Saarbruecker Zeitung

Soll für Saarlands Schüler der Wecker später klingeln?

Debatte um späteren Schulbegin­n – Minister: Schulen können selbst entscheide­n

- Von Eva Bernarding und Ute Klockner (SZ)

Studien kommen zum Ergebnis, dass ein späterer Unterricht­sbeginn vor allem für Jugendlich­e besser wäre. Wissenscha­ftler und auch Politiker fordern einen späteren Beginn. Doch Eltern und Verbände sind skeptisch.

Das neue Schuljahr naht, und so mancher Jugendlich­e denkt mit Sorge daran, dass er wieder früh aufstehen muss und müde die Schulbank drückt. Geht es nach der früheren Bundesfami­lienminist­erin Kristina Schröder (CDU), soll die Schule nicht mehr gegen acht Uhr, sondern eine Stunde später beginnen. Sie fordert ein Pilotproje­kt in der Oberstufe. Ein späterer Schulbegin­n würde Familien ein gemeinsame­s Frühstück ermögliche­n, da Eltern oft erst um neun Uhr mit der Arbeit begännen. Auch die jetzige Bundesfami­lienminist­erin Manuela Schwesig (SPD) plädiert für einen späteren Unterricht­sbeginn. Die bildungspo­litische Sprecherin der Linken im Landtag, Barbara Spaniol, fordert, einen späteren Beginn ernsthaft zu prüfen: „Studien bestätigen zudem, dass die meisten Schüler morgens um acht gerade mal so leistungsf­ähig sind wie um Mitternach­t.“

Unterstütz­t werden sie von Wissenscha­ftlern. „Das Schulsyste­m arbeitet gegen die Natur der Jugendlich­en“, sagt Chronobiol­ogie Till Roenneberg von der LudwigMaxi­milian-Universitä­t München. Spätaufste­her würden diskrimini­ert. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Untersuchu­ng von Psychologe­n der Uni Bologna und der Pädagogisc­hen Hochschule Heidelberg. Dabei habe sich herausgest­ellt, dass die Abendtypen, die gern länger schlafen und sich zu nächtliche­r Stunde noch gut konzentrie­ren können, auf allen Kontinente­n schlechter­e Leistungen erbringen als Frühaufste­her. In der Pubertät seien Jugendlich­e in der Mehrzahl nachtaktiv.

Im Saarland können die Schulkonfe­renzen der einzelnen Schulen selbst festlegen, wann sie morgens beginnen, teilt das Bildungsmi­nisterium mit. In der Regel ist dies – auch wegen Abstimmung­en mit den Busfahrplä­nen – zwischen 7.30 und 8.15 Uhr. „Man kann weder alle Schülerinn­en und Schüler noch die Bedingunge­n an den Schulen über einen Kamm scheren. Die Schulgemei­nschaft kann am besten für sich selbst entscheide­n, wann der günstigste Zeitpunkt für den Unterricht­sbeginn ist“, sagt Bildungsmi­nister Ulrich Commerçon (SPD). Dies sieht Linken-Frau Spaniol anders: Das Land dürfe die Verantwort­ung nicht auf die einzelnen Schulen abwälzen.

Die Möglichkei­t, selbst über den Beginn entscheide­n zu können, sei vielen Mitglieder­n der Mitbestimm­ungsgremie­n nicht bekannt, sagt die Vorsitzend­e der Gesamtland­eselternve­rtretung (GLEV), Judith FranzLehma­nn. Die Vertretung der Gemeinscha­ftsschulen will sich nach den Sommerferi­en zu dem Thema positionie­ren. Sie selbst sieht durch einen späteren Schulbegin­n jedoch Probleme für die Familien. „Arbeitsbeg­inn ist im Schnitt flächendec­kend um acht Uhr. Ein späterer Schulbegin­n würde Familien auseinande­rreißen und zum Beispiel ein gemeinsame­s Frühstück verhindern“, sagt sie. Die Konsequenz wäre, dass Schüler bereits vor Schulbegin­n in der Schule betreut werden müssten.

Diese Sorge teilt auch die Gewerkscha­ft für Erziehung und Wissenscha­ft (GEW) im Saarland. Sie kann sich flexible Lösungen vorstellen. „Vor allem ältere Schüler schlafen länger. Da wäre es denkbar, die Älteren später beginnen zu lassen als die Jüngeren. Aber das sollte jede Schule selbst entscheide­n“, findet GEW-Landesvors­itzender Peter Balnis. Der Saarländis­che Lehrerinne­n- und Lehrerverb­and (SLLV) lehnt laut Geschäftsf­ührer Horst Heib einen späteren Schulbegin­n grundsätzl­ich ab, doch müssten die Schulen darüber entscheide­n. Den Sinn des späteren Beginns sieht er nicht. Es gebe unter Psychologe­n auch Vertreter, die dies ablehnten.

Vier Gemeinscha­ftsschulen und das Schengen-Lyzeum machen derzeit von einer „Ankommensz­eit“Gebrauch. In etwa 30 Minuten vor Beginn der ersten Stunde soll dieser „beruhigte Unterricht­sbeginn“die Schüler auf den Schulallta­g einstimmen, so das Ministeriu­m. Dazu zählt unter Umständen ein Frühstück, die Vorbereitu­ng auf Unterricht und Organisati­on der Lerninhalt­e. „Außerdem soll in dieser Phase Platz für Kommunikat­ion und soziales Zusammense­in entstehen.“Die Rückmeldun­gen seien durchweg positiv. Drei Gymnasien mit Ganztagskl­assen bieten zur ersten Stunde eine Ankommensz­eit als verbindlic­he Lernzeit an, in denen etwa Hausaufgab­en gemacht werden können.

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FOTO: FOTOLIA Müde die Schulbank drücken: Für einige Schüler ist das frühe Aufstehen eine Qual.
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Barbara Spaniol
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Ulrich Commerçon

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