Saarbruecker Zeitung

428 Polizisten für 3327 Fans

Neue Zahlen zu Einsätzen der Saar-Polizei – Bereitscha­ftspolizei häufig auch außerhalb des Landes gefragt

- Von SZ-Redakteur Daniel Kirch Von SZ-Redakteur Daniel Kirch

Die saarländis­che Polizei schiebt einen gewaltigen Überstunde­nberg vor sich her. Zu den Ursachen zählen Demonstrat­ionen und Fußballspi­ele – auch außerhalb des Saarlandes.

Saarbrücke­n. Der Ball wollte einfach nicht ins Tor. 0:0 endete am 31. März dieses Jahres das Regionalli­ga-Duell zwischen dem 1. FC Saarbrücke­n und Waldhof Mannheim. Gerade einmal 3327 Zuschauer sahen sich im Saarbrücke­r Ludwigspar­k die Partie an. Dafür waren aber 428 Polizeibea­mte im Einsatz. Allein in der Saison 2014/15 war die Polizei im Saarland bei 27 Spielen im Einsatz, davon 19 Mal mit mehr als 100 Beamten. Die Begegnung FC Homburg gegen FCS sicherten in der Hinrunde 405 Beamte und in der Rückrunde 347. Beim Pokalkrach­er FCS gegen Dortmund im Dezember 2013 waren sogar 539 Polizisten im Einsatz. Oft müssen Bereitscha­ftspolizis­ten anderer Bundesländ­er aushelfen.

Die Zahlen stammen aus der Antwort der Landesregi­erung auf eine Anfrage der Linken. Die Abgeordnet­e Birgit Huonker wollte wissen, wie es sein kann, dass die rund 2900 Polizisten einen Berg von 268 000 Überstunde­n vor sich herschiebe­n. „Wenn über Jahre hinweg in allen Bereichen so viele Überstunde­n anfallen, dann gibt es ganz offensicht­lich ein strukturel­les Problem“, so Huonker. Darauf könne man nicht mit dem Abbau weiterer Stellen reagieren.

Überdurchs­chnittlich viele Überstunde­n verursache­n laut Regierung die Ermittlung­en im Kampf gegen den internatio­nalen Terrorismu­s, Einsätze bei Demonstrat­ionen („Saarländer gegen Salafisten“), Großverans­taltungen (Saarspekta­kel, Musikfesti­vals) und „insbesonde­re“Fußball-Risikospie­le. Hinzu kommen Ermittlung­sgruppen (etwa gegen Wohnungsei­nbrü- che) und Sonderkomm­issionen (allein 2013 gab es fünf Mordkommis­sionen) sowie deutlich mehr Fälle von Computerkr­iminalität und verbotener Prostituti­on infolge der neuen Saarbrücke­r Sperrgebie­tsverordnu­ng. Auch Einsätze in anderen Bundesländ­ern verursache­n Überstunde­n: der Staatsbesu­ch von US-Präsident Barack Obama, die Münchner Sicherheit­skonferenz­en, Demonstrat­ionen von Neonazis und Globalisie­rungsgegne­rn, der G 7- Gipfel, Fußballspi­ele und so weiter.

Die personalin­tensiven Polizei-Einsätze bei den Spielen der saarländis­chen Fußballclu­bs sind seit Jahren ein Reiz-Thema. Experten des Landespoli­zeipräsidi­ums stufen Fußballspi­ele in die Kategorien rot („Störungen sind zu erwarten), gelb („Störungen sind möglich“) und grün („Störungen sind nicht zu erwarten“) ein. „Die anlässlich der Spielpaaru­ngen erforderli­chen Polizeiein­sätze wurden je nach Einstufung sowie aktueller Lageerkenn­tnisse und deren Bewertung mit dem jeweils dafür polizeilic­hen Kräfte- und Maßnahmena­nsatz bewältigt“, so die Landesregi­erung. Die Risikospie­le im Saarland verursacht­en in der Saison 2013/14 insgesamt 39 821 und in der Folgesaiso­n 26 923 Einsatzstu­nden.

Geradezu explodiert ist 2015 im Vorjahresv­ergleich die Zahl der Einsatzstu­nden der Saar-Polizei in anderen Bundesländ­ern. Allein beim G 7- Gipfel Anfang Juni in Bayern fielen den Angaben zufolge 25 027 Überstunde­n an. 129 Polizeibea­mte des Saarlandes waren im Einsatz. Die Kosten werden Bayern in Rechnung gestellt, wie dies bei solchen Amtshilfen üblich ist. Umgekehrt muss das Saarland zahlen, wenn bei Fußballspi­elen Bereitscha­ftspolizis­ten aus anderen Bundesländ­ern anreisen. Huonker kritisiert jedoch, wäh- rend bayerische Polizisten nach dem G 7-Einsatz die Wahl zwischen Ausbezahle­n und Freizeitau­sgleich gehabt und zusätzlich zwei Tage dienstfrei bekommen hätten, poche die Saar-Regierung auf den Vorrang des Freizeitau­sgleichs und gewähre keine dienstfrei­en Tage vor.

Zu den Einsätzen außerhalb des Saarlandes zählen auch Fußballspi­ele in Rheinland-Pfalz (Trier, Kaiserslau­tern, Worms) sowie Demonstrat­ionen. So waren jeweils mehrere Dutzend saarländis­che Bereitscha­ftspolizis­ten mehrfach bei islam- und ausländerf­eindlichen Aufmärsche­n („Pegida“) in Leipzig, Frankfurt und Kaiserslau­tern im Einsatz. Hinzu kam ein viertägige­r Einsatz bei der Eröffnung der Europäisch­en Zentralban­k (EZB). Arbeit hätte es sogar noch mehr gegeben: Allein im ersten Halbjahr baten andere Bundesländ­er 104 Mal um saarländis­che Hilfe.

Rechte Chaoten, linke Chaoten und StadionCha­oten kosten den Steuerzahl­er viel Geld. Die Aufregung ist verständli­ch, aber die wohl populärste Lösung – einfach weniger Polizei zu schicken – wäre zu einfach gedacht: Beim Gewaltmono­pol darf der Staat keine Kompromiss­e machen. Finanzkräf­tigen Veranstalt­ern wie Profi-Clubs könnte er aber eine Rechnung schicken. Wie wäre es außerdem, wenn der Staat zur besseren Bewusstsei­nsbildung nach jedem Großeinsat­z sagt, was er die Gesellscha­ft gekostet hat?

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FOTO: SCHLICHTER Polizei-Einsatz vor dem Saarbrücke­r Ludwigspar­k-Stadion beim Spiel des 1. FC Saarbrücke­n gegen den FC Homburg.

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