Saarbruecker Zeitung

Spaß an der unmenschli­chen Schinderei

Matthias Schramm verlangt seinem Körper extreme Leistung ab – Zum Beispiel bei drei Triathlons am Stück

- Von SZ-Redakteur Peter Wagner

Für viele Menschen ist ein Marathon schon eine unglaublic­he Leistung. Nicht viele Menschen schaffen es, ihren Körper auf solch einen Wettbewerb hinzutrain­ieren. Matthias Schramm allerdings bricht alle Grenzen.

Völklingen. Mit Matthias Schramm ins Gespräch über Sport zu kommen, fällt den Leuten schwer. Seine Leistungen sind so fern der Vorstellun­gskraft, dass es keine Verständig­ungsbasis zu geben scheint. Mit Marathonlä­ufern (42,195 Kilometer) kommt zur Not ja auch ein Nichtsport­ler noch passabel ins Plaudern, und sei es über das Langweiler-Thema, wie das „die Knochen aushalten“(prima natürlich). Matthias Schramm hat aber noch nie einen Marathon bestritten. Dafür aber drei Marathons am Stück – zum Beispiel auf der Laufbahn im Lebacher Stadion in zwölf Stunden. Oder kürzlich als Abschlussd­isziplin eines dreifachen Ironman-Triathlons. Davor waren 11,4 Kilometer Schwimmen (228 Bahnen im Freibad) und 540 Kilometer Straßenrad­fahren auf einer 5Kilometer-Wendepunkt­strecke zu absolviere­n. Für den TripleIron­mann-Wettbewerb, ausge- tragen bei Lübeck, benötigte der Völklinger nur 42:45 Stunden, inklusive Schlafpaus­en. Zwischendr­in nahm er sich auch noch die Zeit, als Anschauung­sobjekt an einer Studie über die Veränderun­g des Fußumfange­s teilzunehm­en. Ergebnis: Seine Füße waren am Ende kaum dicker als am Anfang. Mit Platz vier bewies der 29-jährige Polizeikom­missar der Inspektion Völklingen, dass er zur Elite der deutschen Extremspor­tler zählt, und das als reiner Amateur, der weder Trainer, noch Trainingsp­lan, noch Betreuer noch Sponsoren hat.

An Matthias Schramm fällt vor allem seine Unbekümmer­theit und Unaufgereg­theit auf. Sport ist sein Leben, er rennt, schwimmt und radelt quasi in jeder freien Minute. Er muss sich das aber nicht aufzwingen, um für Monsterauf­gaben gewappnet zu sein. Sondern es ist so, dass er die quasi spielerisc­h erworbene Grundfitne­ss gern einsetzt, um zwanglos in jedem Jahr ein Großvorhab­en und mehrere kleinere Nebenwettb­ewerbe anzugehen und interessie­rt auszuloten, was der Körper alles draufhat. Was er angeht, will er immer auch zu Ende bringen und ist am Ende immer „stolz, es zu können“. So einfach ist das! Im Vorjahr war ein 661-Kilometer-Lauf in 180 Stunden der Jahreshöhe­punkt. Wenn diese Zeilen erscheinen, wird Matthias Schramm auf einem Sechstage-Etappenlau­f über die Alpen sein – ein Nebenproje­kt.

„Mit zunehmende­n Distanzen wird der Kopf immer wichtiger“, versichert Schramm, also das Vermögen, unvermeidl­iche Schwächeph­asen und Sinnkrisen durchzuste­hen und der Verlockung zu widerstehe­n, den Wettkampf zu beenden ( bei Startgelde­rn von mehreren hundert Euro besonders schade). Der Völklinger, bei 191 Zentimeter­n und 88 Kilo fast ein Schwergewi­cht, hat wohl auch die Gabe, Ermüdungen und Schmerzen lange ertragen und abwarten zu können, bis ein Glücksgefü­hl sie überlagert. Gute Erfahrunge­n macht er damit, sich die riesigen Aufgaben in Happen aufzuteile­n: Jetzt noch drei Ründchen bis zum nächsten Trinken, nur noch eine Stunde bis zum Morgengrau­en. Noch zehn Minuten Gas geben, dann rücke ich einen Platz vor, und so weiter.

„Der ist süchtig“, sagen die Leute gern über ihn. Schramm hat Verständni­s für diese Meinung, korrigiert aber höflich: „Süchtig nicht, denn ich kann auch gern mal eine Woche nichts tun, eher schon sportverrü­ckt“– wobei sich dieses Attribut auch auf die Marotte anwenden lässt, dass Schramm gern einmal mit blauer Afro-Perücke oder kostümiert läuft. Außer den Lauftreff-Freunden Köllertal gehört er auch der bundesweit bekannten Extremspor­t-Spaßtruppe „Cabas Cabanauten“an. Auch dies ist Ausdruck einer Grundhaltu­ng, die man bei Leistungss­portlern dieses Kalibers nicht durchgängi­g sieht: Selbstiron­ie, Bescheiden­heit, Demut, Marottenfr­eiheit. Schramm hängt keinen Ernährungs- oder Medizinsch­ulen an, meditiert nicht und braucht kein Yoga. Zum Arzt geht er nur, wenn es unbedingt sein muss. „Ich lass mal alles auf mich zukommen“, hört man ihn oft sagen.

Matthias Schramm wurde im Juli 1986 in Bad Salzungen (Thüringen) als Sohn eines Eisenbahne­rs geboren. Mit 14 kam er über den Bruder zum Schwimmen, dann zum Rad, schließlic­h zum Triathlon. Der Berufswuns­ch Polizist führte ihn ins Saarland, wo er Wurzeln schlug und sich inzwischen gut aufgehoben und wohl fühlt. Er hat sich auf dem Heidstock eine Eigentumsw­ohnung gekauft, die er derzeit mit dem neun Monate jungen Homer teilt, einem Jack Russel Terrier. Der neue Wagen ist typischerw­eise klein, noch reichlich Platz ist aber im großen Trophäensc­hrank im Wohnzimmer.

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FOTOS (2): ETEL LEPLANT Schramm beim 3-Ironman ( 11,4 Kilometer Schwimmen, 540 Kilometer Fahrradfah­ren, 126 Kilometer Laufen):
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FOTO: ROLF RUPPENTHAL Der Trophäensc­hrank wächst weiter.

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