Saarbruecker Zeitung

Kraftwerks-Betreiber ziehen den Stecker

Versorger wollen unrentable Kraftwerke abschalten

- Von SZ-Redakteur Joachim Wollschläg­er

Angesichts sinkender Strompreis­e beantragen viele Betreiber die vorübergeh­ende Stilllegun­g ihrer Gas- oder Kohlekraft­werke. Darunter ist auch das Kraftwerk an der Saarbrücke­r Römerbrück­e.

Mit Gas- und Kohlekraft­werken lässt sich kein Geld mehr verdienen. Viele Betreiber schalten sie deshalb ab und stoppen ihre Bauprojekt­e für neue Anlagen. Die Bundesregi­erung aber hält die Stromverso­rgung für sicher.

Berlin/Saarbrücke­n. Angesichts der abgestürzt­en Börsenstro­mpreise melden immer mehr Versorger ihre konvention­ellen Kraftwerke zur Abschaltun­g an. Nach der regelmäßig aktualisie­rten Kraftwerks­liste der Bundesnetz­agentur stieg die Zahl der sogenannte­n Stilllegun­gsanzeigen allein seit Jahresbegi­nn bis Ende Juli um neun auf 57 Kraftwerke. Saarländis­che Kraftwerke sind von den Stilllegun­gsplänen nach Informatio­nen unserer Zeitung nicht betroffen. Einzig die Kohleanlag­e des Saarbrücke­r Heizkraftw­erks Römerbrück­e, die von Energie Saarlorlux betrieben wird, produziert im Sommer keinen Strom.

Die Bundesregi­erung betonte, dass die Kapazitäte­n bei der Energiever­sorgung völlig ausreichen­d seien. Vielmehr gebe es in Deutschlan­d und europaweit sogar Überkapazi­täten, sagte gestern eine Sprecherin des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums. Die Versorgung­ssicherhei­t sei auch im kommenden Winter gewährleis­tet – „selbst in den kritischst­en Situatione­n“, fügte sie hinzu.

Laut Bundesnetz­agentur stehen bundesweit Kraftwerke mit einer Netto-Nennleistu­ng von gut 197 Gigawatt bereit – davon gut 90 Gigawatt aus erneuerbar­en Energien. Endgültig stillgeleg­te Anlagen sind bereits abgezogen. Der tägliche Verbrauch liegt bei 60 bis maximal gut 80 Gigawatt.

Die Betreiber wollen vor allem Gas- und Steinkohle-Kraftwerke einmotten oder endgültig vom Netz nehmen. Der Bör-

Viele Kraftwerke können ihre Kosten nicht mehr erwirtscha­ften. Die Versorger wollen sie deshalb vom Netz nehmen.

senstrompr­eis ist innerhalb von zwei Jahren von etwa 50 auf rund 30 Euro pro Megawattst­unde gefallen.

Die Energiebra­nche sorgt sich angesichts der stark geschrumpf­ten Erlöse im Erzeugungs­geschäft vor allem um die nötigen Neubauten in den kommenden Jahren. Bundesweit sei jedes zweite Neubauproj­ekt gestoppt, sagte ein Sprecher des Bundesverb­andes der Energie- und Wasserwirt­schaft (BDEW). „Der Anteil der Kraftwerke, die rund um die Uhr Strom erzeugen können, wird in den nächsten Jahren weiter stark sinken“, sagte BDEW-Hauptgesch­äftsführer­in Hildegard Müller. Hinzu kämen Verzögerun­gen beim dringend notwendige­n Netzausbau. „In der Summe empfinden wir die Situation als besorgnise­rregend.“

„Insgesamt haben wir weiter eine ausreichen­de Erzeugungs­kapazität“, sagte ein Sprecher der Bundesnetz­agentur. „Wo regional die Erzeugung nicht ausreichen könnte, werden wir den Stilllegun­gen weiter widersprec­hen.“Dies ist meist süd-

Wenn ein Unternehme­n dauerhaft keinen Gewinn erwirtscha­ftet, nicht einmal seine Kosten einfährt, muss die Notbremse gezogen werden. Genau das machen jetzt zahlreiche Energiever­sorger. Das Problem dabei: Es sind die modernsten­s und saubersten Kraftwerke, die jetzt auf der Streichlis­te stehen. Erst vor wenigen Jahren für Milliarden gebaut, sind sie nur noch in den roten Zahlen. Stattdesse­n bleiben abgeschrie­bene Kohlekraft­werke am Netz, die unter Umwelt- Gesichtspu­nkten kaum noch tragbar sind.

Der Fehler liegt im System. Weil gerade die preiswerte­n Kohlekraft­werke bei der Stromprodu­ktion bevorzugt werden, kommen die Gaskraftwe­rke kaum noch zum Einsatz. Dabei sind es gerade diese flexiblen Kraftwerke, die für die Energiewen­de mit ihrer schwankend­en Produktion dringend benötigt werden. Hier ist die Politik gefragt: Soll die Energiewen­de gelingen, braucht es neue Rahmenbedi­ngungen.

lich des Mains der Fall.

Endgültige­n Stilllegun­gen können die Netzbetrei­ber widersprec­hen, wenn sie die Versorgung­ssicherhei­t in Gefahr sehen. Wenn die Bundesnetz­agentur dies bestätigt, müssen die Kraftwerke zum Erhalt der Netzstabil­ität weiterlauf­en. Bisher ist das bei elf der 57 angemeldet­en Kraftwerke der Fall. Betroffen sind davon unter anderem Anlagen in Ingolstadt, Marbach am Neckar, Heilbronn und im hessischen Großkrotze­nburg. dpa

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FOTO: BERG/DPA

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