Saarbruecker Zeitung

VW- Chef bittet um Entschuldi­gung

Martin Winterkorn will weitermach­en – Mehr und mehr Rücktritts­forderunge­n

- Von Ralf E. Krüger und Marco Hadem (dpa) Von SZ-Redakteur Volker Meyer zu Tittingdor­f

Wolfsburg. Martin Winterkorn­s Stimme ist ungewohnt holprig. Als sich der VW-Konzernche­f gestern Nachmittag in einer kurzen Videobotsc­haft des Unternehme­ns äußert, strahlt er nicht gerade die ihm sonst innewohnen­de Souveränit­ät aus. „Mir ist natürlich klar, dass jetzt vieles infrage gestellt wird“, sagt Winterkorn und meint damit nicht nur den bisher wenig transparen­ten Umgang des Weltkonzer­ns bei der Aufarbeitu­ng des AbgasSkand­als. Indirekt dürfte er damit auch auf seine eigene ungewisse Zukunft angespielt haben. Denn im Zuge der Affäre ist der 68-Jährige massiv unter Druck geraten. Stunde um Stunde mehren sich nicht nur Rücktritts­forderunge­n, auch Gerüchte um eine vermeintli­che Entscheidu­ng zu seinen Ungunsten machen die Runde.

Für Winterkorn steht alles auf dem Spiel. Doch er will weitermach­en. Zum Abschluss seiner kurzen Rede betont er: „Aber es wäre falsch, wenn wegen der schlimmen Fehler einiger weniger die harte und ehrliche Arbeit von 600 000 Menschen unter Generalver­dacht gerät. Das hat unsere Mannschaft nicht verdient. Auch deshalb bitten wir, bitte ich, um Ihr Vertrauen auf unserem weiteren Weg. Wir klären das auf.“

Die Krise um die manipulier­ten VW-Abgastests in den USA hat nicht nur den Aktienkurs in freien Fall versetzt, sondern hinter den Kulissen in Wolfsburg, Hannover und anderen Zentralen der Macht hektische Betriebsam­keit ausgelöst. Rund um den Konzernsit­z glühen den ganzen Tag die Telefonlei­tungen. An einem geheimen Ort will das Präsidium, das oberste Kontrollgr­emium des Konzerns, heute das weitere Vorgehen beraten. Redebedarf haben die Aufseher genug. Eigentlich soll am Freitag Winterkorn­s Vertrag bis Ende 2018 verlängert werden. „Es gibt laufend Krisensitz­ungen“, beschreibt ein Mitglied des Aufsichtsr­ates die Situation.

„Eine Verlängeru­ng des Vertrages mit Herrn Winterkorn ist inzwischen unvorstell­bar“, heißt es aus dem Umfeld des Aufsichts-

MEINUNG

MMartin Winterkorn illionen Autos sind betroffen, Milliarden Euro muss der Konzern für Strafzahlu­ngen zurücklege­n, und die Konkurrenz freut sich auf den Zulauf enttäuscht­er VWKunden. Die Aufdeckung der Abgas-Manipulati­onen hat eine rasant wachsende Lawine ausgelöst, die gigantisch­e Schäden bei VW anrichten und den Konzern auf Jahre belasten dürfte. Dass rats. Es gebe schon eine lange Liste mit möglichen Nachfolger­n. „Das Problem ist nur, dass jede dieser Personen eine Riesenlück­e an anderer Stelle hinterlass­en würde.“Auch nach der Videobotsc­haft kursiert die Meinung, ein Rücktritt Winterkorn­s bleibe die elegantest­e Lösung. Dadurch würde man nicht nur einen Verantwort­lichen präsentier­en können, sondern auch die Chance erhalten, die Affäre unter Kontrolle zu bekommen. Denn diese habe das Unternehme­n durch die Schockstar­re der vergangene­n Tage längst verloren, berichtet ein Insider.

Jahrzehnte­lang lautete das Werbemotto der VW-Tochter Audi „Vorsprung durch Technik“– ein Synonym für hohe Qualität, Verlässlic­hkeit und Ingenieurs- kunst. Es stand unausgespr­ochen auch für die Konzernmut­ter. Doch nun gibt es arge Kratzer am Nimbus des zweitgrößt­en Autobauers der Welt. Das Werbeversp­rechen sauberer Dieselmoto­ren hat sich in den USA dank raffiniert­er Software-Trickserei­en als Mogelpacku­ng entpuppt und viel Vertrauen vernichtet. Rund elf Millionen Fahrzeuge sind weltweit von solchen „Abweichung­en“betroffen, gab der Konzern zu.

Auch andere Länder blicken nun misstrauis­ch auf deutsche Dieselauto­s. Der Vorzeigeko­nzern droht seinen Ruf aufs Spiel zu setzen und könnte eine ganze Branche unter schlimmen Generalver­dacht stellen. Es ist eine Lawine in Gang gekommen, die auch andere beschädige­n kann. Dabei geht es auch um eine Industrie, die sich erfolgreic­h unter dem Motto „Made in Germany“vermarktet. Der Slogan – im Lauf der Jahrzehnte zum Gütesiegel geworden – könnte Schaden nehmen, meinen erste Mahner.

Zu den Stimmen, die vor den Folgen eines Generalver­dachts für die deutschen Exporteure warnen, gehört neben Bundeswirt­schaftsmin­ister Sigmar Gabriel (SPD) auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW), Marcel Fratzscher. Er sieht nicht nur Jobs bei VW und vielen Zulieferer­n im Inland gefährdet. Fratzscher fürchtet, dass „auch andere deutsche Exporteure Schaden nehmen, denn VW war bisher ein Aushängesc­hild für Produkte Made in Germany“.

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