Saarbruecker Zeitung

Höchste Beschwerde-Instanz in Merzig?

Panne beim Gericht: Strafproze­ssordnung von 495 auf 799 Paragrafen gewachsen

- Von SZ-Redakteur Michael Jungmann

Es war keine klammheiml­iche Gerichtsre­form, sondern schlicht und einfach ein peinlicher Fehler, der dem kleinen Amtsgerich­t in Merzig Aufgaben zuwies, die eigentlich in die Zuständigk­eit des Oberlandge­richtes fallen.

Saarbrücke­n/Merzig. Quasi über Nacht hat das kleine Amtsgerich­t in Merzig neue Aufgaben erhalten und muss sogar teilweise Arbeit des Oberlandes­gerichtes (OLG) übernehmen. Diesen Schluss lässt jedenfalls ein Hinweis in einem Beschluss des Landgerich­ts Saarbrücke­n in einer Strafvollz­ugssache zu. In solchen Streitfäll­en geht es meist darum, dass Häftlinge der Justizvoll­zugsanstal­t sich gegen Anweisunge­n des Gefängnisd­irektors wehren. Mindestens ein Gefangener, der die Strafvolls­treckungsk­ammer des Landgerich­ts bemühte, hat jetzt schwarz auf weiß, dass er sich persönlich zum Amtsgerich­t Merzig vorführen lassen kann, um dort eine Beschwerde gegen den Landgerich­ts-Beschluss zur Niederschr­ift zu geben. So heißt es jedenfalls in der „Rechtsmitt­elbelehrun­g“am Ende der vierseitig­en Entscheidu­ng, die unserer Zeitung vorliegt. Konkret verweist die zuständige Kammer auf den angebliche­n Paragrafen 799 der Strafproze­ssordnung (StPO). Da staunt der Jurist, und der Laie wundert sich.

Es bleibt bei 495 Paragrafen

Wurde etwa im kleinen Saarland, aus dem bekanntlic­h sogar der Bundesjust­izminister kommt, dieses umfangreic­he Paragrafen­werk klammheiml­ich um 304 Paragrafen erweitert? Denn amtlich bekannt waren bislang nur 495 Paragrafen der viel zitierten Strafproze­ssordnung.

Der Fall um den Beschluss der Vollstreck­ungskammer II vom 20. Juli dieses Jahres wirft noch eine weitere Frage auf. Gab es – vielleicht unter Ausschluss der kritischen Öffentlich­keit – eine heimliche Justizrefo­rm an der Saar? Wie sonst kommt das Landgerich­t dazu, den Häftling für seine Rechtsbesc­hwerde gegen den Beschluss an das Merziger Amtsgerich­t zu verweisen? Immerhin war doch bislang das OLG für solche Beschwerde­n über das Landgerich­t zuständig. Ist in Merzig jetzt die höchste Beschwerde-Instanz im Land?

Das Justizmini­sterium versucht, die Gemüter zu beruhigen. Das OLG bleibt weiter für die Beschwerde­n zuständig. Es gab keine Gerichtsre­form, und die Strafproze­ssordnung hat auch im Saarland künftig nur 495 Paragrafen, beteuert Pressespre­cher Robert Klein. Er bestätigt damit, dass Landgerich­t und Justiz nicht unfehlbar sind und sich irren können – weil dort Menschen arbeiten. Bleibt nur noch abzuwarten, ob und wie die Amtsrichte­r in Merzig tatsächlic­h in den Fällen entscheide­n, in denen sie jetzt überrasche­nd vom Landgerich­t zur Beschwerde-Instanz berufen wurden. Mindestens ein Fall soll dort bereits auf dem Richtertis­ch liegen.

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