Streit um Kinderhospiz beigelegt
Homburg als Standort wahrscheinlich – Doch wie steht es um den Bedarf?
Seit 2009 ringt man im Saarland um ein stationäres Kinderhospiz. Nachdem Tholey als Standort verloren scheint, läuft es auf das Homburger Klinikum zu. Damit steigen die Chancen, ein altersübergreifendes Konzept als europaweites Leuchtturmprojekt zu realisieren.
Saarbrücken/Tholey/Bous. Wenn zwei etwas Gutes tun wollen, heißt das noch lange nicht, dass sie auch an einem Strang ziehen. So war das bis Ende vergangener Woche auch bei Peter Josef Kiefer, dem Vorsitzenden des Fördervereins Kinderhospiz Heiligenborn (Bous) und bei Dr. Sven Gottschling, dem Leitenden Arzt am Zentrum für Palliativmedizin und Kinderschmerztherapie am Uniklinikum Homburg. Beide wollen schwerstkranken oder sterbenden Kindern und deren Familien die bestmögliche Betreuung zukommen lassen – eine, die über das rein Medizinische hinausgeht. Denn Kinderhospize sind keine Sterbehäuser, sondern ein zweites Zuhause und Urlaubs-Stationen für Angehörige von Kindern mit höchst seltenen (Gen-) Erkrankungen und Schwerstbehinderungen. Also für Familien, die zusammen ein jahrelanges Leiden aushalten müssen.
Wo sollte ein solches Haus stehen und wie sollte es ausgerichtet sein? Darüber schwelte ein nervenzehrender Streit. Bous, Tholey oder Homburg? Soll man ausschließlich Kinder betreuen, wie der Förderverein Heiligenborn das vorhat, oder ist ein Mehrgenerationen-Modell mit Klinikanbindung zukunftsfähiger? Die Positionen stießen konfrontativ aufeinander. Doch jetzt fand man unter der moderierenden Leitung des Bundesverbandes Kinderhospiz bei einer Krisensitzung dann doch zu einem Grundkonsens. Das bestätigen sowohl Gottschling wie Kiefer der SZ:
So fröhlich geht es im Kinderhospiz „Löwenherz“im niedersächsischen Syke (Kreis Diepholz) zu. Wird das bald auch im Saarland möglich?
Alle maßgeblichen, im Kinderhospiz-Bereich tätigen Institutionen hielten vier stationäre Kinder-Hospizbetten im Saarland für notwendig und seien einverstanden, dass man damit in Homburg beginne. „Vielleicht gelingt in Etappen der große Wurf“, so Gottschling. Er meint damit den integrativen Ansatz. Der könnte, wie er sagt, ein „europaweites Leuchtturmprojekt“werden – in einem Neubau am grünen Rand des Homburger Uniklinik- Geländes.
Der Förderverein Heiligenborn wollte ebenfalls neu bauen, für rund 3,5 Millionen Euro, zunächst im Bouser Kloster Heiligenborn – der Plan zerschlug sich. Und nun scheint auch die Idee, am Rande des Tholeyer Abtei- Geländes heimisch zu werden, zerschlagen.
Kiefer wollte ein leer stehendes Schwesternheim abreißen und für etwa drei Millionen Eu- ro neu bauen. Doch die Abtei Tholey möchte jetzt Flüchtlingen helfen. Kiefer sagt, eine finale Absage habe er noch nicht. Ihm ist im Hinblick auf seine Spender wichtig: „Wir kämpfen standortunabhängig und handeln damit nach der Satzung.“Jedoch dürfe kein Cent für Erwachsene ausgegeben werden, das sei auch Gottschling klar.
Der hält allerdings die Separierung in Altersgruppen für nicht mehr zeitgemäß. „Wir können Kindern, die erwachsen werden, den Fürsorgeabbruch ersparen“, sagt er. Das Mehrgenerationenkonzept sei fortschrittlich: Warum sollte ein greiser Krebskranker nicht einem schwerstkranken Mukoviszidose-Kind und dessen Geschwistern Märchen vorlesen?
„Bundesweite Modellqualität“attestiert diesem Konzept auch eine „Bedarfsanalyse SaarMosel“. Der Förderverein Heiligenborn gab sie in Auftrag, nachdem die Landesarbeitsgemeinschaft Hospiz Saarland (LAG) zunächst abgewunken hatte: Es bestehe gar keine
Streit hat oft klärende Funktion. Im Fall des Kinderhospiz-Konfliktes ist dies so. Ohne das verbissene Tauziehen um Konzept und Standort wäre es nie zu einer Bedarfsanalyse gekommen. Diese legt offen, dass von einer Notsituation keine Rede sein kann. Wer sich mit Spenden für einen Förderverein engagiert, sollte dies wissen – und trotzdem am Ball bleiben. Denn die Bündelung aller Kräfte wird das Vorhaben stärken. Auch ist es ein Gewinn, dass nun das Klinik-Spezialistenteam in Homburg mit im Boot, ja am Ruder sitzt. Ihr altersübergreifendes Modell klingt nicht nur innovativ, sondern dürfte auch in der Politik Unterstützung finden, die in der Inklusionsdebatte punkten will. Wenn jetzt noch die Kinder-Kurzzeit-Pflege in den Fokus gerät – man müsste den Streithähnen danken.
Dringlichkeit für ein stationäres Hospiz, es gebe höchstens einen Bedarf für vier Betten. Doch acht sind nach Vorgaben der Krankenkassen notwendig.
Das neue Bedarfsgutachten des Freiburger Instituts „AGP Sozialforschung“, das der SZ vorliegt, nennt keine Zahlen. Herauslesen lässt sich, dass dem altersübergreifenden Modell bessere Chancen eingeräumt werden, was die Finanzierbarkeit (Zuschüsse, Trägerschaft, Spenden) wie auch die überregionale Akzeptanz und damit die Auslastung angeht. Eine wirklich eklatante Versorgungslücke sehen die Experten im Bereich der häuslichen Kinderkrankenpflege und bei Kurzzeitpflegeplätzen. Dieses Feld hat nach Auffassung der Experten Priorität, nicht ein stationäres Kinderhospiz. Trotzdem bleiben Kiefer und Gottschling Überzeugungstäter – jetzt offensichtlich Seite an Seite.