„Ich habe in Lebach viele meiner Vorurteile abgebaut.“
aus Sri Lanka ohne Papiere. „Es war eine krasse Liebesgeschichte“, sagt sie. Das Paar beschloss, einen Asylantrag zu stellen, doch von Lebach aus wurde Rajan erst nach Karlsruhe geschickt und dann nach Frankreich abgeschoben. Es folgte ein zermürbender dreijähriger Spießrutenlauf durch die französische Bürokratie, an dessen Ende die Heirat der beiden stand. „Außerdem bin ich selbst in einem Spätaussiedlerheim in BadenWürttemberg geboren“, erzählt sie. Dorthin hatte sich ihre Mutter 1982 aus Polen geflüchtet. „So schließt sich der Kreis.“In St. Ingbert fand ihre Familie eine neue Heimat.
Für die meisten der langjährigen Bewohner im Lebacher Lager ist Heimat immer noch ein unerreichbarer Sehnsuchtsort. Vor allem die Kinder wirken verloren, leben in zwei Welten. „Deshalb gehen alle sehr gerne zur Schule“, weiß Schulz. Es ist ihr Kontakt zur Außenwelt. Es sind denn auch die jungen und ganz jungen Bewohner, die im Fokus der Fotografin stehen. Ihnen spricht die Verunsicherung aus den Augen. Als Flüchtling führen sie ein Leben in ständiger Ungewiss- Stefanie Zofia
Schulz heit, sind sie als Asylbewerber abgelehnt, aber geduldet, quält sie die Angst vor der Abschiebung. Der Saarländische Flüchtlingsrat kritisiert in diesem Zusammenhang, dass die Lebacher Aufnahmestelle seit vielen Jahren „als Daueraufenthaltsstätte für Flüchtlinge zweckentfremdet wurde“, anstatt die Menschen auf die Kommunen zu verteilen. Das rächt sich jetzt.
Nicht wenige der Geduldeten haben Arbeit und auch der Gang zu Behörden und Anwälten verschlingt Zeit. Und doch ist es ein Leben im Wartestand. „Man wartet zum Beispiel auf den Briefträger“, sagt Schulz. Händigt der gelbe DIN-A4-Umschläge aus, sei dies oft die Ankündigung der Abschiebung. Von produktiver Langeweile keine Spur. Auf Schulzes Bildern sieht man immer wieder lethargisch wirkende Kinder oder Jugendliche ausgestreckt auf Matrazen oder auf dem Teppichboden liegen. „Matrazen und Teppiche, das sind die wichtigsten Möbelstücke.“Sie werden penibel gereinigt, denn auf ihnen spielt sich das Leben ab: Auf dem Boden wird gegessen, geschlafen, auch gefeiert. Stefanie Schulz hat viel Gastfreundschaft bei den Lebacher Familien erfahren, mit vielen hält sie heute noch Kontakt. „Einige haben auch endlich Papiere bekommen“, freut sie sich. „Es werden immer mehr.“
Ob es Überzeugungskraft brauchte, die Menschen vor die Kamera zu bekommen? „Mit den jungen arabischen Männern war es manchmal schwierig“, räumt die hübsche junge Frau mit den rotbraunen Haaren ein. Die raue, konflikträchtige Atmosphäre des Lagers beeinträchtige vor allem die jungen Mädchen und Frauen. „Sie werden von ihren Familien kaum aus dem Haus gelassen, weil man Angst um sie hat.“Drogen sind ein Thema, auch Gewalt.
Oft sind die Mädchen zu sehen, wie sie ihre Haare stylen – es wird auch mal mit dem Bügeleisen geglättet auf dem Boden. „Die Haare sind nicht nur für die muslimischen Frauen dort unglaublich wichtig. Sie sind ihr Eigentum.“
Wer in Lebach ankommt, hat meist alles verloren. Den Frauen – vor allem denjenigen, die Opfer von sexueller Gewalt wurden – bleibt oft nur ihr Stolz. Viele Familien wurden schon auf der Flucht auseinandergerissen, immer wieder wird getrennt abgeschoben – nach einem komplizierten Verfahren der Status-Klärung, das oft auf Kulanz, Glück und Zufall basiert, sagt Stefanie Schulz, die viele solche Geschichte gehört hat.
Aber es gibt ermutigende Momente: Wenn die Menschen Arbeit finden und sich selbst ernähren können, wenn die Kinder erfolgreich in der Schule sind. „Ich habe in Lebach viele meiner Vorurteile abgebaut.“