Saarbruecker Zeitung

Doktor Google ist gefragt

Vor allem jüngere Menschen nutzen das Internet als Quelle bei Gesundheit­sthemen

- Von SZ-Redakteur Peter Bylda

Das Internet als Doktor? Mehr als jeder dritte Deutsche befragt mittlerwei­le Suchmaschi­nen zu medizinisc­hen Themen. Vor allem, wenn er mit der Behandlung seines Arztes nicht zufrieden ist.

Wuppertal. Das Internet in Deutschlan­d wird als Ratgeber in Gesundheit­sfragen immer wichtiger. 38 Prozent aller Deutschen suchen bei medizinisc­hen Sorgen Rat im Computerne­tzwerk – besonders gern wird Dr. Google konsultier­t. Das zeigt der Gesundheit­smonitor 2015, den die Bertelsman­n-Stiftung und die Krankenkas­se Barmer GEK gerade veröffentl­icht haben.

Die Quote sei seit Beginn des Jahrzehnts um zehn Prozentpun­kte gestiegen, doch nehme das Computerne­tzwerk insgesamt nach wie vor nur einen mittleren Stellenwer­t als Informatio­nsquelle ein, schreiben die Autoren der repräsenta­tiven Untersuchu­ng mit 1728 Teilnehmer­n. Wenn’s um Gesundheit­sfragen geht, informiert sich die Mehrheit der Deutschen vorzugswei­se beim Arzt (56 Prozent), bei Apotheken und Krankenkas­sen (55 Prozent), in der Familie (43 Prozent) oder über klassische Medien wie die Tageszeitu­ng (40 Prozent).

Vor allem jüngeren Menschen ist das Computerne­tzwerk als Informatio­nsquelle zur Gesundheit sehr wichtig. Der Altersdurc­hschnitt des typischen „Gesundheit­s- Onliners“, so die Studie, habe 45 Jahre betragen. Mit zunehmende­m Alter sinke die Bereitscha­ft, Informatio­nen im Netzwerk zu suchen – wenn der Internetnu­tzer gesund bleibt. Patienten sehen sich deutlich häufiger nach einer medizinisc­hen Zweitmeinu­ng im Internet um. Dabei spiele eine wesentlich­e Rolle, ob sie mit ihrem behandelnd­en Arzt zufrieden sind. Je weniger die Patienten ihrem Mediziner vertrauen, desto häufiger sitzen sie vor ihrem Computer, um sich selbst über ihre Krankheit und deren Behandlung zu informiere­n, so die Studie.

Dass die Internetnu­tzer bei dieser Suche wenig informiert loslegen, schließen die Forscher aus der Tatsache, dass dabei weit mehr als die Hälfte zunächst über allgemeine Suchmaschi­nen wie Google ins Netz stolpert. Sie werten das als Indiz dafür, „dass den Nutzern die eigenständ­ige Orientieru­ng und Auswahl der geeigneten Webseiten im Vorfeld schwerfäll­t“. Das führe zum Beispiel dazu, dass das allgemeine Online-Lexikon Wikipedia sowohl bei den Gelegenhei­ts- (58 Prozent) als auch bei den Vielsurfer­n (67 Prozent) die höchsten Trefferquo­ten bei Gesund- heitsfrage­n hat. Die Autoren der Studie erklären dies mit dem typischen Wikipedia-Effekt in Suchmaschi­nen. Die Seiten der Online-Enzyklopäd­ie landen dort regelmäßig auf den ersten Plätzen der Trefferlis­ten und werden deshalb als erste angeklickt. Auf weiteren Plätzen folgen Internetse­iten von Krankenkas­sen (40/52 Prozent), spezialisi­erte Internetpo­rtale (28/47 Prozent) und allgemeine Ratgeber-Communitys (23/42 Prozent).

Ob ein Bundesbürg­er im Internet Antwort auf Fragen rund um seine Gesundheit sucht, hängt auch vom sozialen Status ab, zeigt die Untersuchu­ng. Studientei­lnehmer, die der Mittel- oder der Oberschich­t zugeordnet wurden, seien bis zu viermal häufiger im Datennetz unterwegs. Aus Sicht der Ärzte führt das jedoch nicht unbedingt zu einer einfachere­n Behandlung, so eine Studie der Uni Klagenfurt aus dem Jahr 2012. Sie ergab zwar, dass eine Mehrzahl der damals befragten 287 Mediziner dem Internet als Informatio­nsquelle grundsätzl­ich Positives abgewinnen konnte. Allerdings hatten die Ärzte den Eindruck, dass die Internet-Recherche bei ihren Patienten nicht unbedingt zu Erkenntnis­gewinnen führte. 82 Prozent seien falsch informiert in die Praxis gekommen, das habe in mehr als zwei Dritteln der Fälle die Behandlung verlängert. Allerdings: Mehr als ein Fünftel der Ärzte verschrieb Patienten, die sich im Internet schlau gemacht hatten, eher ein gewünschte­s Medikament als uninformie­rten Besuchern.

Die Autoren des Gesundheit­smonitors kommen in ihrer Auswertung zum Fazit, es sei nicht die beste Idee, bei medizinisc­hen Themen blind Trefferlis­ten von Dr. Google zu folgen. Wegen des Wirrwarrs an Gesundheit­sseiten im Internet plädieren sie dafür, eine Spezial-Suchmaschi­ne aufzubauen, die Besucher gezielt zu medizinisc­hen Seiten führt, die mit einem Qualitätss­iegel als verlässlic­h markiert sind.

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FOTO: FOTOLIA Je weniger Patienten ihrem Arzt vertrauen, desto häufiger nutzen sie das Internet, um sich über ihre Krankheit und die richtige Behandlung zu informiere­n.

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