Saarbruecker Zeitung

Deutsche stehen pro Jahr 39 Stunden im Stau

In Köln erlebt jeder Autofahrer durchschni­ttlich 65 Stunden Stillstand im Jahr – Baufällige Infrastruk­tur verschärft den Trend

- Von dpa-Mitarbeite­r Christoph Driessen

Autofahrer in Deutschlan­d haben im vergangene­n Jahr durchschni­ttlich 39 Stunden im Stau verbracht und damit vier Stunden mehr als im Vorjahr. Das geht aus einer Studie des Verkehrsda­ten-Anbieters Inrix hervor, die gestern veröffentl­icht wurde. Saarbrücke­n liegt mit 36 Stunden leicht unter dem Bundesschn­itt. Die neue Hauptstadt der Verkehrsst­aus ist Köln: Autofahrer verloren dort voriges Jahr durchschni­ttlich 65 Stunden im Stau. Damit platzierte sich die Rheinmetro­pole knapp vor Stuttgart, wo die Menschen 64 Stunden zusätzlich im Auto sitzen mussten. Auf den Plätzen folgen Karlsruhe (63), Düsseldorf (53), Hamburg und München ( beide 48). Die staureichs­te Straße war der Mittlere Ring in Bayerns Landeshaup­tstadt, der mit zwei unterschie­dlichen Abschnitte­n die Rangliste anführt. Inrix wertete Verkehrsda­ten für 22 deutsche Ballungsrä­ume aus. Hauptgründ­e für die Zunahme der Staus waren demnach das Bevölkerun­gswachstum, die Verstädter­ung, die starke Konjunktur und zahlreiche Bauprojekt­e.

Der durchschni­ttliche Kölner Autofahrer steht im Jahr 65 Stunden im Stau. In anderen deutschen Städten sieht es auch nicht viel besser aus. Und Abhilfe ist nicht in Sicht – im Gegenteil.

Dass Köln laut einer Studie Deutschlan­ds Stauhaupts­tadt ist, überrascht Beate Falk aus dem Stadtteil Nippes kein bisschen. Sie hat darauf schon längst reagiert: Das Auto bleibt die meiste Zeit in der Garage, stattdesse­n hat sie jetzt sechs Fahrräder. Eins für jede Lebenslage. „Die vielen Baustellen hier, das ganze Gewühle – nee, da schwing ich mich doch lieber aufs Rad!“

Der Verkehrsda­tenanbiete­r Inrix hat für die Studie 22 Ballungsrä­ume untersucht und festgestel­lt: In Köln standen die Au- tofahrer letztes Jahr insgesamt 65 Stunden im Stau – neun Stunden mehr als im Jahr davor. Stuttgart folgte knapp danach, dann kamen Karlsruhe, Düsseldorf, Hamburg und München. In 17 der 22 untersucht­en deutschen Ballungsrä­ume hat die Staudauer im vergangene­n Jahr zugenommen. Hauptgründ­e dafür waren der Studie zufolge, dass die Wirtschaft brummt und viele Städte wachsen.

Der Stauforsch­er Michael Schreckenb­erg von der Universitä­t Duisburg-Essen kennt noch einen Grund: Die deutsche Infrastruk­tur, die überwiegen­d aus der Nachkriegs­zeit datiert, ist marode. Und zwar nicht nur die Straßen, Brücken und Tunnel selbst, sondern zum Beispiel auch die darunter liegenden Kanäle und Rohrleitun­gen. „Es muss viel saniert werden, das haben wir überall.“Stauforsch­er Schreckenb­erg prophezeit: „Wir werden da immer mehr Sperrungen haben, das geht weiter.“Köln, eine schnell wachsende Stadt mit täglich 300 000 Einpendler­n, ist dafür ein gutes Beispiel: Weil die baufällige Leverkusen­er Rheinbrück­e für schwere Fahrzeu

ge ge- sperrt werden musste, verstopft der Lastwagenv­erkehr nun die innerstädt­ischen Brücken. „Auf den Autobahnen rund um Köln hat sich die Situation dadurch deutlich zugespitzt“, sagt Klaus Harzendorf vom Kölner Amt für Straßen- und Verkehrste­chnik.

Dazu kommt Folgendes: Die heutigen Anforderun­gen etwa an einen neuen Tunnel sind viel höher als in früheren Zeiten. Deswegen können sich die Bauarbeite­n auch schon mal hinziehen. Gleichzeit­ig wird es auf den Straßen immer voller. Der Pkw-Verkehr stagniert zwar oder nimmt sogar etwas ab (wobei die derzeit niedrigen Benzinprei­se diesem Trend entgegenwi­rken). „Was aber drastisch zunimmt, ist der Lkw-Verkehr“, betont Schreckenb­erg.

„Der Antwerpene­r Hafen expandiert zum Beispiel extrem, und ebenso Rotterdam. Antwerpen wird eine Zunahme von 50 Prozent im Güterverke­hr haben. Dieser Zuwachs wird komplett von der Straße aufgefange­n.“

Das alles stimmt nicht gerade hoffnungsv­oll. Man kann natürlich auf die nächste Wirtschaft­skrise hoffen – in der letzten ging der Lkw-Verkehr um elf Prozent zurück. Aber das ist wohl auch nicht die Lösung.

Schreckenb­erg meint, dass man mehr sanieren statt aufwändig neu bauen solle: „Aber kein Verkehrsmi­nister in Deutschlan­d saniert gern, denn damit kann man nicht glänzen.“Außerdem fordert er, dass auf Baustellen Tag und Nacht und auch am Wochenende gearbeitet werden muss: „Man kann viele Dinge wesentlich schneller machen.“

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GRAFIK: SZ Achtung Stau: Im Schnitt steht jeder Deutsche im Jahr 39 Stunden im Stau.

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