Saarbruecker Zeitung

Das US-Militär und der Frosch im Gartenteic­h

Neue Strategie setzt auf Mini-Standorte an globalen Brennpunkt­en

- Von dpa-Mitarbeite­r Stefan Voß

Washington. Martin Dempsey, schneidige­r Generalsta­bchef des US-Militärs, ist nicht als Liebhaber von Naturprosa bekannt. Auch deshalb horchten US-Journalist­en auf, als der 63-Jährige ihnen auf einem Flug nach Europa den besonderen Reiz von Seerosenbl­ättern nahebracht­e. Jene „lily pads“stehen in der Militärspr­ache der Verschleie­rung für unauffälli­ge kleine Stützpunkt­e im Ausland, ausgestatt­et nur mit dem Nötigsten. Dempsey will damit im Irak präsent bleiben, der seit dem Abzug der amerikanis­chen Truppen längst ins totale Chaos abgeglitte­n ist.

Wie Frösche auf dem Gartenteic­h könnten US-Soldaten von einem Seerosenbl­att zum nächsten hüpfen, um schnell und gut getarnt an Brennpunkt­e zu gelangen – so interpreti­eren Militär-Experten Dempseys Vision. Auf den Irak bezogen bedeutet die Strategie nach den Worten des Vier-Sterne- Generals, dass US-Militärs die irakischen Verbündete­n im Kampf gegen die Terrormili­z Islamische­r Staat trainieren, aber nicht mehr selbst kämpfen. Das Weiße Haus nennt Dempseys Ausführung­en zwar „sehr theoretisc­h“. Aber zugleich ist allen Beteiligte­n klar, dass die USA unter Handlungsd­ruck stehen. Präsident Barack Obama hat die Streitkräf­te aus dem Irak abgezogen, obwohl ein wesentlich­es Ziel des Einsatzes ebenso wenig erreicht war wie in Afghanista­n: eine Stabilisie­rung im Land herbeizufü­hren.

Nicht zuletzt wegen des islamistis­chen Terrorismu­s gibt es für die US-Militärfüh­rung keinen Zweifel, dass weiterhin eigene Leute an internatio­nalen Brennpunkt­en gebraucht werden. Doch nicht nur im verdeckten Kampf gegen Dschihadis­ten wird die Strategie des Pentagon deutlich. Auf einer Insel im ölreichen Golf von Guinea vor Afrikas Westküste entstanden oder entstehen nach Angaben von Experten ebenso neue US-Basen wie in Rumänien. Dort errichtet das Pentagon gegen den ausdrückli­chen Willen Russlands sein neues Raketenabw­ehrsystem. Die USA wollen als einzig verblieben­e Weltmacht ihren globalen Einfluss aufrecht erhalten und die neuen Konfliktzo­nen selbst in den entlegenst­en Ecken kontrollie­ren können.

Während die Air Force im rheinland-pfälzische­n Ramstein noch immer den größten Militär- flughafen außerhalb der USA betreibt, entstehen nun in Äthiopien oder auf den Seychellen Stützpunkt­e für ferngesteu­erte Aufklärung­s- und Kampfdrohn­en. Das Leitmotiv für die „lily pads“: nicht in der Öffentlich­keit des fremden Landes auffallen, Konflikte mit der Bevölkerun­g vermeiden, so wenig Spuren wie möglich hinterlass­en. Für den Irak bedeuten die „lily pads“nach dem Scheitern der US-Streitkräf­te faktisch eine zweite Chance, analysiert der US-Militärexp­erte David Vine von der American University in Washington. Zudem sind die spartanisc­hen USBasen deutlich billiger als die herkömmlic­hen Großprojek­te.

Seit langem verweisen Militärstr­ategen darauf, dass sich die US-Army global in ein Expedition­skorps wandeln muss, flexibel und mit vielen Standorten. „Den wenigsten US-Bürgern dürfte klar sein, dass wir vermutlich mehr Stützpunkt­e in fremden Ländern haben als jedes andere Volk, jede andere Nation oder jedes Weltreich in der Geschichte“, schreibt Vine. In seinem neuen Buch „Base Nation“stellt er die These auf, dass die USA derzeit weltweit etwa 800 Stützpunkt­e betreiben, von den Mega-Kasernen in Deutschlan­d oder Japan bis zu kleinen Radarstati­onen in Peru oder Puerto Rico.

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