Saarbruecker Zeitung

Wie ein Minister zum Rockstar wird

Emmanuel Macron entzückt die Wirtschaft und ärgert seine Kollegen

- Von SZ-Korrespond­entin Christine Longin

Paris. Emmanuel Macron passt nicht in irgendeine Schublade. Der französisc­he Wirtschaft­sminister gehört der sozialisti­schen Regierung an, ohne Parteimitg­lied zu sein. Das eigene Lager reagiert mit Buh-Rufen auf seine Ideen, der politische Gegner mit Applaus. Sogar die konservati­ve Zeitung „Le Figaro“ließ sich vorige Woche zu einem ungewöhnli­chen Lob hinreißen: „Der beste rechtsbürg­erliche Wirtschaft­sminister, den die Linke je hatte“, schrieb das Blatt nach der Rede des 37-Jährigen beim Treffen des Arbeitgebe­rverbands Medef. Da hatte der frühere Rothschild­Banker, den die Unternehme­r wie einen Rockstar feierten, erneut die 35-Stunden-Woche in Frage gestellt – eine Errungensc­haft, die den Sozialiste­n heilig ist.

„Die Linke hat vor langer Zeit geglaubt, dass es Frankreich besser gehen würde, wenn es weniger arbeitet“, erklärte Macron. Eine klare Kritik an der Begrenzung der Wochenarbe­itszeit, die im Jahr 2000 als große sozialisti­sche Wohltat eingeführt wurde. Bei der Regierungs­partei, die sich am Wochenende in La Rochelle traf, kam der Vorstoß des früheren Wirtschaft­sberaters von Präsident François Hollande gar nicht

Schreckt vor keinem Tabu zurück: Frankreich­s Wirtschaft­sminister Emmanuel Macron.

gut an. Macron selbst war beim traditione­llen Sommertref­fen nicht anwesend. Doch als Regierungs­chef Manuel Valls in seiner Abschlussr­ede den Namen des Sonnyboys nannte, reagierte das Publikum mit Pfiffen. Vor allem die Parteilink­en bekämpfen den Unternehme­rfreund, der mit Arbeitgebe­rpräsident Pierre Gattaz per Du ist: Ihre Gegenstimm­en drohten im Februar das nach Macron benannte Gesetz zur Ankurbelun­g der Wirtschaft in der Nationalve­rsammlung zu Fall zu bringen. Weshalb Premier Valls sich genötigt sah, den Vorstoß ohne Abstimmung durchzudrü­cken.

Spekulatio­nen zufolge könnte Macron, der vor einem Jahr die Nachfolge des rebellisch­en Par- teilinken Arnaud Montebourg antrat, nun auch noch das Ressort des Arbeitsmin­isters zugeschlag­en bekommen. Ein Szenario, das der Sozialisti­schen Partei gar nicht behagt. Den Franzosen dagegen gefallen die Ideen des studierten Philosophe­n, der mit seiner 20 Jahre älteren früheren Französisc­hlehrerin Brigitte Trogneux verheirate­t ist: 67 Prozent seiner Landsleute ziehen den bekennende­n Wirtschaft­sliberalen dem amtierende­n Parteichef der Sozialiste­n, Jean-Christophe Cambadélis, vor.

Doch der Jungstar der französisc­hen Politik, der sich noch nie einer Wahl stellte, eckt mit seinen Ideen auch im Ausland an. Zum Beispiel, als er im Oktober vorschlug, Deutschlan­d solle mit Investitio­nen von 50 Milliarden Euro die europäisch­e Wirtschaft ankurbeln. Gestern folgte eine weitere seiner typischen provokante­n Forderunge­n: „Eine Währungsun­ion ohne Finanzausg­leich – das gibt es nicht. Die Starken müssen helfen“, sagte Macron der „Süddeutsch­en Zeitung“mit Blick auf die Situation der Eurozone. Dass diese Idee einer Transferun­ion, die Berlin rigoros abgelehnt hat, „von Deutschlan­d Tabubrüche verlangt“, gibt Macron selbst zu. Doch um Tabus hat sich der Minister noch nie geschert.

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