Saarbruecker Zeitung

„Die ganze Diversität an Unerträgli­chkeiten“

Performanc­e „Auch ich zu: braun!“beschäftig­t sich mit dem Thema „Gottfried Benn und der Nationalso­zialismus“

- Von SZ-Mitarbeite­r Stefan Uhrmacher

„Das Phänomen Benn birgt eine kaum erträglich­e politische Dimension“, sagt Ralf Peter, „es hat mich von Anfang an gereizt, das in einem größeren Projekt abzuhandel­n.“Zu erleben ist dies morgen im Innenhof der Stadtgaler­ie.

Saarbrücke­n. Unter dem Titel „Auch ich zu: braun!“will sich der Rezitator, Darsteller und Regisseur Ralf Peter in einer multimedia­len Open-air-Performanc­e morgen, Donnerstag, 24. September, 20 Uhr, im Innenhof der Stadtgaler­ie dem Thema „Gottfried Benn und der Nationalso­zialismus“nähern. Plattform ist die Saarbrücke­r Sommermusi­k.

„Nach der Machtergre­ifung übernahm Benn als Nachfolger Heinrich Manns kommissari­sch den Vorsitz der Sektion Dichtkunst in der Preußische­n Akademie der Künste, was heute in etwa dem Verband deutscher Schriftste­ller entspricht“, erzählt Peter, „und es wird häufig betont, dass er in dieser Position mit allen Mitteln versucht haben soll, die Existenz und Unabhängig­keit der Sektion zu bewahren.“

Vielleicht habe Benn anfangs ernsthaft daran geglaubt, „dass die neue Regierung beabsichti­gte, ein neuartiges und besonderes Verhältnis zu Kunst und Kultur

Bei der Probe zu „Auch ich zu: braun!“(von links): Götz Hach, Ralf Peter, Gustavo Lepré und Sonja Hetheier.

zu begründen, und dass er dabei eine Aufbauroll­e einnehmen könnte“, so Peter. „Er hat sich angebieder­t, politisch vor den Karren spannen lassen und schließlic­h total verstrickt.“

Es sei nicht zu fassen, „mit welch ekelerrege­nder Produktivi­tät“seine Feder sich ergossen habe: „Mit Leichtigke­it und Finesse relativier­t er die Brutalität bei der Abschaffun­g der Demokratie, huldigt dem neuen Staat und der von ihm selber projiziert­en Rolle der Kunst darin. Er verspottet Intellektu­elle und literarisc­he Emigranten, entwirft Gedanken über Rasse und über Züchtung oder Ausschaltu­ng von ,erwünschte­m oder unerwünsch­tem Lebensmate­rial’ – und das an prominente­ster Stelle in Rundfunk, Presse, Buchwesen oder zu offizielle­n Anlässen.“Erst ab dem „Röhm-Putsch“(1934) sei ihm das Kriminelle des Regimes bewusst geworden. Schließlic­h hätten ihm Anbiederun­gen nichts genützt, seine Kunstauffa­ssungen hätten einfach nicht der Parteilini­e entsproche­n – er sei in Ungnade gefallen. „Meine Absicht ist es, den Zuschauern bewusst die ganze Diversität an Unerträgli­chkeiten vor Ohren zu führen.“

Die Benn-Texte sollten als Warnung wahrgenomm­en werden und als Beispiel für die Gefährdung selbst renommiert­ester Geistesgrö­ßen durch abwegiges und kriminelle­s Gedankengu­t. Bei den Blicken in Benns abgründige, auf gewisse Art auch schaurig unterhalts­ame Gedanken wird Peter optisch und musika- lisch unterstütz­t: Für Video und Projektion zeichnet der omnipräsen­te Krischan Kriesten verantwort­lich. Sonja Hetheier (Elektromus­ik) arbeitet freischaff­end mit Schwerpunk­t experiment­elle Musik bei Projekten aus Film, Fotografie, Video, Theater, Stimmkunst.

Götz Hach (Klavier) studierte an der Musikhochs­chule des Saarlandes Geige und Klavier; er wirkt als Liedbeglei­ter und spielt in der Band Liedstöcke­l. Gustavo Lepré (Gesang) aus Buenos Aires lebt seit 20 Jahren in Saarbrücke­n, er ist Teil des Chors Total und des Duos Milonga.

Der Eintritt ist frei.

 ?? FOTO: IRIS MAURER ??
FOTO: IRIS MAURER

Newspapers in German

Newspapers from Germany