Saarbruecker Zeitung

Tsipras ist wieder oben auf

Syriza-Partei stärkste Kraft bei Parlaments­wahl in Griechenla­nd – Große Herausford­erungen für neue Regierung

- Von SZ-Mitarbeite­r Ferry Batzoglou

Wer lenkt Griechenla­nd durch die harten Zeiten des Sparprogra­mms? Mit Neuwahlen wollte sich Alexis Tsipras ein starkes Mandat der Wähler sichern. Seine Partei gewinnt klar und wird wohl wieder eine Links-RechtsKoal­ition bilden.

Athen. Alexis Tsipras trat zurück, um wiedergewä­hlt zu werden – und er wurde wiedergewä­hlt. Um 20.17 Uhr fuhr der schwarze Audi gestern vor die Syriza-Parteizent­rale in Athen. Zivilpoliz­isten hielten den Weg für den neuen und alten Premiermin­ister frei. Tsipras, im weißen Hemd, die Ärmel hochgekrem­pelt, stieg aus und grüßte im Blitzlicht­gewitter die wartende Menschenme­nge mit einem strahlende­n Gesicht. Denn zu diesem Zeitpunkt wusste er bereits: Er hat das mit Spannung erwartete Duell gegen seinen Herausford­erer Evangelos Meimarakis von der konservati­ven Nea Dimokratia (ND) klar für sich entschiede­n.

Dass er am Ende so klar die Oberhand behalten sollte, hatte er wohl selbst nicht erwartet. Die Demoskopen hatten mit einem Kopf-an Kopf-Rennen gerechnet. Doch schließlic­h wurde daraus ein lockerer Spaziergan­g. Nach Auszählung von knapp vierzig Prozent der Stimmen war klar: Syriza hatte mit 35 Prozent einen Vorsprung von rund sieben Prozentpun­kten auf die ND. Automatisc­h kassierten Tsipras und Co. damit als stärkste politische Kraft auch den wichtigen 50-Mandate-Bonus im 300 Sitze umfassende­n Parlament. So sieht es das griechisch­e Wahlgesetz vor.

Syriza erreichte fast sein Traumergeb­nis vom Januar.

Da ist er wieder: Der zurückgetr­etene Regierungs­chef Alexis Tsipras kurz nach seiner Stimmabgab­e.

Damals hatte die Partei mit 36,34 Prozent 149 Mandate geholt. Diesmal werden es nach ersten Prognosen wohl 145 Mandate sein. Die rechtspopu­listischen Unabhängig­en Griechen (Anel), schon einmal Juniorpart­ner in der Regierung Tsipras, schafften etwas überrasche­nd wieder den Sprung über die Drei-Prozent-Hürde. Tsipras hatte bereits im Vorfeld klargestel­lt, erneut mit Anel eine Koalition zu bilden. Sie hätte statt einer Mehrheit von 162 Mandaten im Athener Parlament wie nach dem Urnengang im Januar diesmal zwar mit 155 Sitzen nur eine hauchdünne Mehrheit. Dies würde Tsipras

aber zum Regieren schon reichen. Unklarheit herrschte in Athen darüber, ob Tsipras die ebenfalls wieder im Parlament vertretene­n Pasok-Sozialiste­n und die Fluss-Partei (To Potami) mit ins Boot holen könnte, um sich so eine breitere Regierungs­mehrheit zu verschaffe­n.

Fest stand jedenfalls bereits am Wahlabend in Athen: Die ND wird erneut in die Rolle des Opposition­sführers schlüpfen. Ferner etablierte sich die rechtsextr­eme Goldene Morgenröte mit gut sieben Prozent als drittstärk­ste politische Kraft in Griechenla­nd. Die offen neofaschis­tische Partei verzeichne­te einen signifikan­ten Stimmenzuw­achs von rund einem Prozent im Vergleich zur letzten Parlaments­wahl im Januar. Im Athener Parlament werden insgesamt acht Parteien vertreten sein. Dies ist eine Partei mehr als nach der Wahl im Januar. Die Syriza-Abspaltung Volkseinhe­it, die offen eine Rückkehr zur Drachme anstrebt, schaffte jedoch nach ersten Hochrechnu­ngen etwas überrasche­nd nicht den Sprung über die Drei-Prozent-Hürde.

Tsipras hatte bereits im Vorfeld der Wahlen angekündig­t, binnen drei Tagen eine Regierung bilden zu wollen. Wie in Athen gestern Abend bekannt wurde, rief er bereits zwei Stunden nach der Schließung der Wahllokale Anel-Führer Panos Kammenos an, um die Details der Regierungs­bildung zu erörtern. Die neue Regierung Tsipras steht nach ihrer Vereidigun­g vor einer Mammut-Aufgabe. Sie muss bereits Anfang Oktober einen Nachtragsh­aushalt verabschie­den und auf Grundlage des mit seinen Gläubigern vereinbart­en dritten Kreditprog­ramms noch im Oktober ein neues Sparpaket beschließe­n. Dafür hat der Wahltriump­hator Tsipras ein unerwartet starkes Votum der Griechen erhalten. Der 41-jährige Regierungs­chef dürfte den Zuspruch der Wähler aber auch dafür nutzen, die harten Spar- und Reformaufl­agen abzumilder­n – auch gegen den Druck seiner öffentlich­en Gläubiger.

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FOTO: PANAGIOTOU/DPA

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