„Die ganze Diversität an Unerträglichkeiten“
Performance „Auch ich zu: braun!“beschäftigt sich mit dem Thema „Gottfried Benn und der Nationalsozialismus“
„Das Phänomen Benn birgt eine kaum erträgliche politische Dimension“, sagt Ralf Peter, „es hat mich von Anfang an gereizt, das in einem größeren Projekt abzuhandeln.“Zu erleben ist dies morgen im Innenhof der Stadtgalerie.
Saarbrücken. Unter dem Titel „Auch ich zu: braun!“will sich der Rezitator, Darsteller und Regisseur Ralf Peter in einer multimedialen Open-air-Performance morgen, Donnerstag, 24. September, 20 Uhr, im Innenhof der Stadtgalerie dem Thema „Gottfried Benn und der Nationalsozialismus“nähern. Plattform ist die Saarbrücker Sommermusik.
„Nach der Machtergreifung übernahm Benn als Nachfolger Heinrich Manns kommissarisch den Vorsitz der Sektion Dichtkunst in der Preußischen Akademie der Künste, was heute in etwa dem Verband deutscher Schriftsteller entspricht“, erzählt Peter, „und es wird häufig betont, dass er in dieser Position mit allen Mitteln versucht haben soll, die Existenz und Unabhängigkeit der Sektion zu bewahren.“
Vielleicht habe Benn anfangs ernsthaft daran geglaubt, „dass die neue Regierung beabsichtigte, ein neuartiges und besonderes Verhältnis zu Kunst und Kultur
Bei der Probe zu „Auch ich zu: braun!“(von links): Götz Hach, Ralf Peter, Gustavo Lepré und Sonja Hetheier.
zu begründen, und dass er dabei eine Aufbaurolle einnehmen könnte“, so Peter. „Er hat sich angebiedert, politisch vor den Karren spannen lassen und schließlich total verstrickt.“
Es sei nicht zu fassen, „mit welch ekelerregender Produktivität“seine Feder sich ergossen habe: „Mit Leichtigkeit und Finesse relativiert er die Brutalität bei der Abschaffung der Demokratie, huldigt dem neuen Staat und der von ihm selber projizierten Rolle der Kunst darin. Er verspottet Intellektuelle und literarische Emigranten, entwirft Gedanken über Rasse und über Züchtung oder Ausschaltung von ,erwünschtem oder unerwünschtem Lebensmaterial’ – und das an prominentester Stelle in Rundfunk, Presse, Buchwesen oder zu offiziellen Anlässen.“Erst ab dem „Röhm-Putsch“(1934) sei ihm das Kriminelle des Regimes bewusst geworden. Schließlich hätten ihm Anbiederungen nichts genützt, seine Kunstauffassungen hätten einfach nicht der Parteilinie entsprochen – er sei in Ungnade gefallen. „Meine Absicht ist es, den Zuschauern bewusst die ganze Diversität an Unerträglichkeiten vor Ohren zu führen.“
Die Benn-Texte sollten als Warnung wahrgenommen werden und als Beispiel für die Gefährdung selbst renommiertester Geistesgrößen durch abwegiges und kriminelles Gedankengut. Bei den Blicken in Benns abgründige, auf gewisse Art auch schaurig unterhaltsame Gedanken wird Peter optisch und musika- lisch unterstützt: Für Video und Projektion zeichnet der omnipräsente Krischan Kriesten verantwortlich. Sonja Hetheier (Elektromusik) arbeitet freischaffend mit Schwerpunkt experimentelle Musik bei Projekten aus Film, Fotografie, Video, Theater, Stimmkunst.
Götz Hach (Klavier) studierte an der Musikhochschule des Saarlandes Geige und Klavier; er wirkt als Liedbegleiter und spielt in der Band Liedstöckel. Gustavo Lepré (Gesang) aus Buenos Aires lebt seit 20 Jahren in Saarbrücken, er ist Teil des Chors Total und des Duos Milonga.
Der Eintritt ist frei.