Nichts als Klischees auf der Suche nach der deutschen Seele
Unergiebige Reportage: „Deutschland überall. Eine Spurensuche auf fünf Kontinenten“von Manuel Möglich
„Deutschland überall“sei „ein Buch, das uns viel darüber erzählt, wer wir sind und was die Welt über uns denkt“. So bewirbt der Rowohlt Verlag Manuel Möglichs Reise-Reportagen. Für SZ-Mitarbeiter Christoph Schreiner hingegen bedient Möglich vor allem Klischees, ohne Neues zu berichten.
Angeblich gehört Manuel Möglich „zu den herausragenden jüngeren Fernsehreportern“– wegen seiner Serie „Wild Germany“auf ZDF-Neo. Das teilt der Rowohlt Verlag mit, der nun Möglichs erstes Buch „Deutschland überall. Eine Spurensuche auf fünf Kontinenten“herausgebracht hat. Dessen Grundidee hat Charme: Möglich will der deutschen Seele aus der Ferne näher kommen. Also reist er an Orte, die als ehemalige Kolonien oder Aus- wanderergebiete eng mit der deutschen Geschichte verbunden, längst jedoch Teil anderer Kulturen geworden sind.
Es geht nach Namibia (früher Deutsch-Südwestafrika), in die Südsee nach Samoa (von 1900 bis 1914 deutsche Kolonie), ans Gelbe Meer nach Tsingtao (von 1898 bis 1914 war die chinesische Hafenmetropole „deutsches Schutzgebiet“), nach Blumenau in Brasilien, wo die Deutschen 1858 Einzug hielten, aber auch in New Yorks Germantown und nach Siebenbürgen und Tschechien. Wäre Möglich ein herausragender oder wenigstens ein guter Reporter, diese Spurensuche hätte ertragreich werden können.
In „Deutschland überall“dagegen erfährt man wenig Neues. Zum einen, weil Möglich kein tiefer reichendes Konzept verfolgt, im Grunde nichts zu sagen hat und nicht mal zumindest ein guter Stilist ist. Zum anderen, weil auch seine Gesprächspartner selten mehr beizusteuern haben als die üblichen Klischees, die man über Deutsche im Kopf hat: strukturiert, ordnungsversessen, bieder und sehr grundsätzlich.
In Brasilien, wo er in dem an Heinz-Ehrhardt-Filme aus den 50ern erinnernden Ort Pomerode ein Oktoberfest besucht, notiert Möglich selbst entnervt: „An diesem Punkt meiner Reise wird es mir mit den Klischees über ein Phantasiedeutschland zu bunt. Ge- schichten über tüchtige Deutsche, die den ach so temperamentvollen Brasilianern den Weg zu einem anständigen, strukturierten Leben zeigen, möchte ich nicht wieder und wieder hören.“Denn was Möglich immer wieder aufschnappt, ob in Lokalen in Swakopmund (Namibia) oder in Apia auf Samoa, das ist fast immer dasselbe: lauter Elogen auf die deutsche Gründlichkeit.
Die Frage ist, ob von Auswanderern außer Deutschlandfolklore nichts anderes zu erwarten ist oder vielmehr „der Reporter“, wie Möglich sich gerne nennt, nicht ausdauernd genug gesucht hat. Die Klischees jedenfalls, unter denen er und sein Buch leiden, reproduziert er permanent selbst, in dem er in der Fremde vorzugsweise deutschtümelnde Kneipen, Schäferhundvereine oder Folkloreabende besucht. Interessanter wird es dann, wenn er seinem Gegenüber mehr Raum gibt: einem Philologen im rumänischen Herrmannstadt etwa, der die Konsequenz als Distinktionsmerkmal der Deutschen hervorhebt oder dem für die 45 Deutschen auf der Insel zuständigen Honorarkonsul auf Samoa.
Das Lesenswerteste sind am Ende die Möglichs langatmige Pseudo-Reportagen unterbrechenden, historischen Exkurse. Sie zeichnen nach, warum sich Deutsche an ferne Orte aufmachten, um dort Wurzeln zu schlagen. Das aber ließe sich auch bei Wikipedia nachlesen.
Manuel Möglich: Deutschland überall. Eine Spurensuche auf fünf Kontinenten. Rowohlt Berlin, 288 S., 19,95