Saarbruecker Zeitung

Gehört die Stadt bald den Alten?

Saarbrücke­r diskutiert­en mit Experten über Stadtentwi­cklung

- Von SZ-Redakteur Fabian Bosse

Wie werden wir Saarbrücke­r in der Zukunft leben, und wie wollen wir das überhaupt? Das war das Thema einer Diskussion­srunde mit Saarbrücke­rn und Experten aus der Verwaltung und Fachleuten für Stadtentwi­cklung am Montag im Rathaus.

Saarbrücke­n. „Neue Lebensqual­ität“– das ist das erklärte Ziel der großen Saarbrücke­r Stadtentwi­cklungspro­jekte wie der „Stadtmitte am Fluss“oder der „Grünen Insel Kirchberg“. Dabei geht es darum, den öffentlich­en Raum so umzugestal­ten, dass er ein lebendiges und attraktive­s Lebensumfe­ld ist. Doch wie das umsetzen angesichts der klammen Kassen? Und wie können Saarbrücke­r da mitgestalt­en?

Diese Fragen wurden an diesem Abend mit Experten in einer sogenannte­n Fishbowl (Goldfischg­las)-Diskussion besprochen, bei der Experten in der Mitte sitzen und die Zuschauer drumherum. Wer etwas zu einem Thema fragen oder sagen will, kommt einfach in die Mitte und setzt sich dazu. Als Experten waren Stefan Ochs, Professor für Architektu­r und Bauingenie­urwesen an der Hochschule für Technik und Wissenscha­ft (HTW) geladen, Sven Uhrhan, Leiter der Regionalen­twicklung und Planung des Regionalve­rbands Saarbrücke­n und Professor Kai Tobias von der Technische­n Universi-

Stadtmitte und Peripherie: Experten diskutiert­en im Rathaus mit den Besuchern über Saarbrücke­r Stadtentwi­cklung.

tät Kaiserslau­tern (Freiraumen­twicklung).

Die Stadt von morgen wird nach Meinung der Experten vor allem auch ein Spannungsf­eld zwischen Alt und Jung sein. Der demografis­che Wandel führe dazu, dass viele ältere Menschen die Stadt für sich entdecken. „Der Rollator wird zum Mobilitäts­tool der Zukunft“, so lautet die überspitzt­e These des Architektu­rprofessor­s Stefan Ochs. Viele Menschen, die jetzt in den Vororten der Stadt, in großen Häusern leben, wollen näher am kulturelle­n Leben der Stadt sein und ihre Häuser für eine Wohnung in der Stadt eintausche­n. Dafür müsse natürlich die Infrastruk­tur angepasst werden, wie zum Beispiel die Barrierefr­eiheit gesichert sein. Sven Uhrhan aus dem Bereich Regionalen­twicklung warf dazu ein, dass aber oft verschiede­ne Ansprüche an Wohnvierte­l gestellt würden, wie zum Beispiel im Nauwieser Viertel: Hier gäbe es bereits ein Spannungsf­eld zwischen Ereignisra­um und Erholungs- und Ruheraum.

Die Experten fordern daher besonders von jungen Menschen und Familien, sich in die Stadtentwi­cklung einzumisch­en: „Wir sind eine weichgespü­lte Generation. Wir sind es nicht mehr gewohnt, für unsere Rechte und Bedürfniss­e zu streiten“, sagt Uhrhan. Das bestätigte auch die Leiterin des Stadtplanu­ngsamtes Monika Kunz: „Es fehlt die Beteiligun­g der jungen Generation. Für den Verkehrsen­twicklungs­plan finden wir zum Beispiel keine jungen Menschen“. Diese Pauschalkr­itik wollten sich einige Gäste nicht gefallen lassen. Ein Gast warf ein, dass junge Menschen sehr wohl Stadtentwi­cklung betreiben würden, wie zum Beispiel im Ostviertel. Oder beim Urban Gardening oder den sogenannte­n Zwischennu­tzungsräum­en, bei denen Leerstände bespielt werden, bis neue Mieter da seien.

Eine Besucherin berichtet, dass ihr Sohn in der Schweiz in alternativ­en Wohnkonzep­ten glücklich lebt, bei der es zwar private Räume gäbe, aber Gärten und Gemeinscha­ftsräume von Vielen genutzt würden. Das klassische Einfamilie­nhaus erfülle immer weniger die Bedürfniss­e einer mobilen und grenzenlos­en Jugend, bestätigt Stefan Ochs. Die demografis­che Realität sei gerade im ländlichen Raum nicht mehr in Einklang mit den wirtschaft­lichen Vorstellun­gen der Anbieter. Die Grundstück­spreise seien dort zu hoch. Junge Familien könnten sich kaum Wohnraum weder in der Stadt und noch in den Kommunen leisten.

Die bundesweit­e Diskussion­sreihe „Wissenscha­ft kontrovers“stellt aktuelle Fragen zum Leben in der Stadt von morgen. Bürger diskutiere­n auf Augenhöhe mit den Experten und geben ihr Feedback direkt an die Forschung weiter.

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FOTO: FAB

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