Nach der Wahl ein Schuldenschnitt?
Tsipras will Rückendeckung für die nächsten Verhandlungen mit den Geldgebern
So sehr die Bundesregierung auch dementiert, eines scheint klar: Eine Umstrukturierung der Schulden für Griechenland wird kommen. In Brüssel wird bereits nach anderen Bezeichnungen für den Schuldenschnitt gesucht.
Brüssel. Die Überraschung hielt sich in Grenzen. Dass Athens Premierminister Alexis Tsipras seinen Hut nehmen würde, hatte er selbst zuvor mit den internationalen Geldgebern abgesprochen. Die stimmten zu. Längst waren Zweifel laut geworden, ob diese griechische Regierung noch die Mehrheiten haben würde, um das ehrgeizige Reformprogramm durchzusetzen. Tsipras selbst war sich nicht mehr sicher. Er hatte ja kein Mandat dazu. Vor acht Monaten trat der Chef des linken Syriza-Parteienbündnisses an, um Reformen zu verhindern, nun will er sie umsetzen. Man habe das dritte Hilfspaket „nicht mit Herrn Tsipras, sondern mit Griechenland“vereinbart, betonten Diplomaten gestern in Brüssel, um deutlich zu machen, dass auch jede andere Regierung an die Verpflichtungen gebunden sein würde.
Doch Tsipras will mehr. Der nach wie vor beliebteste Politiker der Hellenen, der bei einer Umfrage Ende Juli mit 33,6 Prozent Zustimmung weit vor allen anderen lag, verstünde einen erneuten Wahlsieg als Auftrag, gestärkt in die nächsten Verhandlungen mit den Geldgebern zu gehen. Spätestens dann soll eine heilige Kuh geschlachtet werden: Er drängt auf einen Schuldenschnitt. Den bejaht zwar inzwischen der Internationale Währungsfonds (IWF), weil Athen angesichts einer Staatsverschuldung von nunmehr rund 200 Prozent keine Schuldentragfähigkeit mehr erreichen könne. Doch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat sich an die Spitze derer gestellt, die mit Verweis auf die europäischen Verträge jede Übernahme der Schulden anderer Staaten ablehnte – bisher.
Anfang vergangener Woche hieß es erstmals verklausuliert, es werde „zu Gesprächen über weitere Erleichterungen bei den Rückzahlungsmodalitäten der Hilfskredite kommen“. Die aber dürften „kein Schuldenschnitt“sein. Inzwischen sind längst andere, weniger bedrohlich klingende Vokabeln im Umlauf. Der IWF spricht von „Schuldenerleichterungen“, in Brüssel nennt man das, was da hinter verschlossenen Türen diskutiert wird, „Schuldenmaßnahmen“.
Konkret geht es um die Verlängerung der Schuldenlaufzeiten beispielsweise auf 60 Jahre. Ein solcher Schritt brächte durchaus Vorteile für alle Seiten: Die Griechen bekämen mehr Zeit, um den Schuldenberg abzutragen und dürften gleichzeitig damit rechnen, dass die Inflation einen Teil der Verbindlichkeiten auffrisst. Die Gegner eines faktischen Schuldenschnitts können betonen, dass alle Rechnungen zurückgezahlt werden. Genau darauf dürfte Tsipras hinarbeiten, falls er wiedergewählt wird. Allzu schwierig dürfte das nicht werden, denn die Front derer, die sich wehrten, wird schwächer. dr
Ein Schuldenschnitt ist ausgeschlossen. Die konstruktive Bearbeitung der griechischen Schulden allerdings nicht. Genau dazu wird es kommen. Ein dauerhafter Ausweg aus den hellenischen Problemen ist ohne Eingriff in den Schuldenberg nicht denkbar. Dass man sich dabei des Tricks längerer Laufzeiten und niedrigerer Zinsen bedienen wird, ist absehbar. Je mehr Zeit Athen bekommt, um seine Darlehen zurückzuzahlen, umso geringer wird der Wert künftiger Zahlungen. Vereinfacht gesagt: Mit 50 Euro kann man sich heute mehr kaufen als in 50 Jahren. Dieses Prinzip dürfte man nutzen.
Alle Beteiligten werden ihr Gesicht wahren können. Jeder kann betonen, man habe nicht nachgegeben. Und trotzdem sinkt die Schuldenlast erheblich. Das ist es, was zählt.