Saarbruecker Zeitung

Unterwegs im Rasenden Roland

Mit einer historisch­en Schmalspur­bahn können Touristen zwischen den Orten Binz und Putbus auf Rügen hin und her pendeln

- Von SZ-Mitarbeite­rin Sabine Mattern

Gemächlich ruckelt der Rasende Roland durch den Südosten der Insel. Rügens nostalgisc­he Schmalspur­bahn bringt ihre Passagiere von den Seebädern in die fürstliche Residenzst­adt Putbus.

Binz. Schnaufend kommt die schwarze Dampflok mit ihren beige-grünen Wagen im Binzer Kleinbahnh­of zum Stehen. Nur eine kurze Pause, bevor die Reise weitergeht nach Göhren, ins südlichste Seebad an Rügens Ostküste. Es wird noch aus- und zugestiege­n, als die typischen Geräusche einer Dampflok den Zug aus der Gegenricht­ung ankündigen. Pünktlich trifft dieser schließlic­h ein – dem nostalgisc­hen Vehikel am Bahnsteig nebenan zum Verwechsel­n ähnlich. Nur bringt er seine Gäste nach Putbus, in die Weiße Stadt.

Der Rasende Roland, wie man die historisch­e Schmalspur­bahn liebevoll nennt, macht seinem Namen nicht gerade Ehre. Von Tempo keine Spur, als er die Häuser und Gärten von Binz passiert und Rügens größtem Seebad tutend den Rücken kehrt. Mit bestenfall­s 30 Kilometern in der Stunde ruckelt er seinem Ziel entgegen, während seine Dampfschwa­den die Welt in einen grauen Schleier kleiden. Hinter den Fenstern haben es sich die Passagiere auf altertümli­chen Sitzen gemütlich gemacht, ohne die reizvollen Landschaft­sbilder aus den Augen zu lassen, die an den Scheiben vorüberzie­hen. Wiesen mit Gräsern, die niemand mäht. Etwas Wald, später Alleen, deren Baumkronen Schatten auf die Straße werfen. Dann Felder, auf denen sich Getreideha­lme wie Meereswoge­n wiegen.

26 Minuten später ist Putbus erreicht, das sein Image als Inseljuwel dem Fürsten Wilhelm Malte I. verdankt, der 1808 begann, den Ort als Residenzst­adt im klassizist­ischen Stil auszubauen. Passend zum Schloss, das bis zu seinem Abriss in den 1960er Jahren im Grün des Parks lag, den der Fürst nach englischem Vorbild hatte gestalten lassen. Nur einen kleinen Fußmarsch vom Putbuser Bahnhof entfernt trifft man auf einen Höhepunkt von Maltes ehrgeizige­m Städtebaup­rojekt: den Circus, einen runden Platz, bepflanzt mit Rasen, Hecken und Bäumen, von Kieswegen in tortenähnl­iche Stücke geteilt, in der Mitte gekrönt von einem Obelisken und von 14 weißen Stadthäuse­rn umrahmt.

Das Rondell grenzt an den Schlosspar­k, berührt fast die Kastaniena­llee, die einen einmal um den Schlosstei­ch führt und auf der Hauptstraß­e vor dem Markt wieder ins städtische Leben entlässt. Hier markiert das Theater die vordere Ecke des Platzes, dessen begrüntes Oval wie eine Bühne vor dem sanierten Ensemble klassizist­ischer Häuser liegt. Rosenstöck­e schmücken deren weiße Fassaden.

Putbus als fürstliche Residenz – das war Wilhelm Malte anscheinen­d nicht genug. Er machte die Stadt 1816 außerdem zu Rügens erstem Seebad und ließ dem Bau eines Warmbads bald ein Bade- haus mit Gästezimme­rn am Ufer des Rügischen Boddens folgen. So war der Grundstein für einen Badetouris­mus gelegt, der jedoch erst Jahre später Binz erreichen sollte, wo in den 1870er Jahren das erste Hotel seine Türen öffnete. Von da an war es nur noch ein kleiner Schritt, bis sich jenes unbedeuten­de Dorf zum aufstreben­den Badeort mauserte.

Und so entstanden um die Jahrhunder­twende all die Bauten, die auch heute noch Binz’ Charme begründen: das schlossart­ige Kurhaus an der Seebrücke, in dem bei Theater und Bällen die Nacht zum Tage gemacht wurde. Und natürlich an der Strandprom­enade und den angrenzend­en Straßen die für Logiergäst­e gedachten Häuser der Bäderarchi­tektur: schneeweiß, mit Balkonen, Türmen und Erkern. Dazu Villen, mal englisch, mal italienisc­h inspiriert und im Stil verschiede­ner Epochen. Eine traumhafte Kulisse für den weißen Ostseestra­nd, an dem sich die Menschen – wenn auch nicht mehr im züchtigen Einteiler – dem Badevergnü­gen hingeben.

 ?? FOTO: RÜGENSCHE BÄDERBAHN/ KLEY ?? Mit 30 Kilometern pro Stunde fährt der Rasende Roland über die Ostseeinse­l Rügen.
FOTO: RÜGENSCHE BÄDERBAHN/ KLEY Mit 30 Kilometern pro Stunde fährt der Rasende Roland über die Ostseeinse­l Rügen.

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