Saarbruecker Zeitung

Firmen verdienen an Flugzeug-Verspätung­en

Airlines verweigern oft Entschädig­ungen – Juristisch­e Dienstleis­ter, aber auch Verbrauche­rschützer bieten Hilfe

- Von SZ-Korrespond­entin Mirjam Moll

Bei längeren Verspätung­en stehen Fluggästen Entschädig­ungen zu. Spezialisi­erte Dienstleis­tungsfirme­n treiben immer häufiger die Forderunge­n ein.

Der Urlaub ist vorbei, aber nicht alles lief gut. Bei unpünktlic­hen Flügen stehen Reisenden Entschädig­ungen zu. Doch oft drücken sich Airlines um Zahlungen. Längst ist daraus ein Geschäftsm­odell entstanden.

Brüssel. Verspätete Flüge, verpasste Anschlussv­erbindunge­n oder eine unfreiwill­ige Übernachtu­ng im Flughafenh­otel wegen eines annulliert­en Fluges: Im Durchschni­tt haben drei von 1000 Verbindung­en mehr als vier Stunden Verspätung. Dafür steht betroffene­n Passagiere­n eine Entschädig­ung zu. Doch nicht selten versuchen Fluglinien, ihre Pflicht zu umgehen. Wer sich selbst um eine Entschädig­ung bemüht, wird oft abgewiesen. Ein Beispiel: Ein Flug von Rio de Janeiro nach Madrid fällt wegen eines technische­n Defekts aus. Die Passagiere können erst am Folgetag mit einer Ersatz- maschine fliegen. Ein Fluggast verpasst deshalb einen wichtigen Geschäftst­ermin und fordert eine Entschädig­ung. Die spanische Fluglinie lehnt dies ab und verweist auf „einen außergewöh­nlichen Umstand“. Anders als für Unwetter oder Streiks tragen Fluggesell­schaften aber für technische Fehler selbst die Verantwort­ung, wie mehrere Gerichtsur­teile bestätigen. „Das sind keine außergewöh­nlichen Umstände“, sagt Andrea Sack vom Europäisch­en Verbrauche­rzentrum in Kehl. Das Zentrum übernimmt Fälle von Passagiere­n, die sich erfolglos an ihre Fluggesell­schaft gewandt haben – kostenfrei. Eine weitere Möglichkei­t liegt in der Schlichtun­gsstelle für öffentlich­en Personenve­rkehr. Der Verein arbeitet honorarfre­i, kann aber nur tätig werden, wenn die betroffene Airline zu den Mitglieder­n gehört.

Doch bis Geld fließt, müssen Passagiere meist lange warten. „Die Fluggesell­schaften spielen oft auf Zeit, in der Hoffnung, dass die geprellten Fluggäste irgendwann aufgeben“, sagt Sack. Denn die Entschädig­ungen können die Airlines pro Passagier bis zu 600 Euro kosten. Der Höchstsatz wird fällig, wenn ein interkonti­nentaler Flug über vier Stunden Verspätung hat. Bei 1500 Kilometern Flugstreck­e und ab drei Stunden Verspätung müssen die Fluggesell­schaften 250 Euro pro Passagier bezahlen, bei 3000 Kilometern sind es bereits 400 Euro.

Passagiere müssen ihr Recht einfordern. Gegebenenf­alls wird ein Rechtsanwa­lt notwendig. In Einzelfäll­en ziehen sich die rechtliche­n Auseinande­rsetzungen um Entschädig­ungen bis zu drei Jahre hin. „Da können schon mal 10 000 Euro an Anwalts- und Gerichtsko­sten zusammenko­mmen“, erklärt Hendrik Noorderhav­en. Der Niederländ­er ist Gründer und Geschäftsf­ührer des Dienstleis­ters EU Claim, der sich auf Fluggastre­chte spezialisi­ert hat. Mehr als 35 000 Fälle hat seine Firma in den vergangene­n drei Jahren bearbeitet. Gewinnt der Dienstleis­ter den Rechtsstre­it, behält er 22,5 Prozent der Entschädig­ung ein – zuzüglich Mehrwertst­euer. Der deutsche Konkurrent Flightrigh­t verlangt 25 Prozent. Im Gegenzug entstehen dem Kunden keine Kosten, wenn der juristisch­e Dienst den Fall verliert. Verbrauche­rschützeri­n Sack bedauert, dass es solche Firmen überhaupt gibt: „Sie sind aus Notwendigk­eiten entstanden, die es gar nicht geben dürfte.“

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FOTO: CHARISIUS/DPA Erst ist der Ärger groß, wenn man wegen eines verspätete­n Flugs lange warten muss. Dann gibt es oft neuen Ärger, wenn Passagiere von der Airline eine Entschädig­ung verlangen.

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