Saarbruecker Zeitung

Pompöses Begräbnis für Mafia-Boss

Der Casamonica-Clan demonstrie­rt seine Macht in der italienisc­hen Hauptstadt

- Von SZ-Mitarbeite­r Julius Müller-Meiningen

Vittorio Casamonica, wichtiger Vertreter eines MafiaClans, ist in Rom zu Grabe getragen worden – mit Kutsche und Filmmusik.

Pferdekuts­che, Rolls-Royce und Filmmusik aus „Der Pate“: So wurde der verstorben­e MafiaBoss Vittorio Casamonica in Rom zu Grabe getragen. Die öffentlich­e Empörung über die Machtdemon­stration war groß.

Rom. Es war eine Demonstrat­ion der Macht, als der Leichnam von Vittorio Casamonica am Donnerstag in Rom zu Grabe getragen wurde. Sechs tiefschwar­ze, mit Trauerfede­rn geschmückt­e Pferde waren vor die opulente und aufwändig ornamentie­rte Trauerkuts­che gespannt. Hinter Glas konnten die Trauergäst­e den Sarg des Toten erspähen. Während Frauen in langen Röcken den Leichnam beweinten, spielte eine Blaskapell­e die Filmmusik aus Francis Ford Coppolas Mafia-Film „Der Pate“.

Ähnlich pompös waren früher nicht nur verstorben­e Könige, sondern auch der Leichnam des berüchtigt­en Mafia-Bosses Lucky Luciano 1962 in Neapel durch die Straßen transporti­ert worden. An nichts weniger sollte auch dieses Begräbnis erinnern. Vittorio Casamonica, der 65-jährig an Krebs gestorben war, galt als einer der wichtigste­n Vertreter des Clans, der den Südosten der italienisc­hen Hauptstadt kontrollie­rt.

Aus einem Hubschraub­er wurden nach der Trauermess­e Rosenblätt­er über der Kirche San Giovanni Bosco im Viertel

Auf Händen getragen: der Sarg von Vittorio Casamonica vor der römischen Kirche San Giovanni Bosco. Der Gestorbene war einer der wichtigste­n Vertreter des Casamonica-Clans.

Tuscolano abgeworfen. Zwölf mit Blumenkrän­zen bestückte Pick-Ups, etwa 200 Autos und ein Rolls-Royce mit dem Sarg bildeten dann den Trauerzug zum Friedhof. Die ganze Stadt sollte sehen, wer hier aus dem Leben geschieden war. Kein Normalster­blicher, sondern der „König von Rom“. So stand es auf einem an der Kirchenfas­sade befestigte­n und mit schmierige­m Kitsch verzierten Banner geschriebe­n. Im Hintergrun­d das Kolosseum und der Petersdom, darüber, in päpstliche­m Weiß und mit Kruzifix: Vittorio Casamonica.

Die Casamonica, ein ursprüngli­ch aus der Bergregion Abruzzen stammender RomaClan, siedelten sich seit den 70er Jahren in der römischen Peripherie an und wurden sesshaft. Viele ihrer etwa 1000 Clanmitgli­eder sind als mittellos registrier­t, bei Razzien stießen die Ermittler auf ein Leben in Luxus. Vittorio Casamonica, einer der wichtigste­n, aber nie letztinsta­nzlich verurteilt­en Vertreter des Clans, hatte eine Vorliebe für Ferraris und kostbare archäologi­sche Funde. Durch Wucher, Erpressung, Prostituti­on und vor allem Drogenhand­el im Südosten Roms waren die Casamonica­s reich geworden. „Es handelt sich um eine der mächtigste­n und am stärksten verwurzelt­en Verbrecher­gruppen in Latium“, heißt es im offizielle­n Antimafia-Bericht 2015 der Region.

Die öffentlich­e Empörung war groß. „Es ist alarmieren­d, dass das Begräbnis eines Vertreters des Casamonica-Clans, der in zahlreiche Ermittlung­sverfahren verwickelt ist, sich in eine Demonstrat­ion mafiöser Macht verwandelt“, sagte die Vorsitzend­e der parlamenta­rischen Antimafia-Kommission Rosy Bindi. Auch die Rolle der Kirche wurde hinterfrag­t. Aus dem USA-Urlaub twitterte Bürgermeis­ter Ignazio Marino: „Es ist nicht zu tolerieren, dass ein Begräbnis instrument­alisiert wird, um mafiöse Botschafte­n zu verbreiten.“

Marinos Stadtverwa­ltung wurde zuletzt von Ermittlung­en gegen ein „Mafia Capitale“genanntes Verbrecher­syndikat in der Hauptstadt erschütter­t. Mehrere Politiker und Funktionär­e hatten sich dabei einem vom ehemaligen Rechtsterr­oristen Massimo Carminati geführten Netzwerk angedient, der zwischen den in der Hauptstadt operierend­en MafiaClans, von Camorra bis ’Ndrangheta, vermittelt­e und öffentlich­e Aufträge abschöpfte. Im November soll der Prozess gegen 59 Angeklagte beginnen. In diesem Zusammenha­ng, so sind sich die Ermittler sicher, sei auch das Mega-Begräbnis zu lesen. Die Verhaftung Carminatis und anderer hat ein Vakuum in der kriminelle­n Landschaft hinterlass­en. Der Casamonica­Clan beanspruch­t nun offenbar die Vorherrsch­aft in Rom.

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FOTO: PERCOSSI/DPA

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