„Durch die Fusion wird Verdi im Saarland stärker“
Landeschef Blug fordert Aufwertung von Dienstleistungen
Mindestlohn, Gesundheitswesen, Kitas – Verdi kämpft an vielen Baustellen. Über die Herausforderungen sprach SZ-Redakteur Lothar Warscheid mit dem Landesvorsitzenden des neuen Bezirks Rheinland-Pfalz-Saarland, Michael Blug.
Was erwarten Sie sich von diesem Verdi-Bundeskongress? Blug: Ich erwarte Antworten auf schwierige gesellschaftspolitische Themen. Zum Beispiel, wie wir mit dem Mindestlohn umgehen. Die Arbeitgeber hatten befürchtet, dass Zehntausende von Arbeitsplätzen verloren gehen. Dies ist nicht eingetreten. Wir haben jetzt vier Millionen Menschen, die mehr Geld bekommen für ihre Arbeit – auch wenn sie meiner Ansicht nach noch zu wenig erhalten. Doch wir sind mit dem Mindestlohn auf einem guten Weg.
Der Mindestlohn ist in Zeiten guter Konjunktur eingeführt worden. Wird er nicht zu einer Hürde in die Beschäftigung, wenn die Zeiten schlechter werden? Blug: Arbeitsplätze werden geschaffen, wenn Arbeitnehmer genug Geld haben, sich Waren und Dienstleistungen zu kaufen. Wenn sich bei vier Millionen Menschen die Einkommenssituation stark verbessert, können Sie mehr konsumieren. Und so entstehen Arbeitsplätze. Ich erinnere daran, dass Menschen vor der Einführung des Mindestlohns für 4,70 Euro pro Stunde arbeiten mussten.
Wie gut hat sich der neue VerdiLandesbezirk Rheinland-PfalzSaarland etabliert? Blug: Zunächst kann ich sagen, dass die Fusion der beiden Landesbezirke gut funktioniert hat. Durch die Fusion und den neuen Bezirk Saar-Trier wird Verdi im Saarland nicht schwächer, sondern stärker. Ich glaube, das ist uns gelungen. Wir haben in den Bereichen Gesundheitswesen oder Krankenhausplanung viel gemacht und noch einiges vor uns. Wir fühlen uns gut gewappnet, auch wenn die Herausforderungen enorm sind.
Welche sozialpolitischen Baustellen muss Verdi angehen? Blug: Wir müssen endlich einmal definieren, was der Gesellschaft die Dienstleistungen an und für den Menschen wert ist. Wir sehen das an dem Konflikt im Erziehungsdienst, der nicht gelöst ist. Sogar manche Arbeitgebervertreter sagen, dass die Erzieherinnen und das Personal in den Krankenhäusern sehr gute Arbeit leisten. Sie räumen ein, dass nicht nur beim Tarifentgelt etwas passieren müsste, sondern dass auch mehr Personal benötigt wird. Dafür fehlt es auf der anderen Seite schlicht am Geld. Das ist auch eine gesellschaftspolitische Auseinandersetzung. Die Bundesregierung muss sich fragen, wie sich die Gesellschaft entwickelt. Ist gute Arbeit für den Menschen etwas wert, und wie ist die Abgrenzung zum Produktionsprozess? Der gesellschaftspolitische Wert und der Preis für eine gute Dienstleistung ist eines der Themen, die Verdi in den nächsten Jahren beschäftigen werden.
Wie wird Verdi künftig mit Spartengewerkschaften umgehen? Blug: Wir sehen das Tarifeinheitsgesetz kritisch. Gesetzliche Regelungen zur Struktur von Gewerkschaften und den Versuch, das Streikrecht zu beeinflussen, lehnen wir ab. Eine Gesellschaft braucht starke Gewerkschaften. Dass es Spartengewerkschaften gibt, die überziehen, und einzelne Berufsgruppen, die nur an sich denken, ist nicht in Ordnung. Das Problem kann man allerdings nicht per Gesetz lösen. Dieser Konflikt muss in einer gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung ausgetragen werden. Wenn es einem Unternehmen gut geht, sollen alle, die daran mitgewirkt haben, profitieren – und nicht nur einzelne. Das ist das Prinzip von Verdi.