Spaß an der unmenschlichen Schinderei
Matthias Schramm verlangt seinem Körper extreme Leistung ab – Zum Beispiel bei drei Triathlons am Stück
Für viele Menschen ist ein Marathon schon eine unglaubliche Leistung. Nicht viele Menschen schaffen es, ihren Körper auf solch einen Wettbewerb hinzutrainieren. Matthias Schramm allerdings bricht alle Grenzen.
Völklingen. Mit Matthias Schramm ins Gespräch über Sport zu kommen, fällt den Leuten schwer. Seine Leistungen sind so fern der Vorstellungskraft, dass es keine Verständigungsbasis zu geben scheint. Mit Marathonläufern (42,195 Kilometer) kommt zur Not ja auch ein Nichtsportler noch passabel ins Plaudern, und sei es über das Langweiler-Thema, wie das „die Knochen aushalten“(prima natürlich). Matthias Schramm hat aber noch nie einen Marathon bestritten. Dafür aber drei Marathons am Stück – zum Beispiel auf der Laufbahn im Lebacher Stadion in zwölf Stunden. Oder kürzlich als Abschlussdisziplin eines dreifachen Ironman-Triathlons. Davor waren 11,4 Kilometer Schwimmen (228 Bahnen im Freibad) und 540 Kilometer Straßenradfahren auf einer 5Kilometer-Wendepunktstrecke zu absolvieren. Für den TripleIronmann-Wettbewerb, ausge- tragen bei Lübeck, benötigte der Völklinger nur 42:45 Stunden, inklusive Schlafpausen. Zwischendrin nahm er sich auch noch die Zeit, als Anschauungsobjekt an einer Studie über die Veränderung des Fußumfanges teilzunehmen. Ergebnis: Seine Füße waren am Ende kaum dicker als am Anfang. Mit Platz vier bewies der 29-jährige Polizeikommissar der Inspektion Völklingen, dass er zur Elite der deutschen Extremsportler zählt, und das als reiner Amateur, der weder Trainer, noch Trainingsplan, noch Betreuer noch Sponsoren hat.
An Matthias Schramm fällt vor allem seine Unbekümmertheit und Unaufgeregtheit auf. Sport ist sein Leben, er rennt, schwimmt und radelt quasi in jeder freien Minute. Er muss sich das aber nicht aufzwingen, um für Monsteraufgaben gewappnet zu sein. Sondern es ist so, dass er die quasi spielerisch erworbene Grundfitness gern einsetzt, um zwanglos in jedem Jahr ein Großvorhaben und mehrere kleinere Nebenwettbewerbe anzugehen und interessiert auszuloten, was der Körper alles draufhat. Was er angeht, will er immer auch zu Ende bringen und ist am Ende immer „stolz, es zu können“. So einfach ist das! Im Vorjahr war ein 661-Kilometer-Lauf in 180 Stunden der Jahreshöhepunkt. Wenn diese Zeilen erscheinen, wird Matthias Schramm auf einem Sechstage-Etappenlauf über die Alpen sein – ein Nebenprojekt.
„Mit zunehmenden Distanzen wird der Kopf immer wichtiger“, versichert Schramm, also das Vermögen, unvermeidliche Schwächephasen und Sinnkrisen durchzustehen und der Verlockung zu widerstehen, den Wettkampf zu beenden ( bei Startgeldern von mehreren hundert Euro besonders schade). Der Völklinger, bei 191 Zentimetern und 88 Kilo fast ein Schwergewicht, hat wohl auch die Gabe, Ermüdungen und Schmerzen lange ertragen und abwarten zu können, bis ein Glücksgefühl sie überlagert. Gute Erfahrungen macht er damit, sich die riesigen Aufgaben in Happen aufzuteilen: Jetzt noch drei Ründchen bis zum nächsten Trinken, nur noch eine Stunde bis zum Morgengrauen. Noch zehn Minuten Gas geben, dann rücke ich einen Platz vor, und so weiter.
„Der ist süchtig“, sagen die Leute gern über ihn. Schramm hat Verständnis für diese Meinung, korrigiert aber höflich: „Süchtig nicht, denn ich kann auch gern mal eine Woche nichts tun, eher schon sportverrückt“– wobei sich dieses Attribut auch auf die Marotte anwenden lässt, dass Schramm gern einmal mit blauer Afro-Perücke oder kostümiert läuft. Außer den Lauftreff-Freunden Köllertal gehört er auch der bundesweit bekannten Extremsport-Spaßtruppe „Cabas Cabanauten“an. Auch dies ist Ausdruck einer Grundhaltung, die man bei Leistungssportlern dieses Kalibers nicht durchgängig sieht: Selbstironie, Bescheidenheit, Demut, Marottenfreiheit. Schramm hängt keinen Ernährungs- oder Medizinschulen an, meditiert nicht und braucht kein Yoga. Zum Arzt geht er nur, wenn es unbedingt sein muss. „Ich lass mal alles auf mich zukommen“, hört man ihn oft sagen.
Matthias Schramm wurde im Juli 1986 in Bad Salzungen (Thüringen) als Sohn eines Eisenbahners geboren. Mit 14 kam er über den Bruder zum Schwimmen, dann zum Rad, schließlich zum Triathlon. Der Berufswunsch Polizist führte ihn ins Saarland, wo er Wurzeln schlug und sich inzwischen gut aufgehoben und wohl fühlt. Er hat sich auf dem Heidstock eine Eigentumswohnung gekauft, die er derzeit mit dem neun Monate jungen Homer teilt, einem Jack Russel Terrier. Der neue Wagen ist typischerweise klein, noch reichlich Platz ist aber im großen Trophäenschrank im Wohnzimmer.