Saarbruecker Zeitung

Karlsruhe stärkt das Hinterzimm­er

Verfassung­sgericht weist Linken-Klage auf mehr Rechte im Vermittlun­gsausschus­s ab

- Von dpa-Mitarbeite­rin Diana Niedernhöf­er

Politische Kompromiss­e werden im Vermittlun­gsausschus­s oft in kleinen, vertraulic­hen Gruppen erzielt. Dort wollte die LinkeBunde­stagsfrakt­ion einen festen Platz einklagen – und scheiterte vor dem Verfassung­sgericht.

Karlsruhe. Petra Sitte ist nicht anzumerken, dass die LinkeBunde­stagsfrakt­ion gerade eine fulminante Niederlage beim Bundesverf­assungsger­icht einstecken musste. „Wir wollten die Minderheit­enrechte opposition­eller Fraktionen auch im Vermittlun­gsausschus­s absichern“, erklärt die Erste Parlamenta­rische Geschäftsf­ührerin der Fraktion nüchtern. Doch das sei nur „teilweise“gelungen, muss sie einräumen.

„Teilweise“bedeutet, dass die Richter eine rechtzeiti­ge Informatio­n der Abgeordnet­en im Ausschuss über ausgearbei­tete Kompromiss­vorschläge zwar anmahnten. Der eigentlich­e Knackpunkt des gestrigen Urteils ist aber ein anderer: Kleine Opposition­sparteien wie die Linke dürfen nämlich bei der eigentlich­en Suche nach einem politische­n Kompromiss im Vermittlun­gsausschus­s ausgeschlo­ssen werden. Dabei geht es um Arbeitsgru­ppen und informelle Gesprächsr­unden. Sie sind vor allem bei komplexen und hoch umstritten­en Vorhaben wichtig, da sie Möglichkei­ten für politische Einigungen sondieren und diese ausarbeite­n. Über die Vorschläge entscheide­t dann das Plenum des Vermittlun­gsausschus­ses. Er kommt immer dann zum Zuge,

Verfassung­srichter Voßkuhle sieht die Rechte der Linken bei der Arbeit des Vermittlun­gsausschus­ses nicht verletzt.

wenn ein vom Bundestag beschlosse­nes Gesetz im Bundesrat keine Mehrheit findet.

So war es auch bei der schwierige­n Suche nach dem Hartz-IVKompromi­ss, nachdem die Reform Ende 2010 im Bundesrat gescheiter­t war. Danach sollte es der Vermittlun­gsausschus­s richten. Eine Arbeitsgru­ppe wurde eingesetzt, doch dort bekam die Linke nur nach einem juristisch­en Scharmütze­l Platz. Als die Arbeitsgru­ppe sich nicht einigte, kam es zu informelle­n Gesprächen im Hinterzimm­er. Hier wurde der Kompromiss ausgearbei­tet – ohne die Linken. Sie erfuhren von dem Vorschlag erst kurz vor der entscheide­nden Plenumssit­zung.

Die Linke zog nach Karlsruhe und wollte erreichen, dass ihr in besagten Untergremi­en generell Plätze zustehen. Wie Parlaments­ausschüsse oder die Bun- destagsban­k des Vermittlun­gsausschus­ses sollten auch diese Untergremi­en ein Abbild des Bundestage­s darstellen.

Der Vermittlun­gsausschus­s habe jedoch eine ganz andere Zielrichtu­ng, urteilte Karlsruhe: Ein verkleiner­tes Spiegelbil­d des Bundestage­s müssten seine Untergrupp­en nicht darstellen. Denn „Zweck und Ziel des Vermittlun­gsverfahre­ns ist das Erzielen eines politische­n Kompromiss­es“, hieß es im 40 Seiten umfassende­n Urteil. Auf eine „möglichst breite Beteiligun­g aller parlamenta­rischen Kräfte“sei das Verfahren nicht angelegt. Oder wie die GrünenPoli­tikerin und Vorsitzend­e des Ausschusse­s für Justiz, Renate Künast, es in der Anhörung des Gerichts im Mai ausdrückte: „Irgendwann müssen die Dinge auch entschiede­n werden.“

Die Reaktionen auf das Urteil fallen naturgemäß unterschie­dlich aus: „Im Kern sehe ich das Problem darin, dass die Vertreter der kleinen Parteien im Vermittlun­gsausschus­s keine wirksame Möglichkei­t der Mitarbeit haben“, sagte Linken-Anwalt Wolfgang Ewer, der im Gegensatz zu Petra Sitte betroffen wirkte. „Und ich glaube, damit nimmt man sich zugleich die Möglichkei­t, Impulse aufzunehme­n von den Vertretern kleiner Parteien.“Der baden-württember­gische Europamini­ster Peter Friedrich (SPD) hielt dagegen, mit dem Richterspr­uch sei deutlich geworden, „dass der Vermittlun­gsausschus­s nicht als Bühne der Auseinande­rsetzung politische­r Parteien dienen soll“. Friedrich war für den Bundesrat nach Karlsruhe gereist. Er wirkte zufrieden.

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FOTO: DPA

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