Der Pionier der „Kultur für alle“
Hilmar Hoffmann zum 90. Geburtstag
Er gilt als der profilierteste Kulturpolitiker im Nachkriegsdeutschland. Hilmar Hoffmann, der die Losung der „Kultur für alle“erfunden hat, war 20 Jahre lang Frankfurter Kulturdezernent. In dieser Zeit entstand – unter anderem – das Frankfurter Museumsufer
Frankfurt. Nein, Hilmar Hoffmann denkt nicht daran, sich aufs Altenteil zurückzuziehen. Heute wird er 90 Jahre alt und kehrte vor gut einem Jahr noch einmal an den Ort zurück, an dem seine Karriere begann: zu den Kurzfilmtagen nach Oberhausen. Hoffmann, der 20 Jahre Kulturdezernent der Stadt Frankfurt und neun Jahre Präsident der Goethe-Institute war, hatte das Festival 1954 gegründet. Mit dem jetzigen Leiter der Kurzfilmtage Oberhausen, Lars Henrik Gass, diskutierte er über die Anfänge des Festivals, erzählte, wie es sich um eine Öffnung gegenüber den sozialistischen Ländern Osteuropas bemühte. Ein anekdotenreiches Gespräch mit Einblicken, wie die Politik jener Jahre funktionierte, als Verabredungen noch mit einem Handschlag besiegelt wurden. Nach wie vor schreibt Hoffmann Bücher, etwa über die Frankfurter Oberbürgermeister oder über „Frankfurts starke Frauen“. Zu Wort meldet er sich allerdings nicht mehr so oft wie früher, als Streitgespräche mit ihm legendär waren. Er sei „milde geworden“, hat er einmal der „FAZ“gesagt.
Der gebürtige Bremer hat die Losung von der „Kultur für alle“erfunden. In Frankfurt steht der Name Hilmar Hoffmann für eine Kulturpolitik zwischen 1970 und 1990, die wegweisend für viele andere Städte war. In ihr findet sich viel von der Aufbruchstimmung der 1960er Jahre. Seine Politik stand für eine Demokratisierung der Kultur. Hoffmann hat sich schon als Frankfurter Kulturdezernent immer geweigert, eine allzu simple Kosten-NutzenRechnung aufzustellen.
Dem Film stand er am nächsten. Hoffmann hat immer wieder über das Kino geschrieben, über den NS-Film etwa, und hat auch Dokumentationen zum aktuellen Film gedreht. Fünf Jahre war er Kulturverantwortlicher in Oberhausen, und als er 1970 sein Amt als Kulturdezernent der Stadt Frankfurt antrat, begann er dies mit einem Paukenschlag: Er gründete das erste „Kommunale Kino“in der BRD und setzte das auch gerichtlich gegen die gewerblichen Kinobesitzer durch.
Hilmar Hoffmann, der heute den 90. feiert.
Die zwei Jahrzehnte in Frankfurt ließen ihn zum profiliertesten Kulturpolitiker der deutschen Nachkriegsgeschichte werden, einen Mann mit Visionen, der Ideen aufgriff, sie aber auch politisch umsetzen konnte. 15 Museen oder Ausstellungshäuser wurden in seiner Zeit neu errichtet oder umgebaut, er installierte das Museumsufer, eine Kette von Museumsbauten. Die Frankfurter Oper wurde in seiner Zeit zum vielleicht wichtigsten Regie-Musiktheater. Hoffmann integrierte die alternative Kultur und verschaffte ihr mit dem MousonTurm einen geeigneten Spielort.
Aber Hoffmann war nie ein Populist, ein Volkstümler. Er hat sich nicht angebiedert und es auch in seiner Partei, der SPD, nicht immer leicht gehabt. Wegen Differenzen mit dem damaligen Oberbürgermeister Volker Hauff (SPD) schied er 1990 freiwillig aus dem Amt, obwohl er bis 1994 gewählt worden war.
Sein erstes großes programmatisches kulturpolitisches Buch hieß „Kultur für alle“(1979), und hinter dieser modernen Losung steckte auch die alte zutiefst sozialdemokratische Vorstellung von der Eroberung der Höhen der bürgerlichen Kultur. Den Folgeband „Kultur für morgen“schrieb er dann 1985 schon im Angesicht der konservativen Wende.
Von 1993 bis 2002 war der Vater von zwei Kindern Präsident des Goethe-Instituts, das deutsche Kultur im Ausland vermitteln soll. Die Losung von der „Kultur für alle“bekam mit der Arbeit der Goethe-Institute eine neue Dimension. Ihm ging es nicht um die Repräsentation einer „Nationalkultur“– Kulturpolitik, hat er einmal gesagt, sei „der Schlüssel für alle Friedensbemühungen überhaupt“.