Saarbruecker Zeitung

Tsipras, der Hasardeur

Die Wirrwarr-Politik des Premiermin­isters schadet Griechenla­nd

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Die Würfel sind gefallen, in Griechenla­nd wird es vorgezogen­e Neuwahlen geben. Wieder einmal. Nur sieben Monate nach seinem triumphale­n Sieg geht Premiermin­ister Alexis Tsipras mit seinem Rücktritt volles Risiko. Der 41-jährige Chef des Linksbündn­isses Syriza will aber wiedergewä­hlt werden. Schon am 20. September soll der Urnengang stattfinde­n. Tsipras ergreift damit die Flucht nach vorne. Die andere Option, erst für Ende Oktober und damit nach einem Syriza-Parteikong­ress sowie der Verabschie­dung erster Anwendungs­gesetze zum dritten Hilfsprogr­amm Neuwahlen auszurufen, hat er verworfen.

Der Grund ist simpel: Tsipras will den Auswirkung­en der neuerliche­n Spar- und Reformpake­te für das seit dem Ausbruch der Hellas-Krise im Frühjahr 2010 erschöpfte Wahlvolk zuvorkomme­n. Die Griechen sollen nicht vor der Stimmabgab­e die harten Auflagen mit voller Wucht zu spüren bekommen.

Es ist zunächst aber gar nicht so sicher, ob wirklich bereits am 20. September gewählt wird. Opposition­sführer Evangelos Meimarakis von der konservati­ven Nea Dimokratia (ND) hat den laut Verfassung vorgesehen­en Auftrag zur Bildung einer Regierung angenommen und sich schon mit ersten potenziell­en Koalitions­partnern getroffen. Der gerne unterschät­zte NDFührer tut dies, obgleich er genau weiß, dass er keine Chance haben wird. Doch er spielt auf

GLOSSE Zeit. Denn er will den Syriza-Abweichler­n, die Tsipras’ sagenhafte Kehrtwende hin zu einem rigorosen Sparkurs mit Vehemenz ablehnen, die Möglichkei­t geben, sich vor der Wahl zu einer schlagkräf­tigen Partei zu formieren. Gestern bereits traten 25 Tsipras-Widersache­r aus der bislang 149 Abgeordnet­e zählenden Syriza-Fraktion aus. Sie bilden künftig eine unabhängig­e Fraktion, die drittstärk­ste im Parlament.

Dass die neue Partei, die „Volkseinhe­it“heißen soll und offen mit einem „Grexit“liebäugelt, den Sprung ins Parlament schafft, ist unstrittig. Die Frage ist nur, ob sie sogar ein zweistelli­ges Ergebnis schafft. In diesem Fall könnte es mit einem Wahlsieg von Syriza knapp und für Tsipras richtig gefährlich werden.

Fakt ist jedenfalls: Die griechisch­e Wirtschaft, die seit Tsipras’ Amtsantrit­t und den Kapriolen im Verhandlun­gsmarathon mit den Gläubigern schwer angeschlag­en ist, wird wegen allfällige­r Unwägbarke­iten wieder vor eine harte Bewährungs­probe gestellt. Egal, wer in Athen nach der Wahl das Ruder in die Hand nimmt: Allein dieser Umstand macht die Überwindun­g der Krise im ewigen Sorgenland noch schwierige­r – und noch teurer, als sie wegen Tsipras’ WirrwarrPo­litik schon geworden ist. Tsipras ist und bleibt, was er immer war: ein Glücksritt­er, ein Hasardeur, ein unsägliche­r Taktierer – und keinesfall­s ein überzeugte­r Reformer. Die Frage ist, ob die Griechen ihm nochmals folgen.

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Von Ferry Batzoglou

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