beliebt sei die „Trainingseinstellung“. Eingaben des Kellners werden als Übung abgebucht und nicht als Umsätze. Gern wird die „Zwischenrechnung“missbraucht, die kein Kassenbon zum Abkassieren ist. Oder es werden nicht alle tragbaren Kassen- Geräte erfasst.
Seit über zehn Jahren fordern die Rechnungsprüfer deshalb eingriffssichere Kassensysteme. „Wir konnten bisher nicht feststellen, dass sich die Besteuerung bargeldintensiver Unternehmen verbessert hat“, heißt es in ihrem Bericht vom Mai. Auch Minister Toscani fordert, „Steuerschlupflöcher“zu schließen und eine „manipulationssichere Lösung als gesetzlichen Standard“– bis Anfang 2017.
Inzwischen gibt es Bewegung. Bis zum Herbst wollen Bund und Länder ein Gesamtkonzept vorlegen. Vor kurzem verständigten sich die Länder-Finanzminister darauf, manipulationssichere Kassen einführen zu wollen und dabei auf den Wettbewerb verschiedener Anbieter und Lösungen zu setzen. Der Vorsitzende der Finanzministerkonferenz, Hessens Ressortchef Thomas Schäfer (CDU), ist entschlossen: „Wir sagen diesen Steuerhinterziehern klar den Kampf an.“Wann genau – ist aber noch unklar.