428 Polizisten für 3327 Fans
Neue Zahlen zu Einsätzen der Saar-Polizei – Bereitschaftspolizei häufig auch außerhalb des Landes gefragt
Die saarländische Polizei schiebt einen gewaltigen Überstundenberg vor sich her. Zu den Ursachen zählen Demonstrationen und Fußballspiele – auch außerhalb des Saarlandes.
Saarbrücken. Der Ball wollte einfach nicht ins Tor. 0:0 endete am 31. März dieses Jahres das Regionalliga-Duell zwischen dem 1. FC Saarbrücken und Waldhof Mannheim. Gerade einmal 3327 Zuschauer sahen sich im Saarbrücker Ludwigspark die Partie an. Dafür waren aber 428 Polizeibeamte im Einsatz. Allein in der Saison 2014/15 war die Polizei im Saarland bei 27 Spielen im Einsatz, davon 19 Mal mit mehr als 100 Beamten. Die Begegnung FC Homburg gegen FCS sicherten in der Hinrunde 405 Beamte und in der Rückrunde 347. Beim Pokalkracher FCS gegen Dortmund im Dezember 2013 waren sogar 539 Polizisten im Einsatz. Oft müssen Bereitschaftspolizisten anderer Bundesländer aushelfen.
Die Zahlen stammen aus der Antwort der Landesregierung auf eine Anfrage der Linken. Die Abgeordnete Birgit Huonker wollte wissen, wie es sein kann, dass die rund 2900 Polizisten einen Berg von 268 000 Überstunden vor sich herschieben. „Wenn über Jahre hinweg in allen Bereichen so viele Überstunden anfallen, dann gibt es ganz offensichtlich ein strukturelles Problem“, so Huonker. Darauf könne man nicht mit dem Abbau weiterer Stellen reagieren.
Überdurchschnittlich viele Überstunden verursachen laut Regierung die Ermittlungen im Kampf gegen den internationalen Terrorismus, Einsätze bei Demonstrationen („Saarländer gegen Salafisten“), Großveranstaltungen (Saarspektakel, Musikfestivals) und „insbesondere“Fußball-Risikospiele. Hinzu kommen Ermittlungsgruppen (etwa gegen Wohnungseinbrü- che) und Sonderkommissionen (allein 2013 gab es fünf Mordkommissionen) sowie deutlich mehr Fälle von Computerkriminalität und verbotener Prostitution infolge der neuen Saarbrücker Sperrgebietsverordnung. Auch Einsätze in anderen Bundesländern verursachen Überstunden: der Staatsbesuch von US-Präsident Barack Obama, die Münchner Sicherheitskonferenzen, Demonstrationen von Neonazis und Globalisierungsgegnern, der G 7- Gipfel, Fußballspiele und so weiter.
Die personalintensiven Polizei-Einsätze bei den Spielen der saarländischen Fußballclubs sind seit Jahren ein Reiz-Thema. Experten des Landespolizeipräsidiums stufen Fußballspiele in die Kategorien rot („Störungen sind zu erwarten), gelb („Störungen sind möglich“) und grün („Störungen sind nicht zu erwarten“) ein. „Die anlässlich der Spielpaarungen erforderlichen Polizeieinsätze wurden je nach Einstufung sowie aktueller Lageerkenntnisse und deren Bewertung mit dem jeweils dafür polizeilichen Kräfte- und Maßnahmenansatz bewältigt“, so die Landesregierung. Die Risikospiele im Saarland verursachten in der Saison 2013/14 insgesamt 39 821 und in der Folgesaison 26 923 Einsatzstunden.
Geradezu explodiert ist 2015 im Vorjahresvergleich die Zahl der Einsatzstunden der Saar-Polizei in anderen Bundesländern. Allein beim G 7- Gipfel Anfang Juni in Bayern fielen den Angaben zufolge 25 027 Überstunden an. 129 Polizeibeamte des Saarlandes waren im Einsatz. Die Kosten werden Bayern in Rechnung gestellt, wie dies bei solchen Amtshilfen üblich ist. Umgekehrt muss das Saarland zahlen, wenn bei Fußballspielen Bereitschaftspolizisten aus anderen Bundesländern anreisen. Huonker kritisiert jedoch, wäh- rend bayerische Polizisten nach dem G 7-Einsatz die Wahl zwischen Ausbezahlen und Freizeitausgleich gehabt und zusätzlich zwei Tage dienstfrei bekommen hätten, poche die Saar-Regierung auf den Vorrang des Freizeitausgleichs und gewähre keine dienstfreien Tage vor.
Zu den Einsätzen außerhalb des Saarlandes zählen auch Fußballspiele in Rheinland-Pfalz (Trier, Kaiserslautern, Worms) sowie Demonstrationen. So waren jeweils mehrere Dutzend saarländische Bereitschaftspolizisten mehrfach bei islam- und ausländerfeindlichen Aufmärschen („Pegida“) in Leipzig, Frankfurt und Kaiserslautern im Einsatz. Hinzu kam ein viertägiger Einsatz bei der Eröffnung der Europäischen Zentralbank (EZB). Arbeit hätte es sogar noch mehr gegeben: Allein im ersten Halbjahr baten andere Bundesländer 104 Mal um saarländische Hilfe.
Rechte Chaoten, linke Chaoten und StadionChaoten kosten den Steuerzahler viel Geld. Die Aufregung ist verständlich, aber die wohl populärste Lösung – einfach weniger Polizei zu schicken – wäre zu einfach gedacht: Beim Gewaltmonopol darf der Staat keine Kompromisse machen. Finanzkräftigen Veranstaltern wie Profi-Clubs könnte er aber eine Rechnung schicken. Wie wäre es außerdem, wenn der Staat zur besseren Bewusstseinsbildung nach jedem Großeinsatz sagt, was er die Gesellschaft gekostet hat?