Saarbruecker Zeitung

„Töten kann keine ärztliche Aufgabe sein“

Mehrheit der Palliativm­ediziner lehnt assistiert­en Suizid ab – Entscheidu­ng über neue Gesetze im November

- Von Stefanie Marsch (SZ) und den Agenturen

Palliativm­ediziner haben erhebliche Bedenken gegen eine gesetzlich­e Neuregelun­g der Sterbehilf­e. Sie schaffe eher Unsicherhe­iten. Notwendig sei vielmehr eine bessere Versorgung von Schwerstkr­anken an ihrem Lebensende.

Saarbrücke­n/Berlin. „Herr Doktor, ich möchte sterben. Bitte helfen Sie mir dabei.“Auch Dietrich Wördehoff hat diese Bitte schon gehört. Mehr als nur einmal. Nachgekomm­en ist er ihr noch nie. „Es gab immer andere Wege, den Patienten zu helfen“, sagt der Saarbrücke­r Palliativm­ediziner. So sieht das die überwältig­ende Mehrheit der Kollegen in seinem Fachbereic­h auch. Nur drei Prozent gaben in einer aktuellen Umfrage der Deutschen Gesellscha­ft für Palliativm­edizin (DGP) an, bereits Beihilfe zum Suizid geleistet zu haben. Obwohl drei Viertel in den vergangene­n fünf Jahren von durchschni­ttlich zehn Patienten gebeten wurden, ihnen beim Sterben zu helfen.

Mehr als die Hälfte der Befragten lehnen assistiert­en Suizid grundsätzl­ich ab. Für knapp 60 Prozent gehört die Beihilfe auch nicht „zum Grundverst­ändnis der Palliativm­edizin“. Ihr Ziel ist es vielmehr, das Leiden von Patienten, für die es keine Heilung mehr gibt, zu verringern sowie Schmerzen, Atemnot und Ängste zu lindern. „Töten kann keine ärztliche Aufgabe sein“, sagt der ehemalige DGP-Präsident Friedemann Nauck.

Der Verband hat auch Bedenken gegen ein Gesetz zur Sterbehilf­e. Dieses bringe im Grunde nur mehr Graubereic­he und Unsicherhe­iten. Der Gesetzgebe­r will die Beihilfe zur Selbsttötu­ng allerdings regeln. Der Rechtsauss­chuss des Bundestage­s befasst sich heute mit vier Dietrich Wördehoff verschiede­nen Gesetzentw­ürfen von Parlamenta­riergruppe­n. Sie reichen von einer liberalen Regelung insbesonde­re für Ärzte bis zu einem Verbot der Suizidbeih­ilfe. „Eine Normalisie­rung des ärztlich assistiert­en Suizids wäre ebenso der falsche Weg wie dessen strafrecht­liches Verbot“, er- klärt DGP-Präsident Lukas Radbruch. Allein der Entwurf, der auch im Bundestag die meisten Unterstütz­er hat, erscheint der DGP sinnvoll. Er zielt darauf, die Sterbehilf­evereine zu verbieten. Entschiede­n werden soll über die Neuregelun­g im November – ohne Fraktionsz­wang.

„Ich kann es verstehen, dass Menschen den Wunsch äußern zu sterben, wenn es ihnen sehr schlecht geht und sie Angst haben vor dem, was auf sie zukommt“, sagt Wördehoff, der Sprecher der DGP-Landesvert­retung Saar ist. „Doch in den allermeist­en Fällen verschwind­et der Wunsch, wenn man sich um die Menschen kümmert. Ich betrachte ihn als einen Hilferuf.“Seit Jahren setzen sich Palliativm­ediziner deshalb dafür ein, die Betreuung sterbenskr­anker Menschen auszubauen.

Das geplante Hospiz- und Palliativg­esetz, das ebenfalls im November vom Parlament verabschie­det werden soll, werten sie als Schritt in die richtige Richtung. Es sieht vor, die Ausgaben für die Begleitung am Lebensende um 200 Millionen auf 600 Millionen Euro jährlich zu erhöhen. Die DGP weist jedoch auch auf Schwächen im Entwurf hin. So müsse mehr getan werden, um die Palliativv­ersorgung in Kliniken und Altenheime­n zu verbessern. Wördehoff ist sich sicher: Je besser die palliative Versorgung, desto weniger Patienten würden um Hilfe beim Suizid bitten. „Die meisten Menschen wollen lieber auf natürliche­m Weg sterben.“

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