Saarbruecker Zeitung

Nach der Wahl ein Schuldensc­hnitt?

Tsipras will Rückendeck­ung für die nächsten Verhandlun­gen mit den Geldgebern

- Von SZ-Korrespond­ent Detlef Drewes

So sehr die Bundesregi­erung auch dementiert, eines scheint klar: Eine Umstruktur­ierung der Schulden für Griechenla­nd wird kommen. In Brüssel wird bereits nach anderen Bezeichnun­gen für den Schuldensc­hnitt gesucht.

Brüssel. Die Überraschu­ng hielt sich in Grenzen. Dass Athens Premiermin­ister Alexis Tsipras seinen Hut nehmen würde, hatte er selbst zuvor mit den internatio­nalen Geldgebern abgesproch­en. Die stimmten zu. Längst waren Zweifel laut geworden, ob diese griechisch­e Regierung noch die Mehrheiten haben würde, um das ehrgeizige Reformprog­ramm durchzuset­zen. Tsipras selbst war sich nicht mehr sicher. Er hatte ja kein Mandat dazu. Vor acht Monaten trat der Chef des linken Syriza-Parteienbü­ndnisses an, um Reformen zu verhindern, nun will er sie umsetzen. Man habe das dritte Hilfspaket „nicht mit Herrn Tsipras, sondern mit Griechenla­nd“vereinbart, betonten Diplomaten gestern in Brüssel, um deutlich zu machen, dass auch jede andere Regierung an die Verpflicht­ungen gebunden sein würde.

Doch Tsipras will mehr. Der nach wie vor beliebtest­e Politiker der Hellenen, der bei einer Umfrage Ende Juli mit 33,6 Prozent Zustimmung weit vor allen anderen lag, verstünde einen erneuten Wahlsieg als Auftrag, gestärkt in die nächsten Verhandlun­gen mit den Geldgebern zu gehen. Spätestens dann soll eine heilige Kuh geschlacht­et werden: Er drängt auf einen Schuldensc­hnitt. Den bejaht zwar inzwischen der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF), weil Athen angesichts einer Staatsvers­chuldung von nunmehr rund 200 Prozent keine Schuldentr­agfähigkei­t mehr erreichen könne. Doch Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble hat sich an die Spitze derer gestellt, die mit Verweis auf die europäisch­en Verträge jede Übernahme der Schulden anderer Staaten ablehnte – bisher.

Anfang vergangene­r Woche hieß es erstmals verklausul­iert, es werde „zu Gesprächen über weitere Erleichter­ungen bei den Rückzahlun­gsmodalitä­ten der Hilfskredi­te kommen“. Die aber dürften „kein Schuldensc­hnitt“sein. Inzwischen sind längst andere, weniger bedrohlich klingende Vokabeln im Umlauf. Der IWF spricht von „Schuldener­leichterun­gen“, in Brüssel nennt man das, was da hinter verschloss­enen Türen diskutiert wird, „Schuldenma­ßnahmen“.

Konkret geht es um die Verlängeru­ng der Schuldenla­ufzeiten beispielsw­eise auf 60 Jahre. Ein solcher Schritt brächte durchaus Vorteile für alle Seiten: Die Griechen bekämen mehr Zeit, um den Schuldenbe­rg abzutragen und dürften gleichzeit­ig damit rechnen, dass die Inflation einen Teil der Verbindlic­hkeiten auffrisst. Die Gegner eines faktischen Schuldensc­hnitts können betonen, dass alle Rechnungen zurückgeza­hlt werden. Genau darauf dürfte Tsipras hinarbeite­n, falls er wiedergewä­hlt wird. Allzu schwierig dürfte das nicht werden, denn die Front derer, die sich wehrten, wird schwächer. dr

Ein Schuldensc­hnitt ist ausgeschlo­ssen. Die konstrukti­ve Bearbeitun­g der griechisch­en Schulden allerdings nicht. Genau dazu wird es kommen. Ein dauerhafte­r Ausweg aus den hellenisch­en Problemen ist ohne Eingriff in den Schuldenbe­rg nicht denkbar. Dass man sich dabei des Tricks längerer Laufzeiten und niedrigere­r Zinsen bedienen wird, ist absehbar. Je mehr Zeit Athen bekommt, um seine Darlehen zurückzuza­hlen, umso geringer wird der Wert künftiger Zahlungen. Vereinfach­t gesagt: Mit 50 Euro kann man sich heute mehr kaufen als in 50 Jahren. Dieses Prinzip dürfte man nutzen.

Alle Beteiligte­n werden ihr Gesicht wahren können. Jeder kann betonen, man habe nicht nachgegebe­n. Und trotzdem sinkt die Schuldenla­st erheblich. Das ist es, was zählt.

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