Was landet wie im Smartphone?
Neue Pläne im Deutschen Zeitungsmuseum, das nun doch in Wadgassen bleibt
Das Zeitungsmuseum in Wadgassen will das Manko seines Standorts, der ihm fast keine Laufkundschaft beschert, offensiv angehen: Vier neue Räume sollen gezielt junge Menschen ansprechen und der Anfang einer Modernisierung sein.
Wadgassen. Man könnte es spontan für eine Tugend halten, die aus der Not geboren ist. Aber dafür wirkt Roger Münch zu enthusiastisch. Mit sichtlicher Freude führt er durch sein Zeitungsmuseum, das nun, nach einigen Diskussionen, doch nicht nach Saarbrücken umzieht (siehe Infokasten). Dass der Standort nun in Stein gemeißelt ist, scheint Münch und sein Team beflügelt zu haben, mit einem „Jetzt erst recht“noch einmal verstärkt gegen das Manko des Museums anzugehen: Ihm fehlt die Laufkundschaft, anders als den Saarbrücker Häusern der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz wie dem Saarlandmuseum oder dem Museum für Vor- und Frühgeschichte.
In Wadgassen sollen nun vier neue Räume, in denen gerade noch gebohrt und gehämmert wird, ein junges Publikum locken, das mit der Dauerausstellung möglicherweise schwerer anzusprechen ist. „Für die jungen Leute ist Gutenberg Mittelalter“, sagt Münch, der die Jugend dort „abholen will, wo sie ist – in der Gegenwart“. Deshalb will Münch den Begriff „Zeitung“auch erweitert verstanden wissen, im Sinne des mittelhochdeutschen „zidunge“, was Nachricht, Botschaft bedeutet. Das ist für ihn die Kernfrage, auch abseits des bedruckten Papiers, das zunehmend an Bedeutung verliert: Wie wird aus einem Geschehnis eine Nachricht, die der moderne Mensch heute vor allem auf dem Smartphone sieht?
Das sollen die vier Räume zeigen, indem sie die Entwicklung der Nachrichtenübermittlung behandeln und dabei auch die Lücke schließen zwischen der Dauerausstellung, die bei der Ermordung Kennedys endet, und der Gegenwart: Um Nachrichtenübermittlung per Fotografie geht es, per Ton, Text und bewegtem Bild, ob nun im Fernsehen, auf dem PCBildschirm oder dem Handy-Display. Der FotoRaum ist schon fertig und zeigt das Konzept exemplarisch: Das älteste Stück ist die erste veröffentlichte Fotografie von 1826, eine etwas verschwommene Stadtansicht; das jüngste ein Smartphone. Dazwischen darf man staunen über einen klobigen Diabetrachter aus den 60ern, das erste Handy mit integrierter Kamera (2004) und das erste Foto, das im Internet hochgeladen wurde, anno 1992: ein Bild der Schweizer Band Les Horribles Cernettes.
Wie Nachrichten manipuliert werden, wird auch deutlich: Ein 1992er „Spiegel“-Titel
Roger Münch zeigt Asylsuchende, die sich links und rechts an Polizisten vorbeidrängen, die die Massen vergeblich aufzuhalten versuchen; im Heft selbst ist das Bild dann unmanipuliert zu sehen: ohne besagte (und einkopierte) Polizisten, was aus drängelnden Menschen einfach wieder viele Menschen macht. Hier liegt für Münch der Knackpunkt: Die neuen Räume sollen den jungen Besucher einen kritischen Umgang mit den Medien nahe legen, es geht um Medienkompetenz, um das Wissen um mögliche Manipulation. Auch der „Stern“-Titel mit Hitlers scheinbaren Tagebüchern hängt aus, ein SharonStone-Interview, kreativ erlogen vom Fiktiv-Interviewer Tom Kummer; hinreißend dreist ist ein Klatschblatt, das auf dem Titel Angela Merkels Rücktritt verkündet und das im Heft dann kleinlaut relativiert – es könnte ja immerhin sein. „Versuchskaninchen“gesucht Seine neuen Räume mit Führung will das Museum bald testen: Im Oktober wird es dritte und vierte Klassen saarländischer Schulen anschreiben und sich laut Museumspädagogen Sascha Boßlet „vier bis fünf Pilotschulen aussuchen“. Deren Mädchen und Jungen werden dann durch die Räume geführt, wo Ausprobieren und Anfassen ausdrücklich erwünscht sind. „Diese Schüler sind unsere Versuchskaninchen“, sagt Münch, „das Konzept soll nicht starr sein“, man werde stets auf Rückmeldungen und auch technische Neuerungen reagie-
ren. Überhaupt sieht Münch die Erweiterung als eine Veränderung des Gesamtkonzepts; man sei ja „ein halb historisches, halb technisches Museum“und damit manchmal „weder Fisch noch Fleisch“. Ihm schwebt eher eine Art „phänomenologisches Museum“vor, das sich mit dem Phänomen des Sich-Informierens beschäftigt und nicht zwingend an der Zeitung an sich orientiert ist, nicht das „einzig Seligmachende“. Er könnte sich in der Zukunft auch einen prägnanten Untertitel für das Museum vorstellen, der den modernen Aspekt betont. Derweil arbeitet Sascha Boßlet an der Verknüpfung der Dauerausstellung mit dem avisierten jungen Publikum: Die Schau soll bald als App auf Smartphones zu erleben sein.