Saarbruecker Zeitung

„Trinkt gerne viel Bier – immer aus großen Gläsern.“

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Schröder ist nicht der einzige in Merkels Karriere, der sich selbst erledigt hat. Der gnadenvoll­e Rückblick nach zehn Jahren erlaubt es der Kanzlerin auch, ihren Vorgänger ganz uneingesch­ränkt für die Reformen der Agenda 2010 zu loben. „Dass es uns heute so gut geht, hat hier ohne Zweifel den Ausgangspu­nkt gehabt“, sagt sie und spricht von „Hochachtun­g für die Leistung des Reformers Gerhard Schröder“. Außerdem nennt sie ihn einen „begnadeten Wahlkämpfe­r“. Der zahlt das nicht in gleicher, positiver Münze heim, denn er will grundsätzl­ich nichts zur aktuellen Politik sagen. Das ist auch korrekt so. Dafür erzählen beide ein paar Dönekes. Bei der Amtsüberga­be habe Merkel damals wissen wollen, ob es Geheimpapi­ere gebe. Er habe ihr dann einen Tresor geöffnet – in dem aber nur Uhren von Silvio Berlusconi lagen, ein Gastgesche­nk des früheren italienisc­hen Premiers. Sie wiederum erzählt, dass sie in ihrem Kanzlerbür­o am ersten Tag einen Kuchen vorgefunde­n habe, eine Aufmerksam­keit. „Das fand ich

Aus der Stasi-Akte von Gerhard

Schröder Kurz nach dem Wahlsieg 1998 überwarfen sich Oskar Lafontaine und Schröder.

echt nett.“Es gibt nur zwei winzige Sticheleie­n. Merkel sagt auf die Frage, wie sie es gefunden hätte, wenn er 2005 als Vizekanzle­r in ihr Kabinett eingetrete­n wäre: „Da wäre ich auch mit klar gekommen“. Und fügt dann, etwas überheblic­h hinzu: „Solche kreativen Menschen kann man gebrauchen.“Er wiederum sagt, dass man als Kanzler auch mal ein Risiko eingehen müsse, wie er es bei der Agenda 2010 getan habe. „Nicht hudeln beim Machterhal­t.“Ein Schelm, wer dabei an Merkels häufiges Zögern denkt. Eine Stärke des präzisen, 1000-seitigen Werkes liegt in seinem ersten Teil, der Schilderun­g des verworrene­n familiären Umfeldes des Altkanzler­s, der bekanntlic­h aus sehr armem Hause im Lipper Land stammt. Schöllgen hat hier Dinge herausgefu­nden, die Schröder selbst nicht wusste. Zum Beispiel, wer die Großeltern waren. Oder dass sein kurz vor seiner Geburt gefallener Vater als Gelegenhei­tsdieb mit dem Gesetz in Konflikt gekommen war – Schröder sah dank Schöllgens Arbeit zum ersten Mal Fotos seines Erzeugers au- ßerhalb dessen Soldatenze­it – Polizeifot­os. Schröder sagt, dass ihn dieser Teil sehr berührt habe, und das glaubt man ihm. Der Altkanzler leitet daraus eine Botschaft ab. Die deutsche Gesellscha­ft habe Menschen aus so armen Verhältnis­sen gelegentli­ch „eine Biografie wie meine“ermöglicht. Er wünsche sich, dass das auch in Zukunft gehe. „Ihnen“, sagt Schröder zu Merkel, „wurde ja auch nicht an der Wiege gesungen, dass Sie Kanzlerin werden“. Merkel, die in der DDR aufwuchs, kann da nur zustimmend nicken.

Putin und das Geld: Neben dem Rauchen teurer Zigarren und Fotoshooti­ngs im teuren Mantel hängt Schröder, dem „Genossen der Bosse“, das Wort vom „lupenreine­n Demokraten“ewig nach. Gemeint ist Putin. Gesagt hat es Schröder gar nicht. Nur die Frage von ARDTalker Reinhold Beckmann bejaht. An der Antwort von damals sei nichts zu beanstande­n, findet Biograf Schöllgen. Der Kanzler hätte vor laufender Kamera den Kreml-Chef kaum brüskieren können.

Die harte Kindheit: Schröder wächst in ärmlichen Verhältnis­sen auf. Die Familie wohnt später in einer Bruchbude, von Schröder und seinen Geschwiste­rn „Villa Wankenicht“genannt. Der Junge packt früh mit an: 50 Pfennig pro Stunde verdient er beim Kühemelken. Zwei Jahre nach dem Tod von Fritz heiratet Schröders Mutter Erika den zweiten Mann ihrer Schwiegerm­utter Klara. Mit Stiefvater Paul Vosseler, „einem klugen und politische­n Menschen“, kommt er gut klar. dpa

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FOTO: IMAGO Aus seiner besonderen Freundscha­ft zu Russlands Präsident Wladimir Putin hat Schröder nie einen Hehl gemacht.

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