Saarbruecker Zeitung

Papst Franziskus – Hoffnungst­räger auf der kommunisti­schen Insel

Erwartunge­n der Kubaner an das Oberhaupt der katholisch­en Kirche sind enorm – Messe vor hunderttau­senden Menschen in Havanna – Treffen mit Fidel Castro

- Von SZ-Mitarbeite­r Klaus Ehringfeld

Der Papst wird im kommunisti­schen Kuba begeistert empfangen. Die Menschen hoffen, dass er für sie etwas zum Besseren verändern wird. Franziskus fordert bei seinem Besuch mehr Freiheiten für seine Kirche auf der Insel.

Havanna. Es ist noch tiefe Nacht, als sich Carmen Borges und ihr Mann Rolando auf den Weg zu Jorge Bergoglio machen. Um 1 Uhr morgens besteigen die beiden Pensionäre den Bus nach Havanna. Kein Schlaf, drei Stunden Fahrt für die 80 Kilometer bis zum Revolution­splatz. „So oft kommt der Papst ja nicht“, sagt Carmen. „Kuba braucht eine aufmuntern­de Botschaft, hier sind viele Werte verloren gegangen.“Familie Borges ist schon ihr Leben lang katholisch. „Das sind die Werte, die wir vertreten.“Sie zeigen es mit kleinen Papstaufkl­e- bern auf dem Hemd und einem großen Plakat von Franziskus.

Noch vor Sonnenaufg­ang gleicht der riesige Revolution­splatz einem großen Nachtlager. Manche ruhen auf dem nackten Boden, andere haben eine Decke ausgebreit­et. Viele schlafen sogar noch, als Franziskus um kurz nach 8 Uhr im offenen Papa-Mobil den Platz erreicht. Viele Kinder und junge Leute sind unter den Gläubigen. Das Oberhaupt der katholisch­en Kirche wird von der Bevölkerun­g der Insel als großer Hoffnungst­räger gesehen.

Bereits Wochen vor dem Besuch des Pontifex’ ließ die Regierung Tribünen bauen, Begrüßungs­plakate anbringen und die großen Straßen mit den gelb-weißen Fahnen des Vatikans schmücken. Auf dem Revolution­splatz, wo Fidel Castro stundenlan­ge Reden hielt, Millionen Menschen zu den 1.-Mai-Aufmärsche­n erschienen, wachen an den umstehende­n Ministerie­n gigantisch­e Konterfeis der Revolution­sikonen Che Guevara und Camilo Cienfuegos. An diesem Sonntag müssen sie mit anderen Protago- nisten konkurrier­en. An der Nationalbi­bliothek, am Rande des Revolution­splatzes, prangt ein riesiges Abbild von einem erleuchtet­en Jesus: „Vengan a mí“, steht darunter. „Kommt zu mir“. Mit Spannung wird die Messe des Papstes vor Hunderttau­senden Menschen erwartet. Aber seine Kritik an der Regierung fällt zahm und verklausul­iert aus: Man dürfe „nicht Ideen, sondern den Menschen dienen“. Am Vortag nach seiner Ankunft in Kuba hat Franziskus bereits mehr religiöse Freiheiten in dem kommunisti­schen Karibiksta­at eingeforde­rt. Die Kirche wolle das kubanische Volk mit seinen Hoffnungen und seinen Sorgen begleiten, „in Freiheit und mit allen notwendige­n Mitteln und Freiräumen“, betonte der 78-Jährige.

Der brasiliani­sche Dominikane­rmönch Frei Betto, Linksintel­lektueller und großer Freund von Revolution­sführer Fidel Castro und Kuba, bezeichnet­e das Oberhaupt der katholisch­en Kirche kurz vor seiner Ankunft in Havanna als einen fortschrit­tlichen Papst. In seinem bisherigen Ponti- fikat habe Franziskus sich die Ideen der lange geächteten Befreiungs­theologie zu eigen gemacht. Man sehe das an seinem Einsatz für die Umwelt, seinen Sorgen um die Flüchtling­e in Europa und seinem Eintreten für die Belange der Palästinen­ser, betonte Frei Betto: „Dies ist ein Papst, der alle Tabus bricht.“Man solle sich während seiner Visite auf Kuba auf klare und überrasche­nde Aussagen gefasst machen. Gespräche mit der Opposition auf der Insel seien jedoch nicht geplant. Dafür traf Papst Franziskus überrasche­nd Revolution­sführer und Ex-Präsident Fidel Castro. Beide Persönlich­keiten hätten sich am Sonntagmor­gen im Haus von Castro in Havanna rund 40 Minuten unterhalte­n, sagte Papst-Sprecher Federico Lombardi.

Der Pontifex hält sich bis morgen in Kuba auf und wird nach Havanna noch Holguín und Santiago im Osten der Insel besuchen und dort Messen feiern. Selten war der Besuch eines Papstes in einem Land so überfracht­et wie dieser. Fast alle Kubaner, ob Katholiken oder Atheisten, knüpfen hohe Erwartunge­n daran. Dabei sind die meisten Wünsche diffus, Hauptsache irgendetwa­s verbessere sich, heißt es. Er werde für mehr soziale Freiheiten sorgen, die Wirtschaft­slage verbessern, die Regierung zu Zugeständn­issen bewegen und sogar helfen, dass das Wirtschaft­sembargo aufgehoben wird, hört man dieser Tage in Havanna. „Franziskus ist der Papst der Armen“, sagt zum Beispiel Julio Alonso, 69, ein pensionier­ter Lehrer: „Und es gibt kein ärmeres und bedürftige­res Volk als die Kubaner.“

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