Alter Wein oder neue Bräuche
Rebsorten-Streit in Deutschland – Winzer setzen auf südländische Trauben
Der Klimawandel macht es möglich: Auf deutschen Weinbergen wachsen mittlerweile nicht mehr nur Riesling, Spätburgunder und Co. Die „Internationalisierung“ist allerdings umstritten.
Stuttgart. Tempranillo statt Trollinger, Merlot statt MüllerThurgau: Deutsche Winzer setzen verstärkt auf internationale Rebsorten. Wegen des Klimawandels und der höheren Durchschnittstemperaturen ist deren Anbau mittlerweile möglich in Deutschland. Bei den Verbrauchern kommen die südländischen Sorten nach Darstellung der Winzer gut an, im Einzelhandel spielen sie aber auch angesichts ihrer geringen Gesamtmenge kaum eine Rolle. Die Flaschen gehen eher vor Ort im Hofverkauf oder in regionalen Läden über den Tisch.
Der Anteil internationaler Rebsorten ist mit einem Prozent aller Weinberge in Deutschland noch gering, doch es geht aufwärts – beim Cabernet Franc (44 Hektar), Shiraz (57 Hektar) und Tempranillo (10 Hektar) hat sich die Fläche von 2010 bis 2014 mindestens verdoppelt, belegen Werte des Deutschen Weininstituts. Um jeweils 20 Prozent stieg die Anbaufläche beim Cabernet Sauvignon (auf 360 Hektar) und Merlot (auf 600 Hektar).
Beim Deutschen Weininstitut in Mainz sieht man das Thema internationale Rebsorten auch als Marketingmaßnahme. „Damit sendet ein deutscher Winzer die Botschaft, ich steche heraus aus der Masse“, sagt Sprecher Ernst Büscher. „Man zeigt Kompetenz und kann einen guten Preis verlangen.“Grundsätzlich sieht er den Anbau von Merlot, Tempranillo und Cabernet positiv. Mit Blick auf den Klimawandel würden wichtige Erfahrungen gesammelt. Sollte es irgendwann also deutlich zu warm werden für den Anbau etwa von Spätburgunder, hätte man erprobte Alternativen.
Unter anderen Weinexperten wird das Thema durchaus hitzig debattiert. Im Kern geht es um die Frage, ob sich der Weinstandort Deutschland treu bleiben soll mit seinem Schwerpunkt auf eher leichte, fruchtige Weine, die auch in kühleren Regionen gut reifen. Dazu zählen etwa Spätburgunder in Baden, Trollinger in Württemberg oder Riesling in Rheinhessen und in der Pfalz. Oder ob man internationaler wird, eigene MerlotRotweine oder Cuvées – Mischweine – anbietet und somit in die direkte Konkurrenz etwa zu französischen Winzern tritt.
Langfristig werde die Internationalisierungsstrategie nicht aufgehen, glaubt die auf Weinbau spezialisierte Professorin Ruth Fleuchaus von der Hochschule Heilbronn. Zwar ergäben Merlot, Chardonnay und Cabernet Sauvignon hierzulande in Schönwetterjahren „durchaus auch passable Weine“. Doch Deutschlands Alleinstellungsmerkmal und Stärke sei nun mal Weißwein auf Spitzenniveau.
Ganz anderer Meinung ist Ulrich Maile, Chef der Lauffener Weingärtner. Sein 850 Hektar großer Betrieb bei Stuttgart hat auf 10 Hektar internationale Rebsorten angebaut – noch im Versuchsstadium, um deren Tauglichkeit zu testen. „Wir wollen mit diesen Sorten beweisen, dass unsere Standorte gut genug sind, um auf internationalem Niveau Weine erzeugen zu können“, sagt Maile. Er ist davon überzeugt, dass Merlot, Cabernet Franc, Tempranillo und Shiraz hierzulande eine große Zukunft haben. Der ver- stärkte Anbau dieser Sorten in hervorragenden Lagen geschieht aus seiner Sicht auch aus wirtschaftlicher Vernunft. Wegen des Klimawandels würden etwa Trollinger-Trauben vier Wochen früher reif als noch vor 20 Jahren. Das hieße auch, dass die Flächen nach der nun frühen Weinlese lange ungenutzt blieben – „vier Wochen Top-Lagenpotenzial verschenkt man praktisch, vier Wochen, in denen noch tolle Trauben reifen könnten“, sagt Maile. Mit internationalen Rebsorten, die länger brauchen zum Reifen, könnte dieses Potenzial besser genutzt werden.
Fast schon ein Veteran in Sachen „Merlot allemand“ist der badische Winzer Fritz Keller. Schon vor einem Vierteljahrhundert begann er mit dem Anbau von Merlot und Cabernet Sauvignon auf seinem Gut am Kaiserstuhl. Gleich mehrfach habe er mit seinen Weinen Wettbewerbe und damit Aufmerksamkeit gewonnen. Doch Kellers Begeisterung hat Grenzen. Die Merlot- Qualität aus deutschem Anbau reiche nicht aus, um mit Weinen aus Regionen wie Bordeaux mithalten zu können, sagt er nüchtern. Daher setzt er weiterhin auf heimische Klassiker wie Spätburgunder und Grauburgunder. „Die haben noch Entwicklungspotenzial, mit denen kann man punkten auf internationalem Parkett.“
Schmitt:
Wie das denn? Schmitt: Wir haben mildere Winter, das Frühjahr beginnt früher. Außerdem gibt es weniger Dauerfrost, weniger Dauerregen. Das ist für den Ertrag enorm wichtig.
Aber es gibt auch Nachteile. Schmitt: Ein entscheidender ist, dass die Trauben früher reif werden.
Ist das so schlimm? Schmitt: Das ist sogar drama-
Erste Winzer in Deutschland pflanzen wegen der heißeren Temperaturen Rebsorten an, die sonst eher in südlichen Ländern wachsen. Ist das nicht ein guter Schritt – gerade weil reife Früchte auch schneller zum Schädlingsbefall neigen? Schmitt: Das stimmt. Die Win-
Was raten Sie also den Weinbauern in unserer Region? Schmitt: Gerade wir saarländischen Anbauer dürfen ruhig Selbstbewusstsein zeigen und auf die Weine setzen, die auf unseren Muschelkalkböden – sicher auch in Zeiten des Klimawandels – exzellent gedeihen. In erster Linie ist das der Burgunder und der artverwandte Auxerrois. Für diese Weine werden wir geschätzt. Das macht unser Image aus – und hilft uns, am Weltmarkt zu bestehen.