Saarbruecker Zeitung

Der Kronprinz für die Königsklas­se

Mercedes-Pilot Pascal Wehrlein peilt diese Saison den DTM-Titel an – Danach Wechsel in die Formel 1?

- Von SZ-Redakteur Peter Wilhelm

Auf dem Nürburgrin­g biegt die DTM am kommenden Wochenende auf die Zielgerade ein. Heißester Titelkandi­dat ist derzeit Mercedes-Pilot Pascal Wehrlein. Der 20-Jährige könnte dabei Geschichte schreiben.

Nürburging. Pascal Wehrlein machte eine gute Figur, auch wenn er sich für den Auftritt etwas zu viel herausgepu­tzt hatte. Mit Anzug und Fliege statt des gewohnten Renn- Overalls enthüllte der Mercedes-Pilot dieser Tage auf der IAA in Frankfurt den Boliden für die nächste DTM-Saison. Beim Versuch, auch abseits der Rennstreck­e zu glänzen, ist die Ideallinie halt manchmal noch schwierige­r zu treffen als auf der Piste. Sogar sein Chef, Toto Wolff, kam da deutlich legerer daher.

Möglicherw­eise wird der 20Jährige aus Worndorf mit dem Auto, das er da vorstellte, aber gar nicht mehr fahren. Denn Wehrlein gilt bei Mercedes als Kronprinz (vielleicht auch deshalb der schicke Auftritt) – und als heißer Kandidat für die Königsklas­se. Bereits nächstes Jahr soll der als Rohdiamant gehandelte Fahrer den Formel-1Feinschli­ff bei einem der Mercedes-Kundenteam­s erhalten.

Von Schumacher entdeckt Wehrlein hat eine steile Karriere hinter sich: Entdeckt wurde er vor sechs Jahren bei einer Talentsich­tung des ADAC von keinem Geringeren als Michael Schumacher. Die NachwuchsS­erien absolviert­e der Schwabe (die Mutter stammt aus Mauritius, der Vater aus Deutschlan­d) im Schnelldur­chgang. 2013 war er bei seinem DTM-Einstieg der jüngste Pilot in der Geschichte der Serie, 2014 der jüngste Renn-Sieger. 2015 könnte nun der Titel als jüngster Meister hinzukomme­n. Eine beeindruck­ende Bilanz. „Ich bin sehr ehrgeizig und ungeduldig“, erklärte er seinen steilen Aufstieg: „Und es ist kein Geheimnis, dass mein Ziel die Formel 1 ist.“

Im Fahrerlage­r gehörte Wehrlein dennoch lang zu den eher Unscheinba­ren. So richtig Schlagzeil­en machte er eigentlich erst durch zwei Unfälle. Beim jüngsten wurden er und sein Teamkolleg­e Robert Wickens von Audi-Pilot Timo Scheider von der Strecke geräumt. Auf Anweisung der Audi-Box. Es war der Beginn der Funkspruch-Affäre („Timo, schieb ihn raus“), die für heftige Diskussion­en sorgte. Der erste Unfall passierte abseits der Rennstreck­e. Bei einem Werbe-Termin im WMTraining­slager der Fußball-Nationalma­nnschaft in Österreich hatte Wehrlein 2014 mit seinem Mercedes auf einer eigentlich abgesperrt­en Bergstreck­e zwei Personen erfasst. Einer davon lag wochenlang im Koma. Die Ermittler gaben Wehrlein die Hauptschul­d. „Die erste Zeit danach war für mich sehr schwer“, sagte er.

Nun aber geht der Blick nach vorne – zum Kampf um den DTM-Titel. Vor den Rennen am kommenden Wochenende auf dem Nürburgrin­g, den Läufen 15 und 16 von 18, führt Wehrlein die Gesamtwert­ung mit 14 Punkten Vorsprung vor AudiKontra­hent Mattias Ekström an. Der jüngste Fahrer im Feld (20) kämpft gegen den ältesten (37). Und noch ist das Rennen völlig offen. Zuletzt in Oschersleb­en setzte Wehrlein aber ein Ausrufe-Zeichen. Trotz des Ausfalls der Servolenku­ng fuhr er auf dem winkeligen Kurs auf Platz fünf – fast so etwas wie ein Meisterstü­ck, auf das Wehrlein auch entspreche­nd stolz war. „Andere Fahrer würden in so einer Situation aufgeben, aber ich wollte das Rennen zu Ende fahren“, gab er danach zu Protokoll. Ein Satz, der nicht gerade von schwachem Selbstbewu­sstsein zeugt. Dennoch weiß er, dass der Weg noch lang ist. „Die Pascal Wehrlein Meistersch­aft ist sehr hart, und es werden noch 100 Punkte vergeben. Wahrschein­lich wird sich alles erst im letzten Rennen entscheide­n.“

Generation Playstatio­n Sein ganz großes Ziel ist ohnehin ein anderes – die Formel 1. Und es scheint nur eine Frage der Zeit, wann Wehrlein dort ankommt. Bereits seit einem Jahr ist er Test- und Ersatzfahr­er beim Mercedes- GrandPrix-Team. Auch am Titelgewin­n von Lewis Hamilton 2014 hatte er Anteil. Wann immer Hamilton irgendwo auf einer Rennstreck­e fuhr, saß auch Wehrlein im Cockpit und tüftelte an der Abstimmung – im Simulator in der Fabrik im britischen Brackley. „Ich bin immer parallel zum ersten und zweiten freien Training gefahren. Je nach Zeitversch­iebung war das teils tagsüber, bei einigen Rennen haben wir aber auch erst um 18 Uhr angefangen und sind bis um 4 Uhr in der Nacht ge- fahren“, sagt Wehrlein: „Diese Rennen waren anstrengen­d.“

Immerhin: Die meisten Strecken kannte er bereits von der Playstatio­n. „Ich habe als Kind den ganzen Tag Formel 1 gespielt und den Ton immer voll aufgedreht“erzählt er lachend. „Meine Eltern haben oft gesagt, dass ich das Ding ausmachen soll. Ich kann mir schon vorstellen, dass es sie irgendwann genervt hat.“Doch jetzt zahlt es sich aus. Auch erste reale Tests im Formel-1-Mercedes verliefen positiv. „Es sah so aus, als hätte der Junge sein ganzes Leben nichts anderes gemacht“, stellte Sportchef Wolff fest.

Schnell genug für die Königsklas­se ist Wehrlein also. Ist er aber auch reif dafür? Nach dem Unfall mit Scheider sagte der 20-Jährige, Audi habe „einen Krieg gestartet“. Später polterte er: „Niemand soll nächste Woche einen Audi kaufen.“Das war kindisch. Und da hätte sich ein echter Kronprinz anders ausgedrück­t. Mit oder ohne Fliege.

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FOTO: DPA Pascal Wehrlein fährt trotz des Rammstoßes durch Timo Scheider in der DTM weiter auf Titelkurs – und in Richtung Formel 1.
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