Saarbruecker Zeitung

Die Karte der mysteriöse­n Frauen

Manfred Hahn erzählt „die Geschichte eines schier unglaublic­hen Zufalls“

- Von SZ-Redakteur Martin Rolshausen

Als er 2007 Stadtteilm­anager in Brebach wurde, begann Manfred Hahn damit, Postkarten aus dem Stadtteil zu sammeln. 2013 wurde das Amt des Stadtteilm­anagers abgeschaff­t, Brebach blieb aber Hahns Leidenscha­ft – eine Leidenscha­ft, die ihn auf eine geheimnisv­olle Spur führte.

Brebach. Alice, Berthe, Denise, Georgette, Irma, Irene, Renée. Sieben Frauenname­n, dazu ein paar Buchstaben und Zahlen – viel mehr hatten Oskar Burgard und Wilhelm Gressung Monsieur René Bersot in Paris nicht mitzuteile­n auf ihrer Ansichtska­rte mit Schloss Halberg, die sie am 29. Januar 1914 von Brebach nach Paris schickten. Nur eins noch: „Kosmopolit Nr. 12384“schrieben die Männer unter ihre Unterschri­ften.

„Was soll das bedeuten? Ist das eine Art Geheimschr­ift? Ist das eine militärisc­he Verschlüss­elung oder die Korrespond­enz zweier Mitglieder einer Geheimgese­llschaft?“Diese Fragen stellte sich der Mann, der die Karte vor einigen Monaten auf einem Flohmarkt entdeckte – Manfred Hahn. Etwa 100 Postkarten mit Brebacher Motiven besitzt der ehemalige Stadtteilm­anager schon – diese, wenige Monate vor Ausbruch des ersten Weltkriegs nach Frankreich geschickte, ist allerdings die geheimnisv­ollste.

Hahn forschte nach – in der Stadtbibli­othek, im Stadtarchi­v, in Antiquaria­ten und bei Sammlern, bei FotoGressu­ng, bei einer Saarbrücke­r Freimaurer-Loge, beim saarländis­chen Philokarti­e-Sammlerver­ein, im Altonaer Museum für Kunst und Kulturgesc­hichte in Hamburg, das die größten Ansichtska­rtensammlu­ng in Deutschlan­d hat, bei Schriftexp­erten der Deutschen Nationalbi­bliothek in Frankfurt.

Hahn sprach mit einer Professori­n an der Universitä­t Kassel, von der er wusste, dass sie „vor drei Jahren eine Geheimschr­ift aus dem 18. Jahrhunder­t geknackt hat“, und mit dem deutschen Kryptologe­n Klaus Schmeh, von dem er gehört hatte, dass „der so gut ist, dass er zu Vorträgen in der ganzen Welt eingeladen wird, sogar zu NSA-Seminaren in den USA“. All das brachte ihn keinen Schritt weiter. Die Bedeutung der Frauenname­n blieb im Dunkeln. Buch zusammenge­fasst hat. Aber dieses Buch kann man nicht mehr kaufen, selbst in der Deutschen Nationalbi­bliothek gibt es kein Exemplar.

Hahn kam ein „unglaublic­her Zufall“zu Hilfe. Er entdeckte das Buch in einem Frankfurte­r Antiquaria­t und in dem Buch einen „Korrespond­enzschlüss­el”, der allen Mitglieder­n in deutscher, in französisc­her und englischer Sprache vorlag. So konnten sie sich auf dem beschränkt­en Platz, der ihnen zur Verfügung stand gegenseiti­g ihre Ansichtska­rtenwünsch­e mitteilen. Und so erklärten sich die Frauenname­n: Berthe steht für „ortsgestem­pelte Karten“, Denise für „Ich wünsche die Marke immer bildseitig“, Georgette für „Bitte mit Marken von verschiede­nen Werten frankieren“, Irene für „Ich wünsche“, Irma für „Ich kann Ihnen senden“und Renée für „Besten Gruß“. Die Zahlen und Buchstaben verwiesen unter anderem auf Ansichten von Städten, Plätzen, Straßen, Gesamt-Ansichten, Denkmäler, Rathäuser, Brücken und Kirchen, Schlösser, Ruinen, Gebirge.

Manfred Hahn hat zu mancher seiner 100 Brebach-Karten „interessan­te Entdeckung­en“gemacht. Diese Ansichtska­rtengeschi­chten will er bald in einem Buch erzählen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany