VW- Chef bittet um Entschuldigung
Martin Winterkorn will weitermachen – Mehr und mehr Rücktrittsforderungen
Wolfsburg. Martin Winterkorns Stimme ist ungewohnt holprig. Als sich der VW-Konzernchef gestern Nachmittag in einer kurzen Videobotschaft des Unternehmens äußert, strahlt er nicht gerade die ihm sonst innewohnende Souveränität aus. „Mir ist natürlich klar, dass jetzt vieles infrage gestellt wird“, sagt Winterkorn und meint damit nicht nur den bisher wenig transparenten Umgang des Weltkonzerns bei der Aufarbeitung des AbgasSkandals. Indirekt dürfte er damit auch auf seine eigene ungewisse Zukunft angespielt haben. Denn im Zuge der Affäre ist der 68-Jährige massiv unter Druck geraten. Stunde um Stunde mehren sich nicht nur Rücktrittsforderungen, auch Gerüchte um eine vermeintliche Entscheidung zu seinen Ungunsten machen die Runde.
Für Winterkorn steht alles auf dem Spiel. Doch er will weitermachen. Zum Abschluss seiner kurzen Rede betont er: „Aber es wäre falsch, wenn wegen der schlimmen Fehler einiger weniger die harte und ehrliche Arbeit von 600 000 Menschen unter Generalverdacht gerät. Das hat unsere Mannschaft nicht verdient. Auch deshalb bitten wir, bitte ich, um Ihr Vertrauen auf unserem weiteren Weg. Wir klären das auf.“
Die Krise um die manipulierten VW-Abgastests in den USA hat nicht nur den Aktienkurs in freien Fall versetzt, sondern hinter den Kulissen in Wolfsburg, Hannover und anderen Zentralen der Macht hektische Betriebsamkeit ausgelöst. Rund um den Konzernsitz glühen den ganzen Tag die Telefonleitungen. An einem geheimen Ort will das Präsidium, das oberste Kontrollgremium des Konzerns, heute das weitere Vorgehen beraten. Redebedarf haben die Aufseher genug. Eigentlich soll am Freitag Winterkorns Vertrag bis Ende 2018 verlängert werden. „Es gibt laufend Krisensitzungen“, beschreibt ein Mitglied des Aufsichtsrates die Situation.
„Eine Verlängerung des Vertrages mit Herrn Winterkorn ist inzwischen unvorstellbar“, heißt es aus dem Umfeld des Aufsichts-
MEINUNG
MMartin Winterkorn illionen Autos sind betroffen, Milliarden Euro muss der Konzern für Strafzahlungen zurücklegen, und die Konkurrenz freut sich auf den Zulauf enttäuschter VWKunden. Die Aufdeckung der Abgas-Manipulationen hat eine rasant wachsende Lawine ausgelöst, die gigantische Schäden bei VW anrichten und den Konzern auf Jahre belasten dürfte. Dass rats. Es gebe schon eine lange Liste mit möglichen Nachfolgern. „Das Problem ist nur, dass jede dieser Personen eine Riesenlücke an anderer Stelle hinterlassen würde.“Auch nach der Videobotschaft kursiert die Meinung, ein Rücktritt Winterkorns bleibe die eleganteste Lösung. Dadurch würde man nicht nur einen Verantwortlichen präsentieren können, sondern auch die Chance erhalten, die Affäre unter Kontrolle zu bekommen. Denn diese habe das Unternehmen durch die Schockstarre der vergangenen Tage längst verloren, berichtet ein Insider.
Jahrzehntelang lautete das Werbemotto der VW-Tochter Audi „Vorsprung durch Technik“– ein Synonym für hohe Qualität, Verlässlichkeit und Ingenieurs- kunst. Es stand unausgesprochen auch für die Konzernmutter. Doch nun gibt es arge Kratzer am Nimbus des zweitgrößten Autobauers der Welt. Das Werbeversprechen sauberer Dieselmotoren hat sich in den USA dank raffinierter Software-Tricksereien als Mogelpackung entpuppt und viel Vertrauen vernichtet. Rund elf Millionen Fahrzeuge sind weltweit von solchen „Abweichungen“betroffen, gab der Konzern zu.
Auch andere Länder blicken nun misstrauisch auf deutsche Dieselautos. Der Vorzeigekonzern droht seinen Ruf aufs Spiel zu setzen und könnte eine ganze Branche unter schlimmen Generalverdacht stellen. Es ist eine Lawine in Gang gekommen, die auch andere beschädigen kann. Dabei geht es auch um eine Industrie, die sich erfolgreich unter dem Motto „Made in Germany“vermarktet. Der Slogan – im Lauf der Jahrzehnte zum Gütesiegel geworden – könnte Schaden nehmen, meinen erste Mahner.
Zu den Stimmen, die vor den Folgen eines Generalverdachts für die deutschen Exporteure warnen, gehört neben Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher. Er sieht nicht nur Jobs bei VW und vielen Zulieferern im Inland gefährdet. Fratzscher fürchtet, dass „auch andere deutsche Exporteure Schaden nehmen, denn VW war bisher ein Aushängeschild für Produkte Made in Germany“.