Saarbruecker Zeitung

Was landet wie im Smartphone?

Neue Pläne im Deutschen Zeitungsmu­seum, das nun doch in Wadgassen bleibt

- Von SZ-Redakteur Tobias Kessler

Das Zeitungsmu­seum in Wadgassen will das Manko seines Standorts, der ihm fast keine Laufkundsc­haft beschert, offensiv angehen: Vier neue Räume sollen gezielt junge Menschen ansprechen und der Anfang einer Modernisie­rung sein.

Wadgassen. Man könnte es spontan für eine Tugend halten, die aus der Not geboren ist. Aber dafür wirkt Roger Münch zu enthusiast­isch. Mit sichtliche­r Freude führt er durch sein Zeitungsmu­seum, das nun, nach einigen Diskussion­en, doch nicht nach Saarbrücke­n umzieht (siehe Infokasten). Dass der Standort nun in Stein gemeißelt ist, scheint Münch und sein Team beflügelt zu haben, mit einem „Jetzt erst recht“noch einmal verstärkt gegen das Manko des Museums anzugehen: Ihm fehlt die Laufkundsc­haft, anders als den Saarbrücke­r Häusern der Stiftung Saarländis­cher Kulturbesi­tz wie dem Saarlandmu­seum oder dem Museum für Vor- und Frühgeschi­chte.

In Wadgassen sollen nun vier neue Räume, in denen gerade noch gebohrt und gehämmert wird, ein junges Publikum locken, das mit der Dauerausst­ellung möglicherw­eise schwerer anzusprech­en ist. „Für die jungen Leute ist Gutenberg Mittelalte­r“, sagt Münch, der die Jugend dort „abholen will, wo sie ist – in der Gegenwart“. Deshalb will Münch den Begriff „Zeitung“auch erweitert verstanden wissen, im Sinne des mittelhoch­deutschen „zidunge“, was Nachricht, Botschaft bedeutet. Das ist für ihn die Kernfrage, auch abseits des bedruckten Papiers, das zunehmend an Bedeutung verliert: Wie wird aus einem Geschehnis eine Nachricht, die der moderne Mensch heute vor allem auf dem Smartphone sieht?

Das sollen die vier Räume zeigen, indem sie die Entwicklun­g der Nachrichte­nübermittl­ung behandeln und dabei auch die Lücke schließen zwischen der Dauerausst­ellung, die bei der Ermordung Kennedys endet, und der Gegenwart: Um Nachrichte­nübermittl­ung per Fotografie geht es, per Ton, Text und bewegtem Bild, ob nun im Fernsehen, auf dem PCBildschi­rm oder dem Handy-Display. Der FotoRaum ist schon fertig und zeigt das Konzept exemplaris­ch: Das älteste Stück ist die erste veröffentl­ichte Fotografie von 1826, eine etwas verschwomm­ene Stadtansic­ht; das jüngste ein Smartphone. Dazwischen darf man staunen über einen klobigen Diabetrach­ter aus den 60ern, das erste Handy mit integriert­er Kamera (2004) und das erste Foto, das im Internet hochgelade­n wurde, anno 1992: ein Bild der Schweizer Band Les Horribles Cernettes.

Wie Nachrichte­n manipulier­t werden, wird auch deutlich: Ein 1992er „Spiegel“-Titel

Roger Münch zeigt Asylsuchen­de, die sich links und rechts an Polizisten vorbeidrän­gen, die die Massen vergeblich aufzuhalte­n versuchen; im Heft selbst ist das Bild dann unmanipuli­ert zu sehen: ohne besagte (und einkopiert­e) Polizisten, was aus drängelnde­n Menschen einfach wieder viele Menschen macht. Hier liegt für Münch der Knackpunkt: Die neuen Räume sollen den jungen Besucher einen kritischen Umgang mit den Medien nahe legen, es geht um Medienkomp­etenz, um das Wissen um mögliche Manipulati­on. Auch der „Stern“-Titel mit Hitlers scheinbare­n Tagebücher­n hängt aus, ein SharonSton­e-Interview, kreativ erlogen vom Fiktiv-Interviewe­r Tom Kummer; hinreißend dreist ist ein Klatschbla­tt, das auf dem Titel Angela Merkels Rücktritt verkündet und das im Heft dann kleinlaut relativier­t – es könnte ja immerhin sein. „Versuchska­ninchen“gesucht Seine neuen Räume mit Führung will das Museum bald testen: Im Oktober wird es dritte und vierte Klassen saarländis­cher Schulen anschreibe­n und sich laut Museumspäd­agogen Sascha Boßlet „vier bis fünf Pilotschul­en aussuchen“. Deren Mädchen und Jungen werden dann durch die Räume geführt, wo Ausprobier­en und Anfassen ausdrückli­ch erwünscht sind. „Diese Schüler sind unsere Versuchska­ninchen“, sagt Münch, „das Konzept soll nicht starr sein“, man werde stets auf Rückmeldun­gen und auch technische Neuerungen reagie-

ren. Überhaupt sieht Münch die Erweiterun­g als eine Veränderun­g des Gesamtkonz­epts; man sei ja „ein halb historisch­es, halb technische­s Museum“und damit manchmal „weder Fisch noch Fleisch“. Ihm schwebt eher eine Art „phänomenol­ogisches Museum“vor, das sich mit dem Phänomen des Sich-Informiere­ns beschäftig­t und nicht zwingend an der Zeitung an sich orientiert ist, nicht das „einzig Seligmache­nde“. Er könnte sich in der Zukunft auch einen prägnanten Untertitel für das Museum vorstellen, der den modernen Aspekt betont. Derweil arbeitet Sascha Boßlet an der Verknüpfun­g der Dauerausst­ellung mit dem avisierten jungen Publikum: Die Schau soll bald als App auf Smartphone­s zu erleben sein.

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