Klammheimliche Freude in den USA über den VW-Skandal
Das harte Vorgehen der US-Behörden gegen Volkswagen hat auch politische Gründe. Nicht zuletzt hoffen US-Konkurrenten wie General Motors, von dem Desaster bei VW zu profitieren.
Washington. Es sollte eine Party werden – und dann das: „Wir waren unehrlich. Wir haben es völlig vermasselt.“Mit diesen Worten eröffnete Volkswagens US-Chef Michael Horn die Präsentation des neuen Passat in Brooklyn. Angesichts des Abgas-Skandals, der den Konzern in Atem hält, interessiert das neue Auto aber kaum. In den Vereinigten Staaten braut sich gerade jede Menge Unmut zusammen. Die Umweltbehörde droht mit Milliardenstrafen, das Justizministerium will strafrechtliches Vorgehen prüfen, und auch der Kongress will sich dem brisanten Thema widmen, dessen Imageschaden für VW noch gar nicht voll abzusehen ist. Schließlich hatte der Konzern zuletzt in den USA vor allem die Sauberkeit und niedrigen Verbrauchswerte seiner Modelle gepriesen, um Marktanteile zurückzugewinnen. „Die nächste Werbekampagne dürfte eine Herausforderung werden,“bemerkte das „Wall Street Journal“.
Dass VW die harte Hand der amerikanischen Regierung und Justiz spüren soll, liegt aber nicht nur an formaljuristischen Regeln. Hierbei spielt auch jede Menge Politik eine Rolle. Dafür gibt es gleich mehrere Gründe. Der erste lässt sich in der Umwelt- und Klimaschutzpolitik von US-Präsident Barack Obama finden, der mit rigiden Vorgaben an die Umweltbehörde EPA unter anderem der Kohleindustrie den Krieg erklärt hatte und ohne Rücksicht auf Arbeitsplätze seine Beschränkungen durchgesetzt sehen will. Um glaubwürdig zu bleiben, ist für ihn ein Durchgreifen der EPA gegen alle „Umweltsünder“unerlässlich. Dass dabei viel Heuchelei im Spiel ist, stört ihn nicht: Denn in den USA dürfen Millionen der gelben Schulbusse, Lieferwagen und Lkw dank Ausnahmegenehmigungen weiter Rußschwaden ungefiltert in die Luft blasen – wobei deren durchschnittliche Schadstoffbelastung die eines manipulierten Passat vermutlich um ein Vielfaches übersteigt.
Hinzu kommt, dass jeder Schaden für VW einen Vorteil für amerikanische Autobauer wie General Motors bedeutet, die gerettet zu haben sich Obama in jeder wirtschaftspolitischen Rede rühmt. Im Weißen Haus und innerhalb der den Demokraten nahestehenden Autobauer- Gewerkschaft UAW dürfte man klammheimliche Freude verspüren, dass es VW erwischt hat – jenen Konzern, dessen Beschäftigte im Werk Chattanooga (Bundesstaat Tennessee) sich 2014 erfolgreich Bemühungen der UAW widersetzt hatten, sich von ihr organisieren zu lassen. Stattdessen wurde dort ein betriebsratsähnliches System ohne UAW-Einfluss installiert.
Einziger Hoffnungsschimmer: Da VW geständig ist, könnten die Strafen niedriger als geschätzt ausfallen, zumal Leib und Leben keinen erkennbaren Schaden nahmen. Selbst der Ölgigant BP musste nach der „Deepwater Horizon“-Katastrophe, bei der 2010 elf Menschen starben und ein Ökosystem massiv geschädigt wurde, nur 40 Prozent der möglichen Strafen zahlen, nachdem er sich kooperativ gezeigt hatte.