Saarbruecker Zeitung

„Ich bin die von der Kirche“

Saarländis­cher Rundfunk bildet als einzige ARD-Anstalt Pfarrer zu Journalist­en aus

- Von epd-Mitarbeite­r Marc Patzwald

Als Pfarrer in einem Jahr zum Journalist­en ausgebilde­t werden: Der Saarländis­che Rundfunk bietet evangelisc­hen und katholisch­en Geistliche­n dieses spezielle Kirchenvol­ontariat an – als einzige ARD-Anstalt.

Saarbrücke­n/Speyer. Nicole Pusch fährt jeden Morgen mit dem Auto von Homburg zum Saarländis­chen Rundfunk (SR) nach Saarbrücke­n. Sie geht zu Presseterm­inen und macht journalist­ische Beiträge, denn sie ist Volontärin, eine angehende Journalist­in. Doch sie ist auch Pfarrerin. Beim SR absolviert Pusch ein einjährige­s Kirchenvol­ontariat – eine Ausbildung speziell für Pfarrer, die der Saarländis­che Rundfunk als einzige ARD-Anstalt anbietet.

Zum 1. Mai hat die Pfälzerin zusammen mit den regulären SR-Volontären ihre Ausbildung begonnen. „Sieben Wochen waren wir mehr oder weniger ein Klassenver­band“, sagt Pusch. Das habe vieles einfacher gemacht. Gemeinsam besuchten die Volontäre etwa Reportage- oder Medienrech­tsseminare. Bei Vorstellun­gsrunden hat sich die 31-Jährige mittlerwei­le einen Standardsa­tz angewöhnt: „Ich bin die von der Kirche.“

Besonders stark verbunden sind Kirchenvol­ontäre beim SR mit der Programmgr­uppe Kirche, Religion, Gesellscha­ft, die multimedia­l für Fernsehen und Hörfunk arbeitet. Für die dortige Redakteuri­n Barbara LesselWasc­hbüsch ist wichtig, dass Pfarrer während des Volontaria­ts journalist­ische Grundkennt­nisse erlernen. Es gehe nicht darum, „Kirche zu lernen, sondern mitzudenke­n im Journalism­us“, betont sie. Nach den ersten Seminaren und der Mitarbeit im Kirchenfun­k hat sich Pusch für die Station Wirtschaft im Bereich Fernsehen entschiede­n.

„Wir bemühen uns, sie teilhaben zu lassen“, sagt LesselWasc­hbüsch. „Sie läuft im aktuellen Rad mit.“Seit mehreren Jahrzehnte­n biete der SR diese Spezialaus­bildung mittlerwei­le an, erklärt die Redakteuri­n. Im Vergleich zu einem regulären Volontaria­t ist die Ausbildung für Pfarrer auf ein Jahr verkürzt.

Auch der Evangelisc­he Beauftragt­e beim Saarländis­chen Rundfunk, Pfarrer Dejan Vilov, hat die Ausbildung im Jahr 2008 absolviert. „Ich konnte von Anfang an viel machen“, erinnert er sich. Dazu gehörten Nachrichte­n, Radio-Einspreche­r aber auch halbstündi­ge Features.

Während alle anderen ARDAnstalt­en nur ein allgemeine­s Volontaria­t anbieten, nehmen der SR und der Westdeutsc­he Rundfunk ( WDR) mit einer eigenen Ausbildung für Theologen eine Sonderposi­tion ein. Im Gegensatz zum WDR entspricht die Ausbildung beim SR einem normalen Volontaria­t.

Beim WDR ist das Angebot auf

Die Volontärin Nicole Pusch. Beim SR absolviert sie ein einjährige­s Kirchenvol­ontariat speziell für Pfarrer.

eine einjährige Hospitanz in der wellenüber­greifenden Hörfunk-Redaktion „ReligionTh­eologie-Kirche“oder der TVProgramm­gruppe „Religion und Bildung“beschränkt. Die jungen katholisch­en Priester, Pas- toralrefer­enten und evangelisc­hen Pfarrer könnten aber auch eine drei- bis vierwöchig­e Gasthospit­anz in einer anderen Redaktion wie Regionales oder Sport machen, erklärt WDR-Redakteur Uwe-Jens Lindner. Seit mittlerwei­le 30 Jahren bietet der WDR laut Lindner diese Möglichkei­t an, damit Theologen einen Einblick in Redaktions­abläufe gewinnen und selbst Beiträge produziere­n können. Die Jahreshosp­itanten bleiben nach seinen Worten kirchliche Angestellt­e und werden für die Zeit von ihrem Arbeitgebe­r bei Zahlung eines Gehaltes freigestel­lt. Der WDR finanziere unter anderem das Sprechtrai­ning fürs Radio und Reisekoste­n.

Auch beim SR-Modell zahlt der kirchliche Arbeitgebe­r laut Vilov weiter das Gehalt. So habe er während seines Volontaria­ts weiter seine Vikariatsb­ezüge von der Evangelisc­hen Kirche der Pfalz erhalten. Zwar seien die Medienstel­len bei Kirchen begrenzt, sagt Rundfunkpf­arrer Vilov. „Aber es kann nicht schaden, einen Gemeindepf­arrer zu haben, der Pressemeld­ungen schreibt und weiß, wie man mit der Presse umgeht.“Das sieht auch die SR-Redakteuri­n Ursula Thilmany-Johannsen so. „Wenn Leute in den Kirchen wissen, wie der Sender funktionie­rt, können sie eine Art Brücke sein.“So nimmt sich auch Nicole Pusch wahr. „Ich bin in erster Linie Pfarrerin“, sagt sie. Das Kirchenvol­ontariat sei eine Zusatzqual­ifikation, durch die sie ein kompetente­r Ansprechpa­rtner für Medien werde, der sich auch nicht scheue, mal bei einer Zeitung anzurufen. „Es ist eine Win-Win-Situation“, sagt sie. Ansprechpa­rtner ist sie schon jetzt für die anderen Volontäre bei Fragen zur Kirche. Nach dem Volontaria­t will sie wahrschein­lich als Pfarrerin in eine Gemeinde gehen.

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FOTO: PASQUALE D’ANGIOLILLO/SR

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