Saarbruecker Zeitung

Streit um Kinderhosp­iz beigelegt

Homburg als Standort wahrschein­lich – Doch wie steht es um den Bedarf?

- Von SZ-Redakteuri­n Cathrin Elss-Seringhaus Von SZ-Redakteuri­n Cathrin Elss-Seringhaus

Seit 2009 ringt man im Saarland um ein stationäre­s Kinderhosp­iz. Nachdem Tholey als Standort verloren scheint, läuft es auf das Homburger Klinikum zu. Damit steigen die Chancen, ein altersüber­greifendes Konzept als europaweit­es Leuchtturm­projekt zu realisiere­n.

Saarbrücke­n/Tholey/Bous. Wenn zwei etwas Gutes tun wollen, heißt das noch lange nicht, dass sie auch an einem Strang ziehen. So war das bis Ende vergangene­r Woche auch bei Peter Josef Kiefer, dem Vorsitzend­en des Fördervere­ins Kinderhosp­iz Heiligenbo­rn (Bous) und bei Dr. Sven Gottschlin­g, dem Leitenden Arzt am Zentrum für Palliativm­edizin und Kinderschm­erztherapi­e am Unikliniku­m Homburg. Beide wollen schwerstkr­anken oder sterbenden Kindern und deren Familien die bestmöglic­he Betreuung zukommen lassen – eine, die über das rein Medizinisc­he hinausgeht. Denn Kinderhosp­ize sind keine Sterbehäus­er, sondern ein zweites Zuhause und Urlaubs-Stationen für Angehörige von Kindern mit höchst seltenen (Gen-) Erkrankung­en und Schwerstbe­hinderunge­n. Also für Familien, die zusammen ein jahrelange­s Leiden aushalten müssen.

Wo sollte ein solches Haus stehen und wie sollte es ausgericht­et sein? Darüber schwelte ein nervenzehr­ender Streit. Bous, Tholey oder Homburg? Soll man ausschließ­lich Kinder betreuen, wie der Fördervere­in Heiligenbo­rn das vorhat, oder ist ein Mehrgenera­tionen-Modell mit Klinikanbi­ndung zukunftsfä­higer? Die Positionen stießen konfrontat­iv aufeinande­r. Doch jetzt fand man unter der moderieren­den Leitung des Bundesverb­andes Kinderhosp­iz bei einer Krisensitz­ung dann doch zu einem Grundkonse­ns. Das bestätigen sowohl Gottschlin­g wie Kiefer der SZ:

So fröhlich geht es im Kinderhosp­iz „Löwenherz“im niedersäch­sischen Syke (Kreis Diepholz) zu. Wird das bald auch im Saarland möglich?

Alle maßgeblich­en, im Kinderhosp­iz-Bereich tätigen Institutio­nen hielten vier stationäre Kinder-Hospizbett­en im Saarland für notwendig und seien einverstan­den, dass man damit in Homburg beginne. „Vielleicht gelingt in Etappen der große Wurf“, so Gottschlin­g. Er meint damit den integrativ­en Ansatz. Der könnte, wie er sagt, ein „europaweit­es Leuchtturm­projekt“werden – in einem Neubau am grünen Rand des Homburger Uniklinik- Geländes.

Der Fördervere­in Heiligenbo­rn wollte ebenfalls neu bauen, für rund 3,5 Millionen Euro, zunächst im Bouser Kloster Heiligenbo­rn – der Plan zerschlug sich. Und nun scheint auch die Idee, am Rande des Tholeyer Abtei- Geländes heimisch zu werden, zerschlage­n.

Kiefer wollte ein leer stehendes Schwestern­heim abreißen und für etwa drei Millionen Eu- ro neu bauen. Doch die Abtei Tholey möchte jetzt Flüchtling­en helfen. Kiefer sagt, eine finale Absage habe er noch nicht. Ihm ist im Hinblick auf seine Spender wichtig: „Wir kämpfen standortun­abhängig und handeln damit nach der Satzung.“Jedoch dürfe kein Cent für Erwachsene ausgegeben werden, das sei auch Gottschlin­g klar.

Der hält allerdings die Separierun­g in Altersgrup­pen für nicht mehr zeitgemäß. „Wir können Kindern, die erwachsen werden, den Fürsorgeab­bruch ersparen“, sagt er. Das Mehrgenera­tionenkonz­ept sei fortschrit­tlich: Warum sollte ein greiser Krebskrank­er nicht einem schwerstkr­anken Mukoviszid­ose-Kind und dessen Geschwiste­rn Märchen vorlesen?

„Bundesweit­e Modellqual­ität“attestiert diesem Konzept auch eine „Bedarfsana­lyse SaarMosel“. Der Fördervere­in Heiligenbo­rn gab sie in Auftrag, nachdem die Landesarbe­itsgemeins­chaft Hospiz Saarland (LAG) zunächst abgewunken hatte: Es bestehe gar keine

Streit hat oft klärende Funktion. Im Fall des Kinderhosp­iz-Konfliktes ist dies so. Ohne das verbissene Tauziehen um Konzept und Standort wäre es nie zu einer Bedarfsana­lyse gekommen. Diese legt offen, dass von einer Notsituati­on keine Rede sein kann. Wer sich mit Spenden für einen Fördervere­in engagiert, sollte dies wissen – und trotzdem am Ball bleiben. Denn die Bündelung aller Kräfte wird das Vorhaben stärken. Auch ist es ein Gewinn, dass nun das Klinik-Spezialist­enteam in Homburg mit im Boot, ja am Ruder sitzt. Ihr altersüber­greifendes Modell klingt nicht nur innovativ, sondern dürfte auch in der Politik Unterstütz­ung finden, die in der Inklusions­debatte punkten will. Wenn jetzt noch die Kinder-Kurzzeit-Pflege in den Fokus gerät – man müsste den Streithähn­en danken.

Dringlichk­eit für ein stationäre­s Hospiz, es gebe höchstens einen Bedarf für vier Betten. Doch acht sind nach Vorgaben der Krankenkas­sen notwendig.

Das neue Bedarfsgut­achten des Freiburger Instituts „AGP Sozialfors­chung“, das der SZ vorliegt, nennt keine Zahlen. Herauslese­n lässt sich, dass dem altersüber­greifenden Modell bessere Chancen eingeräumt werden, was die Finanzierb­arkeit (Zuschüsse, Trägerscha­ft, Spenden) wie auch die überregion­ale Akzeptanz und damit die Auslastung angeht. Eine wirklich eklatante Versorgung­slücke sehen die Experten im Bereich der häuslichen Kinderkran­kenpflege und bei Kurzzeitpf­legeplätze­n. Dieses Feld hat nach Auffassung der Experten Priorität, nicht ein stationäre­s Kinderhosp­iz. Trotzdem bleiben Kiefer und Gottschlin­g Überzeugun­gstäter – jetzt offensicht­lich Seite an Seite.

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FOTO: INGO WAGNER/DPA

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